Gallische Dörfer und Äpfel

Ein Mann mit Brille und Anzug spricht in ein Mikrofon und gestikuliert.
Von VÖZ bis ORF: Medienvertreter nehmen die Politik aufs Korn.

Die bei den Medientagen vorerst nicht vertretene Bundesregierung und ihre Politik zog sich den Grant der Medien-Exponenten beim Panel "Identität braucht Inhalte" zu.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz brachte es in die Kurzform "Äpfel sind wichtiger als Apple". Auf einen wirtschaftlichen Engpass durch die aktuellen Russland-Sanktionen werde sofort reagiert. Hingegen sei die Zukunft der Medien in der politischen Diskussion kaum präsent. "Wir sind eine der wichtigsten Industrien für die Zukunft eines Landes, daher verdienen wir auch Information und Befassung.“

Auch VÖZ-Präsident und KURIER-Geschäftsführer Thomas Kralinger ortet zu wenig Expertise in der Regierungspolitik. "Die Politik hat die Geschwindigkeit der digitalen Entwicklung in den letzten Jahren nicht realisiert, weil es in der Regierung nur wenige gibt, die Verständnis für die Auswirkungen auf die Medien haben haben – die Frustration auf der Medienseite war somit natürlich groß.“ Ein hochwertiger Medienmarkt brauche aber "Investment und Commitment, um seine Rolle als vierte Gewalt gewährleisten zu können".

"Wir stehen nicht auf der Agenda der Politik, sondern stehen auf der Liste für Allfälliges oder Abfälliges“, konstatierte Markus Mair, der Vorstandschef der Styria Media Group. Er sieht aber auch eine Bringschuld: "Die Veränderung im Produktportfolio von Medienhäusern bedeutet, dass man auch andere Kompetenzen aufbauen muss. Entwickler, Hersteller von Applikationen müssen im eigenen Haus sitzen.“

Walter Ruck von der Wirtschaftskammer Wien plädierte für eine Aufhebung der Werbeabgabe, "sie bringt in der Einhebung wirklich wenig – weg damit".

Ein Mann mit Brille spricht in ein Mikrofon und hält ein Blatt Papier in der Hand.
Panel "Identität braucht Inhalte". Wien 16.09.2014

Wrabetz sieht eine Asymmetrie im Kartellrecht. Er skizzierte Österreich als "gallisches Dorf", in dem kartellrechtliche Probleme überbewertet würden, und die Global Players als "römisches Reich". Wenn etwa der Video-Streamingdienst Netflix dieser Tage in Österreich starte, "gibt es keinen Mucks vom Regulator".

Medienmanager Hans Mahr beklagte hingegen, dass seit Jahren immer die gleichen Themen diskutiert und beklagt würden: "Man nimmt uns nicht ernst – wir kommen nicht weiter". Es fehle auch in Deutschland an geeigneten Rahmenbedingungen, nicht nur in Österreich. Er forderte: "Weniger klagen, ein bisschen mehr machen", und zitierte den zurückgetretenen Vizekanzler Michael Spindelegger: "Entfesseln wir einmal die Kreativität."

Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Technologies Austria, plädierte für mehr Mut: "Wir begreifen den internationalen Wettbewerb als Chance und fürchten und nicht davor. Wir haben unser Headquarter in Villach – hätten wir uns immer nur gefürchtet, dann hätte sich unser Standort nicht zu dem entwickelt, was er heute ist.“

Medienminister Josef Ostermayer war ursprünglich für die Medientage angesagt, muss aber nun den an Angina erkrankten Bundeskanzler vertreten.

Am Nachmittag wurde über verschwimmende Grenzen zwischen Journalismus und PR diskutiert. Tenor: Zusehends weniger Journalisten stünden wachsenden PR-Abteilungen von Unternehmen gegenüber, die zum Teil selbst als Medien auftreten. KURIER-Herausgeber Helmut Brandstätter ortete zudem ein Versagen der politischen und wirtschaftlichen Elite im Land, die sich zu sehr vor dem Boulevard verneige.

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