"Kärntner Tageszeitung" wird eingestellt

Nach 69 Jahren geht die Geschichte der traditionsreichen Kärntner Tageszeitung am Freitag zu Ende. Nach der Eröffnung eines Konkursverfahrens am Dienstag sah Masseverwalter Gerhard Brandl am Donnerstag keine Chance mehr, das von der SPÖ im Herbst 1945 als Neue Zeit gegründete Blatt weiterzuführen. Ex-Geschäftsführer und de-facto-Eigentümer Dietmar Wassermann wird von den Behörden gesucht.
Mitarbeiter überrascht
Trotz mancher negativer Vorzeichen in den vergangenen Woche ist das endgültige Aus der Tageszeitung am Donnerstag für die Mitarbeiter doch überraschend gekommen. Die Stimmung der Betroffenen schwankte zwischen Trauer und Wut. "Wir bringen die letzte Ausgabe aber noch ordentlich zustande", sagte ein Redakteur zur APA.
"Es tut uns um die KTZ unendlich leid, wir haben furchtbar gerne hier gearbeitet", sagte eine Redakteurin. Trotz der "düsteren Vorzeichen" sei die Schließung dennoch überraschend hereingebrochen. "Auch wenn wir tief enttäuscht sind, die Leute gehen nicht nach Hause, sie arbeiten heute weiter", erzählte ein Redakteur. Nachsatz: "Anders als andere werden wir mit erhobenem Haupt das Schiff verlassen."
Das schleichende Ende der früheren Parteizeitung
Die Zeitung erschien ab Jänner 1946 täglich, 1965 wurde sie in Kärntner Tageszeitung umbenannt, 1981 wurde sie vom Hochformat auf Kleinformat umgestellt. 1990 stieg die Mediaprint als Kooperations-und Vertriebspartner ein, die Zusammenarbeit dauerte bis Ende 2009. Zu dieser Zeit gab die SPÖ - nicht zuletzt wegen finanzieller Schwierigkeiten - ihre Mehrheit an der KTZ ab, Geschäftsführer Bernhard Wernig und Chefredakteur Ralf Mosser übernahmen gemeinsam 45 Prozent, mit zehn Prozent stieg der Medienunternehmer Hannes Berger ein.
2010 wurde eine Montag-Ausgabe eingeführt, eine Entscheidung, welche die Zeitung finanziell schwer belasten sollte, die Zusatzkosten konnten nicht annähernd durch Auflagensteigerungen bzw. mehr Inseratengeschäft kompensiert werden. Im Oktober 2010 zog sich die SPÖ schließlich völlig aus der KTZ zurück, Berger übernahm gemeinsam mit seinem Sohn Hansjörg Berger 100 Prozent an dem Blatt. Im Juni 2012 wurden die finanziellen Probleme auch öffentlich, die Gebietskrankenkasse stellte einen Konkursantrag. Damals waren knapp 170.000 Euro ausständig. Die Pleite konnte abgewendet werden, Berger holte Dietmar Wassermann ins Boot, der vorerst als "Kooperationspartner" vorgestellt wurde. Wenig später übernahm Wassermann die KTZ-Tochter Bezirksjournale, die bereits im Dezember 2012 Konkurs anmeldete, ein Sanierungsverfahren wurde eingeleitet, im Sommer 2013 war endgültig Schluss. Im Jänner 2013 übernahm Wassermann offiziell die Mehrheit an der "Kärntner Tageszeitung", wenig später löste Claudia Grabner Ralf Mosser als Chefredakteurin ab.
Turbulenzen
Trotz der jährlichen Presseförderung waren die vergangenen Monate der KTZ von finanziellen Turbulenzen geprägt. So erhielten die Mitarbeiter im Sommer kein Urlaubsgeld, dieses wurde erst im November ausgezahlt. Gehaltszahlungen kamen nur noch schleppend, freie Mitarbeiter mussten teilweise monatelang auf Honorare warten. Im September stellten Ex-Mitarbeiter einen Konkursantrag, der gerade noch abgewendet werden konnte. Im Jänner spitzte sich die Situation zu, zum Konkursantrag kam der Auslieferungsantrag der deutschen Behörden gegen den KTZ-Eigentümer. Wassermann erhob Einspruch, blitzte aber beim Oberlandesgericht Graz ab. Am Tag bevor er sich den deutschen Behörden stellen sollte, verabschiedete er sich, aber statt nach Bayern zu fahren, tauchte er unter.
