Näher an der Wahrheit

Sie kommen zu manchen Terminen mit Frau und Kinderwagen. Demonstrativ?
Strobl: Sehen Sie - (Strobl zeigt ein Foto seines Kindes auf seinem Smartphone) -, es gibt auch anderes im Leben, auf das man sich gerne konzentriert, auch wenn ich für meine Familie gerne mehr Zeit hätte. Der Job lässt eben nicht allzu viel Freizeit zu und wann immer es geht, werde ich auch Termine, die sich vereinbaren lassen, mehr oder weniger nur der Unterhaltung dienen, mit meiner Frau und meinem Sohn absolvieren.
Ihr Generaldirektor wird gerade etwas weniger geprügelt. Ihr Verdienst?
Strobl: Mein Team und ich haben vor allem die Aufgabe Faktenwahrheit herzustellen und Vermischungen, Unschärfen, die sich aus Interessensgegensätzen ergeben und damit fast zwangsweise ergeben, aufzuklären. Ich glaube, wir konnten dazu beitragen, dass sich Kritik und Situation wieder beruhigt haben und eine gewisse Sachlichkeit und auch Versachlichung eingetreten ist. Beispiel: Der Generaldirektor ist ein anerkannter Wirtschaftfachmann. Dennoch gab es eine Phase wo versucht wurde, seine Wirtschaftskompetenz zu bestreiten oder zumindest in Frage zu stellen und ihn vor allem als Medienmanager anzugreifen. Jetzt sind wir wieder näher an der Wahrheit.
Was waren aus Ihrer Sicht die Ursachen dieser Prügel?
Strobl: Die Funktion des ORF-Generaldirektors hat immer auch eine politische Komponente und es gab noch keinen ORF-Geschäftsführer, der nicht politischen Anfeindungen ausgesetzt gewesen wäre. Das hat sehr oft auch eher tages- und parteipolitische Hintergründe und muss bis zu einem gewissen Grad `sportlich´ gesehen werden. Obwohl ich mir vorstellen kann, dass es einigen Gleichmutes bedarf, um diese Anfeindungen durchzustehen.
Als aber relativ schnell klar wurde, dass es auch um die Unabhängigkeit des
ORF ging, dass Eingriffe in diese nicht ohne öffentlichen Widerstand abgehen würden, sich dementsprechend plötzlich verschiedenste Initiativen bildeten - ein bisschen hat man wieder den Geruch des ORF-Volksbegehrens von 1967 gespürt - gab es relativ schnell die Einsicht, dass die vom Zaun gebrochene Diskussion über die Ablöse der Geschäftsführung keinen Sinn macht.
Vielleicht wurde nicht immer rechtzeitig der Kritik entgegengesteuert?
Strobl: Da muss man die Geschichte und die zahlreichen unterschiedlichen Interessen mit ins Kalkül ziehen und betrachten. Wir hatten zuerst die Nichteinigung mit dem Verband der österreichischen Zeitungsverleger über deren Wünsche zum Nachteil des ORF, parallel dazu das EU-Verfahren mit entsprechendem Druck aus dem durch kommerzielle Interessen gesteuerten Lager. Teile der Print-Landschaft sind ja immer wieder in kritischer Auseinandersetzung mit uns und manchmal wollen manche auch beweisen, wo der `Bartl den Most holt´. Weiters mussten wir ab dem Frühjahr 2007 im Auftrag des Gesetzgebers die Digitalisierung der terrestrischen Fernsehübertragung umsetzen - mit geerbten Problemen wie etwa einer nicht ganz idealen Kommunikationsstrategie. Viele Kunden hat das vor dem Kopf gestossen. Dann kam die Wirtschaftskrise, die wir mit circa 20 Prozent minus in den Werbeerlösen spüren und und und. Leider wird oft vergessen, dass unser Budget nur zu etwa 60 Prozent aus den Gebühren besteht und wir mehr als 40 Prozent am Markt in Konkurrenz zum Mitbewerb lukrieren müssen.
Und das Programm?
Strobl: Aus meiner Sicht zum Großteil gelungen, es gab aber - und das ist im TV-Geschäft üblich - auch Flops. Beispiel Mitten im Achten. Vielleicht hätten wir das Durchziehen müssen, aber wir verstehen uns nicht als Oberlehrer der Nation, der dem Kunden sagt was er zu sehen hat. Die Leute wollten das nicht, deshalb haben wir auch nicht versucht, sie irgendwann eines Besseren zu `belehren´. Punktum.
Endlich spart der
ORF. Verstehen sie die Betonung auf endlich?
