Null Eitelkeit, null Machtinteresse

Eine blonde Frau lächelt und stützt ihr Kinn auf ihre Hand.
at // Eva Dichand, noch keine 35 Jahre alt, ist erfolgreich. Die von ihr geführte und entwickelte Gratiszeitung Heute, erst seit fünf Jahren am Markt, liegt, wie die jüngste Media-Analyse ausweist in Wien auf Rang 2 hinter der Kronen Zeitung und übertrifft bei den jungen Lesern sogar den Platzhirschen aus der Muthgasse. Natürlich hat es nicht geschadet, dass Krone-Herausgeber Hans Dichand ihr Schwiegervater und Chefredakteur Christoph Dichand ihr Ehemann ist. Dennoch: Mittlerweile bescheinigt die Branche, das hier eine exzellente Verlegerin am Werk ist, die mit Fleiß, Können und Ehrgeiz einen Spitzenplatz eroberte. atmedia.at: Frau Dr. Dichand, hat man sie grandios unterschätzt?
Dichand:Am Anfang haben sich die Etablierten gedacht, na, was macht die große Blonde da? Das war ein großer Fehler, dadurch hat keiner etwas getan als ich vor vier Jahren beiHeuteeinstieg. Dann wurden wir immer erfolgreicher und es kamen die großen Kunden wie Hofer, Spar und Billa und da haben die Intelligenten gesehen, ha, das wird was. Jetzt haben wir eine wahnsinnige Reichweite, liegen vor demKurierund knapp hinter derKleinen Zeitung. Im Osten sind wir in der Gesamtleserzahl nur hinter der Kroneund mit Abstand vor allen anderen.

Apropos, wie groß sind Sie?
Dichand:1,80, Meter.

Und nie Angst vor zu großen Schuhen?
Dichand:Nein. Aber: Wenn mir jemals jemand gesagt hätte, dass ich einmal eine Tageszeitung machen werde, hätt' ich den für verrückt gehalten. Doch wenn man sich das genauer anschaut, die ganzen Gratiszeitungen werden ja nicht von typischen Medienmachern gemacht, sondern das sind meist von außen kommende Leute.Wahrscheinlich Journalismus

Dann haben sie typisch untypisch Karriere gemacht?
Dichand: Ich bin aus Graz, hab' dort maturiert, in der HTL für Hochbau, was relativ ungewöhnlich für ein Mädchen ist, hab' dann in Wien an der WU studiert und kam dann zu Roland Berger. Zwischendurch hab' ich meine Dissertation geschrieben, über Offshore-Modelle in Osteuropa, und bin danach durch Zufall zur Creditanstalt in eine Investmentabteilung gekommen, wo ich Gott sei Dank nicht lange war. Weiter zur UIAG, dem größten Private Equity Fonds, dort war ich fünf Jahre lang. Dann hab ich meinen Mann geheiratet, mein erstes Kind bekommen und im Karenzjahr das Magazin Unsere Stadt für die Gemeinde Wien gemacht. Und so ein Monatsmagazin ist zum Lernen gar nicht so schlecht.

Was macht Heute zur größten Gratiszeitung Österreichs?
Dichand: Wahrscheinlich schon das Journalistische. Aber: Wir waren die Ersten, das ist einmal das Wichtigste bei einer Gratiszeitung. Der Erste hat die klassen Standorte und die besten Frequenzen, was ganz wichtig für den Vertrieb ist. Der Zweite tut sich viel schwerer. Bis zu einer gewissen Auflage kannst du tun und lassen was du willst. Dann aber musst du eine relativ gute Zeitung machen. Bei Heute sind doppelt so viele Leser in der höchsten Einkommensschicht als beim Kurier. Solche Leute erreichst du nur, wenn du eine ziemlich intelligente Zeitung machst. Dann darfst du nicht zu sehr parteipolitisch sein, eher neutral beziehungsweise sachpolitisch.

