Im Zweifelsfall gegen Google

Ein lächelnder Mann mit Brille, Anzug und Krawatte vor farbigen Bildern.
Österreichische MedientageOb Edward Snowden als jener Mensch in die Geschichte eingeht, der dem Internet im Jahr 2013 die Unschuld raubte, werden irgendwann Historiker klären. Für ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz gilt dieser Raub als erwiesen. Und er leitet daraus ab, dass anhand Snowdens Leak klassische Medien wieder ein Stück ihrer Identität zurück bekamen, die ihnen das Internet in den vergangenen Jahren raubte. Wrabetz war im Zuge des mit Alte Feinde, neue Freunde? betitelten Medientage-Panels mit VÖZ-Präsidenten Thomas Kralinger und Google Austria-Country-Manager Markus Kienberger in eine Diskussion involviert, die sich um Spielregeln im Medienmarkt Österreich drehte und zum erwartbaren Google-Angriff auswuchs.

Wobei zunächst Kralinger und Wrabetz rhetorisch ihrer Klingen kreuzten. Der VÖZ-Präsident kämpft für die wirtschaftliche Zukunft der Verleger in der digitalen Welt, die durch Gebührenfinanzierung des ORF eine ungleiche Basis hat. Jüngste Repräsentation für diese gesetztlich institutionalisierte Schieflage, einem Mangel an Regeln im digitalen Österreich-Markt und Grenzüberschreitungen sind die Apps des öffentlich-rechtlichen Medienunternehmens.

Kralinger, der betont, dass es um den "Markt geht auf dem wir uns bewegen", wirft die Frage auf, wieviel Förderung dieser Markt bedarf, um ihn gesund und qualitativ zu erhalten. Er ist überzeugt, dass sich nicht jeder in diesem gemeinsamen Markt bewegen kann, wie er gerne möchte. Und das betrifft sowohl den ORF als auch Google.

Wrabetz kontert die App-Attacke mit dem Hinweis, dass von den geschätzten, jährlichen 200 Millionen App-Downloads - das wären theoretisch etwa 25 Downloads pro Österreicher und würde, umgelegt auf die aktuelle Smartphone-Durchdringung, auf 55 Downloads pro Smartphone-Nutzer ansteigen - ohnehin nur "rund 200.000 auf die App zur Ski-Alpin-Weltmeisterschaft in Schladming im Februar 2013" entfallen waren. Der ORF-Generaldirektor kontert weiter, dass der "Feind globale Konzerne" wie beispielsweise Google seien und als Scheinmedien auftreten.

Ein Mann mit Brille und Anzug lächelt in die Kamera.
Alexander Wrabetz, ORF-Generaldirektor: "Auch im Jahr 2020 wird sich der ORF dual aus Gebühren und Werbung finanzieren." (c: createconnections)

Wrabetz schließt sich hier implizit an Kralingers Forderung nach Regeln an und plädiert für eine "Definition von Medien, in denen Inhalte und Wertschöpfung produziert werden", um eine Differenzierung zu jenen als Medien erscheinenden Anbieter, die nur Inhalte nutzen, machen zu können. Er verlangt nach der Einrichtung eines "Medienrates, der klarstellt, welche Online-Angebote Medien sind und welche nicht".

Kralinger verschließt sich dem, mit der Panel-Betitelung verankerten Begriff Feinde. "Wir sind keine Feinde. Unser Thema sind Spielregeln", erklärt der VÖZ-Präsident. Und diese Regeln betreffen selbstverständlich Googles Möglichkeit maximal-optimiert in Österreich mit rund 20 Mitarbeitern den, so die Annahme, höchsten Online-Werbeumsatz aller heimischer Unternehmen zu erwirtschaften und dafür ein Minimum an Gewinn zu versteuern.

Der VÖZ-Präsident evaluiert die Gegensätze mit "rund 1.800 kollektivvertraglich beschäftigen Vollzeit-Journalisten" und besteuerter Werbung während Google weder Werbe- noch Umsatzsteuer bezahlt. Wrabetz legt hier nach: "Während die gesamte TV-Industrie in Europa etwa 31 Milliarden Euro an Werbeerlösen erzielt, betrage der Google-Werbeumsatz in Europa etwa 11 Milliarden Euro." Dieses eklatante Mißverhältnis gipfle für ihn in der mutmaßlichen, nachteiligen Beeinflussung von Mitbewerb seitens Google über Werbeblocker-Technologie, die er zur Prüfung an die Wettbewerbsbehörde übergeben will.

Ein Mann mit grau meliertem Haar lächelt in einem schwarzen Sakko.
Markus Kienberger, Google Austria Country Manager: "Wir bezahlen über AdSense Verlage jährlich hohe Summen für ihre Traffic-Leistungen." (c: google austria)

Kienberger wiederum muß sich in dieser Diskussion des Vorwurfs der "Scheinheiligkeit" erwehren, die dem Konzern süffisant vom Moderator der Runde, dem profil-Herausgeber Christian Rainer, unterstellt wurde. Dem Google Austria-Manager stehen in dieser Diskussion vielerlei Konzern-Regeln im Weg, um sowohl Kralingers als auch Wrabetz Argumente mit verschiedenen Details und Fakten zu entkräften und was als "Ironie der Größe" interpretiert werden kann.

Kienberger bestreitet, wie beide behaupten, im "gleichen Markt tätig zu sein". Denn Google wirtschafte in Österreich mehr mit kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die Steueroptimierung, etc. finde selbstverständlich im Rahmen gesetzlicher Regeln statt, deren Änderbarkeit von demokratischen Prozessen abhänge, argumentiert er weiter.

Er schließt mit der Diskrepanz zwischen Werbeinvestitionsvolumen und tatsächlicher Mediennutzung in Österreich, die auf ihre Weise durchaus auch die Schieflage im dualen System reflektiert: "Die Reichweite von Online spiegle sich in zwölf Prozent Werbespendings ebenso wenig wider, wie dies umgekehrt im Falle von 53 Prozent Print- und 23 Prozent TV-Spendings ist."

Und YouTube, rückt Kienberger eine vermeintliche Interpretationslücke auf dem Podium zurecht, ist eine technische Plattform um Content von Nutzern und Partnern zu veröffentlichen und diesen im Idealfall ein Bewirtschaftung ihrer Inhalte zu ermöglichen.

Denn zuvor beschwor Wrabetz die "Übermacht von YouTube", um sich damit die Brücke zum geplanten Ausbau des ORF-Bewegtbild-Angebots und der TVthek zu legen. Er präferiere dabei eine österreichische Lösung um "Bewegtbild-Angebote gemeinsam mit österreichischen Medienpartnern zu sharen und auch gemeinsam zu vermarkten".

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