Strobl: Wir haben 2008/2009 das bislang umfangreichste Einsparungspaket gestartet. 2010 werden im Verhältnis zu 2007, als
Alexander Wrabetz als Generaldirektor begann, im laufenden Budget 200 Millionen eingespart. Das hätte wohl kein anderer geschafft. Und ganz ehrlich: Viele Unternehmen werden Sie nicht finden, die 20 Prozent ihrer Ausgaben bei gleichem Output und Angebot einsparen. Klar führt das auch zu einer zum Teil enormen Mehrbelastung unserer Mitarbeiter und nicht immer zu deren heller Freude
..
Wie mühsam ist das intern im
ORF zu kommunizieren?
Strobl: Die Kommunikationsarbeit nach Innen ist manchmal sogar schwieriger als nach außen. Wir bemühen uns jedenfalls um größtmögliche Transparenz und bieten so viel Information wie möglich über die unterschiedlichsten Kommunikationskanäle auch nach Innen an.
Wie viele Kollegen werden auf Grund der Sparpläne das Unternehmen verlassen?
Strobl: Ziel ist eine Reduktion um mindestens 440 Dienstposten bis 2011 von rund 3500, allesamt aber durch natürliche Angänge, Handshakes und Nichtnachbesetzungen.
Nunmehr ist das EU-Beihilfeverfahren bekannt. Zufrieden damit?
Strobl: Es entspricht im hohen Maße unserem Selbstverständnis. Wir wurden auf europäischer Ebene gegen verschiedene nationale und internationale Anfeindungen in unserem Bestand abgesichert. Die Breite des ORF steht außer Streit, auch dass die Gebühren rechtmäßig sind.
Ebenso andere zentrale Angebote, wie etwa die Online-Aktivitäten. Dabei rede ich immer von der europäischen Ebene. Jetzt kommt es darauf an, was der nationale Gesetzgeber daraus macht. Unser Job wird es sein, die Öffentlichkeit sehr genau darüber zu informieren, damit nicht Regelungen zum Nachteil des ORF einfließen.
Die neu zu schaffende Medienaufsicht wird ein wichtiges Instrument werden?
Strobl: Für uns kein Problem. Was ja nicht beabsichtigt sein kann ist, dass irgendwo eine beamtete Behörde sitzt, die das Programm bestimmt. Die EU verlangt die Unabhängigkeit dieses Forums. Der Besetzungsmodus ist Sache des Gesetzgebers, die Frage wird sein, welche Kompetenz hat diese Medienbehörde? Ist sie sozusagen ein Schattenkabinett des ORF? Die den ORF nicht so gerne mögen werden natürlich versuchen, möglichst viele `Hineinregierungskompetenzen´ zu installieren.
Die Chancen des
ORF für die nächsten Jahre?
Strobl: Sind eigentlich sehr gut. Wir wissen grundsätzlich, wohin, beispielsweise geht das Fernsehen eindeutig in Richtung High Definition-Qualität. Dadurch werden wir in drei bis fünf Jahren eine andere Marktsituation haben. Erst dieser Tage hat der Geschäftsführer der ProsiebenSat1-Gruppe gesagt, die Zielrichtung seines Unternehmens sei Pay-TV, weil die bisherigen Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Detto bei
RTL. Beide Gruppen werden HD dazu nutzen, Geld von jenen Kunden zu verlangen, die hochaufgelöste Bilder sehen wollen. In spätestens fünf Jahren wird es nur mehr HD-Qualität geben und dann werden vermutlich nur mehr die Öffentlich-Rechtlichen free-to-air in dieser Ausstrahlungsform sein - so wie ich eine kühne Prognose habe: in weiteren drei Jahren werden Vollprogramme als Free-TV nur mehr von öffentlich-rechtlichen Sendern angeboten. Eine Riesenchance für uns.
Werden Sie das noch im
ORF erleben?
Strobl: Generell: Das hier ist ein tolles Unternehmern. Und mein Job, der laut Vertrag bis zum 30. 12. 2011 geht, ist ausgesprochen spannend. Vielleicht ist er einer der fünf schwierigsten Pressejobs in Österreich, mit Sicherheit aber einer jener wenigen, wo ich täglich Neues lerne. Im Grunde gibt es drei wesentliche Entscheidungskriterien bei der Frage nach einer Funktionsverlängerung. Erstens: Dass die Zufriedenheit des Generaldirektors gewahrt ist, wobei ich immer von Alexander Wrabetz als meinem Chef ausgehe. Zweitens: Selbst das Gefühl zu haben, etwas Positives zum Wohle des Unternehmens beitragen zu können. Und drittens: Meine Frau und mein Sohn müssen mit diesem Arbeitspensum auch nach 2011 leben können.
atmedia.at/
Franz Prassl
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