Irgendwie beruhigend. Journalismus zählt also doch?
Dichand: Natürlich, die Geschichten müssen da sein. Und stimmen. Das ist ja was viele, viele nicht kapieren. Bei uns fehlt fast nie eine Geschichte, meist sind wir sogar die Ersten. Das merkt der Leser. Wenn's am Tag vorher wo anders gestanden ist wird das Produkt uninteressant. Und für die, die sich nicht auskennen: Heute ist in Wirklichkeit eine normale Redaktion, wir arbeiten wie andere Zeitungen. Nur mit weniger Leuten - und die sind jünger. Die rufen den Minister mittlerweile genau so am Handy an und der ruft zurück.

Gratiskonzept nichts für andere Zeitungen

Und wie lautet das verlegerische Konzept?
Dichand: Gratiszeitungen funktionieren in Ballungszentren. Und sie funktionieren aus einem einzigen Grund: durch die Überlegenheit des Vertriebssystems. Sie stellen, sagen wir, 3.000 Boxen auf mit einer halben Million Zeitungen. Und diese 200.000 Euro Vertriebskosten, die sie sich da ersparen, das ist ihr Vorteil. Direkt in Haushalte zu gehen oder mit Abo zu arbeiten ist viel zu teuer, wie eine Hauszustellung. Das Gratiskonzept ist auch nichts für andere Zeitungen. Kurier oder Die Presse wirst du täglich nie verschenken können, das spielt's nicht. Das ist ein anderes Produkt. Wir sind anders, viel mehr am Punkt, kurz, schneller, besser.

Kann man Gratis- und Kauftageszeitungen irgendwie vergleichen?
Dichand: Eigentlich nicht, es ist ein anderes Businessmodell. Zu den Kaufzeitungen: Nehmen wir die Mediaprint, die hat als eine der wenigen in Österreich eine funktionierende Hauszustellung. 88 Prozent! Die können das letzte Dorf bei Hintertupfing beliefern. Die haben Abos, die stehen. Die Gratiszeitung braucht frequentierte Plätze. Du wirst mit ihr nie national sein, du wirst nie solche Umsätze erzielen. Deshalb kann man sie nicht vergleichen.

Aber Österreich vermischt sogar beide Modelle. Wie geht denn das?
Dichand: Also nehmen wir den Vertrieb und die Abos. Das ist eine kolossale Markteintrittsbarriere, das musste, entschuldige, dass ich das sage, das musste Österreich erst lernen. Da gab's Leute die gesagt haben, na locker stellen wir einen Vertrieb für Österreich auf. Na locker ist es eben net. Aber gut. Wir nehmen Österreich ohnehin nur als Gratiszeitung wahr, der Rest der Branche hat ein bissl gebraucht, bis sie's heuer kapiert hat. Jetzt schalten die ja ganz auf gratis um.

Moment, ganz Österreich wird gratis?
Dichand: Na, bitt' schön, sind sie blind? Die haben in den letzten Wochen 300 neue Boxen aufgestellt. Die haben in Wien auch keine Ziffern mehr ausgewiesen, damit man's nicht mit uns vergleichen kann.

Kill your enemies with copies

Und wie reagieren Sie darauf?
Dichand: "Kill your enemies with copies", das machen wir jetzt. Immer 150.000 Exemplare mehr drucken als Österreich behauptet. Die kommen nie mehr an uns ran. Wird ein teurer Spaß für die und leider auch für uns.

Mit wie viel Geld wurde Heute gestartet?
Dichand: Mit einem drei Millionen Euro Kredit. Der war nach zwei Jahren zurück bezahlt. Wir arbeiten längst positiv. Wien alleine wäre ein guter Gewinn. Das Problem ist eher, dass wir den in den Ausbau stecken, Wien, Nieder- und Oberösterreich. Wir erhöhen überall unsere Auflage und wollen den Vorsprung zu Österreich halten. Wir wundern uns eigentlich, was die anderen mit dem vielen Geld machen?

Macht Österreich etwas falsch?
Dichand: Keine Ahnung. Vielleicht ist Österreich zu spät draufgekommen, das Gratiszeitung das bessere Rezept wäre. Dabei wollen sie immer noch den Schein der Kaufzeitung aufrecht erhalten. Sie versuchen alles und machen uns alles nach. Bis zum Farbleitsystem und den Boxen und den Standorten. Aber so bleibst halt immer nur Zweiter. Schon schwierig, 12 Prozent Reichweitenunterschied aufzuholen. Und der Handel schaltet nur nach TKP's.

