Facebook killt Mobile-TV
Seit knapp zwei Jahren können wir Bewohner des europäischen Mobilfunk-Vorzeigemarktes
Österreich auch handlich Fernsehen. Mobile TV eignet sich hervorragend um unter Schul- oder Unibänken, am Steuer von Taxis, an Pförtner-Logen, bei längeren Stuhlgängen und während Kongress-Messen-Powerpoint-Marathons fern- und doch nichts zu sehen. Wie gerne erinnert man sich an den sagenhaften Auftrieb von Politik-, Medien- und Mobilfunk-Prominenz im Euro-2008-Zelt zwischen Natur- und Kunsthistorischem Museum in Wien kurz vor Anpfiff der ebenfalls für Österreich sehr erfolgreichen Fussball-Europameisterschaft. Die damalige Medienministerin
Doris Bures war guter Dinge, dass nach den hierzulande obligaten zumindest einjährigen Vorquerelen rund um die Lizenz-Vergabe, den Netzaufbau, etc. Mobile TV für "elementare Zukunftsimpulse für Österreichs Medien- und Telekommunikationswirtschaft sorgen wird".
Tausende neue Arbeitsplätze wurden in die Zukunft projiziert und an der Nachhaltigkeit durfte nicht laut und nicht leise gezweifelt werden.
Hans Mahr sprach salbungsvolle Worte. Universal-Austria-Chef Hannes
Eder war guter Hoffnung.
Media Broadcast-Geschäftsführer Berthold Heil und die Mobilfunk-CEOs funkten Triumpf-Signale an die Welt.
Das Fussball-Fest Euro08 war dann für Mobile-TV genauso wenig der Treiber wie für den Verkauf von Flachbild-TV-Bildschirmen. Dann war Sommer. Mobile-TV wurde zwar beworben. Grillkohle und Gelsenspray war den Österreichern dann doch wichtiger als die
Barbara Karlich-Show oder Armin Assingers-Millionen-Euro-Verteilung am Handtaschen-Fernseher zu sehen. Der Werbedruck für DVB-H-TV der Mobilfunker ist recht bald erlahmt. Die Preisschrauben runter zu drehen, war ganz schnell wichtiger.
Aber eigentlich sind ja die Handy-Hersteller schuld, dass Mobile TV beim Eintritt in die österreichische Marktatmosphäre verglüht ist. Wenn für den Mobilfunk-Vorzeige- und -Testmarkt keine Bonsai-Fernseher zur Verfügung stehen, kann das nicht funktionieren. Und die, die Malcolm mittendrin,
Meredith Grey,
Gill Grissom,
Homer Simpson und tanzende B-Promis sehen wollen-sollen, haben sich entschieden Status-Meldungen aus ihren globalen, regionalen und lokalen Universen abzuschicken, um die Welt mit Problemen mit Lockenwicklern, Vorfreuden auf Schmalzbrote und Unwissenheit zur eigenen digitalen Persönlichkeit zu konfrontieren.
Mobile TV ist schlicht und einfach asozial in einer Welt, in der wir mit allen befreundet sein müssen und Public Viewing dem soziopathischen Alleine-Fernsehens vorzuziehen ist. Die Politik, die Mobilfunker, die Werber oder die Inhalteanbieter sind klarerweise nicht verantwortlich für das Mobile TV-Scheitern in Österreich. Es muss schon an den Konsumenten liegen. Für sie wurde ja alles getan. Aber wer nicht will, der hatte schon. Oder?
Thomas Loser
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