Wassermann, der über eine komplizierte Firmenkonstruktion de facto Eigentümer war, wird vom Amtsgericht München gesucht, ihm wird Mehrwertsteuerbetrug in großem Stil vorgeworfen, gemeinsam mit elf weiteren Beschuldigten soll er den deutschen Fiskus um mindestens 3,8 Millionen Euro geprellt haben. Der 53-Jährige, der in Deutschland schon zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist, hat die Vorwürfe stets bestritten und erklärt, er werde sich den deutschen Behörden stellen. Das tat er allerdings nicht, nun gibt es einen internationalen Haftbefehl.
"Es wird ein Abschied hoch erhobenen Hauptes sein - und auch mit einem lachenden Auge. Wir sind voller Stolz auf unsere Leistung." So hat die Chefredakteurin der Kärntner Tageszeitung, Claudia Grabner, am Donnerstag stellvertretend für die rund 30 Mitarbeiter auf die Nachricht vom endgültigen Aus des Traditionsblattes reagiert.
Dass das Ende der Zeitung aus ihrer Sicht jetzt doch so plötzlich gekommen ist - am Dienstag hatte es nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst geheißen, es werde nun einmal nach Investoren gesucht - erfüllt Grabner und die Redaktion auch mit Enttäuschung und Wut, sagte sie. "Es hat sehr wohl Interessenten gegeben. Die Gespräche dürften aber sehr schnell über die Bühne gegangen sein. Viel Zeit hat man sich nicht gelassen."
Für die am Freitag erscheinende letzte Ausgabe der Zeitung ist ein großer Abschied geplant. Grabner: "Ursprünglich war eine normale Ausgabe mit 64 Seiten geplant. Wir machen jetzt 80 Seiten und widmen die ersten 18 Seiten dem Ende der Zeitung." Ärgerlich sei, dass man die Redaktion beinahe zeitgleich mit der Öffentlichkeit über die Schließung informiert habe. "Wir hätten uns erwartet, dass wir zumindest zwei Tage im Voraus erfahren hätten, wann die letzte Ausgabe erscheint, aber wir wären ja nicht die KTZ, wenn wir nicht auch das schaffen würden." Man sei es bereits gewohnt, Aufgaben "in kürzester Zeit mit minimalem Personalstand" zu bewältigen.
Die KTZ war seit Jahren nach der Kleinen Zeitung und der Kronenzeitung die drittstärkste Tageszeitung in Kärnten. Für ihre Chefredakteurin war die KTZ aber auch das "unabhängigste" Medium: "Hinter uns ist kein großer Konzern gestanden. Wir waren noch freier als alle anderen, weil wir auch keinen Großinserenten verpflichtet waren."
Betriebsrätin Betina Germann hat für den späten Donnerstagnachmittag einen Mitarbeiter der Arbeiterkammer in die Redaktion gebeten. "Wir werden heute noch unsere Insolvenzbögen ausfüllen." Die Mitarbeiter hätten bis zuletzt gehofft, dass es weitergehe und vollen Einsatz gezeigt. Germann: "Mir tut es um die Mitarbeiter leid, weil es wirklich Herzblutjournalisten sind."
Parteizeitungen hatten in Österreich einen schweren Stand.
- Die im Besitz der ÖVP Steiermark stehende Süd-Ost-Tagespost gab 1987 auf.
- Die Volksstimme, Tageszeitung und Zentralorgan der KPÖ, wurde im März 1991 eingestellt.
- Aufsehenerregendes Ende einer Ära war vor allem das Aus für die Arbeiter-Zeitung, die im Herbst 1991 102 Jahre nach ihrer Gründung ein letztes Mal erschien.
- Das ehemalige SPÖ-Blatt Neue Zeit wurde 2001 eingestellt.
- Die ÖVP Salzburg übergab ihre Salzburger Volkszeitung 2005 an private Eigner.
- Aus der Kärntner Tageszeitung zog sich die SPÖ 2009 zurück.
- Letzte Parteizeitung am Markt ist das Neue Volksblatt im Eigentum der ÖVP Oberösterreich.
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