In einem Satz: Wie sind die Chancen ihres Mitbewerbers Österreich?
Dichand: Ich glaub, die Banken werden Wolfgang Fellner eines Tages fallen lassen, aber die Roten fangen ihn wieder auf.

Ihnen sagt man Erfolg nach, aber auch, dass sie alles etwas besser wissen. Stimmt das?
Dichand: Na, ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass ich ganz genau weiß was ich mache und das viel besser als der Rest. Aber ich bleib' auch bei dem. Ich habe nicht den Größenwahn eine Kaufzeitung zu machen. Das ist der Unterschied. Wir haben ein ganz klares Konzept. Wir wollten mit Heute nie Zeitungen verkaufen, wir wollten nie national werden. Und Null Eitelkeit. Wir machen Zeitungen auch nicht um Macht zu haben, das interessiert mich Null. Wir machen Zeitungen um Geld zu verdienen.

Todesstoß für Österreich

Dennoch, trifft Sie eine solche Aussage?
Dichand: Wenn sie mich so fragen: Ich hab ja die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen. Aber es rennen in der Branche schon sehr viele ältere Herren herum, die schon sehr, sehr lange Dinge machen, die nicht mehr funktionieren und sehr von sich überzeugt sind. Kennen Sie meinen Schwiegervater? Ja? Der war nie so.

Aber ein paar Erfolgreiche gibt es doch?
Dichand: Sagen Sie mir welche? Außer Hans Dichand und Horst Pirker gibt's net allzu viele. Noch zwei, drei, den Eugen Russ, den Cuturi, a bissl den Dasch und des war's. Der Rest wappelt herum und bringt seit 20 Jahren nichts z'samm. Sicher, es ist nicht immer leicht: Ich wüsst' auch nicht wie man die Presse besser führt. Die etablierten Kaufzeitungen, mei, die kämpfen jetzt alle gegen Rückgänge. Was willst Du machen, wenn du einen Kurier oder eine Presse hast? Da kannst du nur die Krise durchtauchen.

Was gehört ihnen von Heute?
Dichand: Gar nix! Ich bin nicht Gesellschafterin, ich bin Geschäftsführerin. Die Zeitung selbst gehört zwei Stiftungen, das ist ja bekannt. Und gehört auch sonst niemanden von der Familie Dichand, wie immer behauptet wird.

Denken Sie an eine Sonntagsausgabe?
Dichand: Ja, wir überlegen das. Das Konzept dafür steht. Wir denken an ein Heute am Wochenende für Samstag und Sonntag. Es wird ganz anders sein als bei Kaufzeitungen, man darf ja nicht die fünfte Sonntagszeitung machen. Aber es wäre der Todesstoß für Österreich, weil Du ihnen dann den einzigen Tag wegnimmst, wo sie noch Geld verdienen. Im Moment lautet die Frage: Kommst du gleich oder wartest du, bis die Fellners tot sind.

Aber ihnen würde es auch viel Geld kosten?
Dichand: Ja, da muss man viel in die Hand nehmen. Wenn man sich Wien als Markt anschaut, und nur der zählt, haben wir am Montag um 150.000 Leser mehr als Österreich am Sonntag. Jetzt können Sie sich vorstellen, wie viele Sackerl'n ich aushängen müsst', damit ich am Sonntag die gleiche Auflage hab' wie montags. Wenn ich aber die Leseranzahl net erreich, geht mir der Inserent nicht hinein. Ich brauch den Sonntag als zusätzliches Geschäft. Heißt: Erst wenn ich unter der Woche die Inserate nicht mehr hineinbringe, mach' ich einen Tag dazu.

Erster Teil des Interviews mit Eva Dichand - den zweiten Teil zu Hans Dichand, der Mediaprint und Babies liefern wir ihnen heute Abend. Das gesamte Interview steht morgen zum Download zur Verfügung

atmedia.at/ Franz Prassl

Kommentare