Designer wehrt sich gegen Kommerzialisierung

Es waren drei kleine Worte, die nach den Anschlägen in Frankreich um die Welt gingen: "Je suis Charlie" (Ich bin Charlie). Nun will der Grafikdesigner Joachim Roncin, der das Logo auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter prägte, seinen kleinen Satz rechtlich schützen lassen, wie er der Nachrichtenagentur AFP in Paris sagte. Er wolle damit die kommerzielle Ausbeutung des Slogans verhindern.

"Entsetzt"
Der 39-jährige Roncin ist entsetzt, was mit seinem Satz passiert und wie viele Leute "daraus Geld schlagen wollen". Vor allem werde dadurch der Sinn das Slogans völlig entwertet. "Derzeit arbeite ich mit Juristen daran, um möglichst sicherzustellen, dass Objekte mit dem Slogan nur dem Zweck der Förderung der Meinungsfreiheit dienen."
Nach Angaben seiner Anwältin Myriam Sebban will Roncin möglichst auf sein Urheberrecht pochen. Das französische Patentamt hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass es die zahlreichen Anträge von Firmen, den Slogan #JeSuisCharlie als Marke einzutragen, nicht annehme.
Roncin, der vor den Anschlägen 400 Follower auf Twitter hatte, schuf einen der populärsten Hashtags aller Zeiten. Als Erster benutzte Twitter-User Thierry Puget den Hashtag #JeSuisCharlie, gemeinsam mit Roncins Logo.
Zusammen mit seinen Kollegen vom Mode-Gratis-Magazin Stylist saß Roncin in einer Redaktionskonferenz, als am Mittwoch vergangener Woche zwei Islamisten in die Redaktionskonferenz von Charlie Hebdo stürmten und mit Kalaschnikows unter "Allahu Akbar"-Rufen um sich schossen. Ein Kollege von Roncin sah die Meldung von dem Anschlag auf Twitter, und der Grafikdesigner entwarf "geschockt" das Logo.
"Je suis Charlie" - Ein Slogan geht um die Welt
"Ich bin ein Berliner"
Roncin weiß nicht mehr genau, wie er auf die Idee zu dem Logo kam, er meint aber, es sei eine Mischung aus Geschichte und Pop-Kultur. Von dem berühmten Kennedy-Satz "Ich bin ein Berliner" im Jahr 1963 bis zu "Wir sind alle Amerikaner" nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA ließ er sich inspirieren. Auch der Satz "I am Michael Brown" in der Stadt Ferguson in den USA, wo ein unbewaffneter junger Schwarzer von der Polizei erschossen wurde, spielte eine Rolle.
Danach ging der Slogan um die Welt. "Es geschah alles sehr schnell. Es ist alles sehr verworren, es war eine Kette von Ereignissen, es war weltweit", sagt Roncin und wirkt überrollt von den Geschehnissen. "Ich habe nur ein Bild entworfen, einen Slogan. Die sozialen Netzwerke haben diese Bewegung zu etwas gemacht, das krankhafte Ausmaße angenommen hat." Er gibt aber zu, dass er einen "Wow"-Moment erlebt habe, als bei dem großen Gedenkmarsch in Paris von rund 1,5 Millionen Menschen für die Anschlagsopfer überall der Slogan zu sehen gewesen sei.
Missbrauch des Slogans
Auf der anderen Seite gibt es die, die seinen Slogan abändern, verhunzen oder gar missbrauchen. So tauchte ein Hashtag #JeSuisNico im Internet auf, wo Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy durch den Kakao gezogen wurde, weil er beim Gedenkmarsch plötzlich in der ersten Reihe aufgetaucht war. Oder eine Fotomontage des französischen Schauspielers Gérard Depardieu, der für seinen ausschweifenden Wein-Konsum bekannt ist, und der mit einem Schild #JeSuisChablis gezeigt wurde.
Aber auch Twitter-Botschaften mit #JeSuisPasCharlie (Ich bin nicht Charlie) oder gar #JeSuisKouachi als Unterstützung für zwei der Attentäter gab es. Roncin ist entsetzt: "Ich glaube, diese Leute verstehen die ursprüngliche Botschaft nicht. Eine säkulare Botschaft der Hoffnung und voilà, eine Botschaft für Frieden."
Seit dem Attentat ist das Satiremagazin Charlie Hebdo so gefragt und bekannt wie nie - eine bittere Ironie, die dem finanziell schwer angeschlagenen Magazin eine Woche nach dem Angriff eine Millionenauflage bescherte.
In Frankreich verlangten manche Händler am Donnerstag fünfstellige Beträge oder mehr für die jüngste Ausgabe, die in einer Auflage von fünf Millionen Exemplaren gedruckt werden soll. Ganz dreiste Anbieter haben das Magazin digitalisiert und bieten PDF-Versionen zum Download im Internet für ein paar Euro an.
Die Nachfrage ist so groß, dass sich selbst damit Hunderte Euro verdienen lassen. Dass dies mit dem Urheberrecht kaum zu vereinbaren ist, scheint sie nicht zu stören. "Das ist absolut unanständig", schimpfen Journalistenvertreter wie Christophe Deloire von Reporter ohne Grenzen.
Fanartikel aller Art
Im Internet finden sich darüber hinaus mehrere Tausend Angebote für Fanartikel aller Art. Was in Paris als Welle der Solidarität begann, wurde innerhalb kürzester Zeit auch zu einem Geschäft. Im Angebot: Bedruckte T-Shirts, die beim großen Solidaritätsmarsch am Sonntag dankbare Abnehmer fanden, Tassen, Stoffbeutel und Buttons mit der Aufschrift "Je suis Charlie". Und sogar Babys und Vierbeiner dürfen sich ungefragt zu "Charlie" bekennen. Einen Strampler gibt es bereits ab 14,50 Euro, das Hundehalsband für 8,90 Euro.
Eine Vermarktung, die dem ein oder anderen überzogen vorkommen mag. "Wir kotzen auf all diese Leute, die auf einmal unsere Freunde sein wollen", formuliert es Charlie Hebdo-Zeichner Barnard Holtrop und zielt damit auch auf diejenigen ab, die dem Blatt vorher eher kritisch gegenüberstanden. Wie man es allerdings auch machen kann, zeigt die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen: Auch sie verkauft T-Shirts mit "Charlie"-Aufdruck. Die Erlöse gehen hier allerdings an die Redaktion des Satiremagazins.
Kurze Zeit nach dem Attentat am 7. Jänner waren es nur eine Handvoll Pariser Journalismusstudenten gewesen, die sich am Tatort zu der Parole "Je suis Charlie" bekannten. Sofort sei klar gewesen, dass man Gesicht zeigen müsse, erzählte Clivia Potot-Delmas an jenem Mittwoch, an dem bei dem Attentat zwölf Menschen erschossen wurden. Eine junge Französin war ebenfalls gekommen und ärgerte sich, dass nicht mehr Menschen Flagge zeigten. "Wo sind denn alle Franzosen?", fragte sie.
Auch sie hätte zu diesem Zeitpunkt wohl nicht gedacht, dass nur wenige Tage später Millionen Menschen auf die Straßen gingen, die Führungsriege Europas Arm in Arm schritt und alle Welt plötzlich irgendwie zu "Charlie" geworden war. Ein junger Franzose singt auf Youtube die Worte, die die aktuelle Stimmung vielleicht erklären: "Wenn du fragst, wo Charlie ist: Für immer in unserem Geiste." Sein Video wurde bis Donnerstag knapp drei Millionen Mal angeschaut.
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