Einigung auf neues Urheberrecht

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) beim gemeinsamen Kunstschauen
Der Handy- und Computerkauf wird teurer, Google, Facebook und Co. müssen für Inhalte zahlen

Nach vielen vergeblichen Anläufen hat sich die Koalition auf eine Reform des Urheberrechts geeinigt – eine nur scheinbar trockene, aber im Kultur- und Medienbereich überaus wichtige Materie.

Ein entsprechender Ministerialentwurf ist nun in Begutachtung, soll am 16. Juni im Ministerrat und noch vor dem Sommer vom Parlament beschlossen werden. In Kraft treten soll die Reform am 1. Oktober.

Der Entwurf beinhaltet die lange Zeit umstrittene Festplattenabgabe, nun „Speichermedienabgabe“ genannt. Diese wird bei Neukäufen auf Speichermedien (etwa in Computern und Handys) fällig und an Künstler ausgeschüttet.
Ebenso soll es ein „Leistungsschutzrecht“ geben, das Medien die Möglichkeit gibt, Suchmaschinen wie Google und andere Dienste im Internet für die Verwendung von Textschnipseln zur Kassa zu bitten.

Reformstau

Die Reform des Urheberrechts wurde nötig, da viele der bisherigen Regelungen lange vor dem Internetzeitalter entstanden sind. So haben Künstler zunehmend beklagt, dass ihnen durch Downloads und Streams Einnahmen entgehen. Ebenso musste die einstige „Leerkassettenabgabe“ reformiert werden. Da Audiokassetten praktisch nicht mehr verwendet werden, gingen die Einnahmen stark zurück. Um die „Speichermedienabgabe“ herrschte in den vergangenen Jahren große Uneinigkeit: Der Handel und die Konsumenten wehrten sich gegen die Mehrbelastung.

Die Diskussion wurde, abseits der breiten Öffentlichkeit, mit für Österreich ungewohnter Schärfe und Verbissenheit geführt.

Abgabendeckelung

Im jetzigen Vorschlag sind die Vergütungen aus der Speichermedienabgabe gedeckelt: Gemeinsam mit der Reprographievergütung (etwa auf Kopien) dürfen diese bis 2019 nicht mehr als 29 Millionen Euro pro Jahr ausmachen. Wird diese Grenze signifikant überschritten, kann die Höhe der Abgaben nachverhandelt werden.

Und jene Käufer, die keine urheberrechtlich geschützten Werke auf ihren Speichermedien ablegen, können die bereits entrichtete Urheberrechtsabgabe zurückfordern. Man braucht nur glaubhaft belegen, dass man das Medium ohne Privatkopien verwendet. Der entsprechende Betrag muss aber beim Kauf auf der Rechnung ersichtlich sein.


Die Künstler haben stark für die Festplattenabgabe votiert, auch wenn deren rechtliche Durchsetzbarkeit angezweifelt wurde. So dürfen damit laut einem EuGH-Urteil nur legale Privatkopien (und nicht illegale Kopien) abgegolten werden; wie viele davon wirklich auf den Speichermedien der Österreicher liegen, konnte nie eindeutig belegt werden.

Studie zu Kopien

Nun schreibt der Gesetzesgeber vor, dass die Verwertungsgesellschaften untersuchen müssen, wie Speichermedien wirklich genützt werden. Auf Grundlage der Ergebnisse soll mit Nutzer- organisationen innerhalb von zwölf Monaten ausverhandelt werden, welche Vergütungshöhe „angemessen“ ist. Kommt diese Einigung innerhalb von zwölf Monaten zu Stande, darf die Vergütung auf Speichermedien ab diesem Zeitpunkt eingehoben werden. Sollte in dieser Zeit keine Einigung erzielt werden, darf die Verwertungsgesellschaften einseitig beginnen, Tarife einzuheben.

Auch die Höhe der Tarife, die beim Kauf aufgeschlagen werden dürfen, ist geregelt. So darf die Abgabe bei Speichermedien sechs Prozent des Kaufpreises nicht übertreffen; bei Druckern, Kopierern und Scannern sind es elf Prozent.

Transparenz bei Verwertungsgesellschaften

Und die Verwertungsgesellschaften, die diese Abgaben an die Künstler verteilen, müssen die Verwendung der eingenommenen Geldmittel transparent machen – u.a. mit jährlichen Berichten. Es soll auch einen Beirat zur Speichermedienvergütung geben.

Schutz der Medien

Den österreichischen Medien soll mit der Novelle ermöglicht werden, den finanziellen Erfolg ihrer Leistungen im Internet in Anspruch zu nehmen. Medieninhalte dürfen zwar online weiterverbreitet werden. Ausgenommen sind aber Suchmaschinen und gewerbliche Anbieter, die diese Inhalte aufbereiten. Der Passus richtet sich insbesondere gegen den Marktführer Google: Die Suchmaschine wurde immer dafür kritisiert, indirekt von der Weiterverbreitung von Zeitungsinhalten zu profitieren.

Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) begrüßt die Entscheidung für die Reform, sieht aber in einer ersten Grobprüfung Nachschärfungsbedarf. Ein Experte kritisierte gegenüber dem KURIER, dass die Beschränkung der Verbreitung durch Suchmaschinen nun als Ausnahme, die freie Verbreitung aber als Grundregel niedergeschrieben werde .

Hauptakteure der Reform, die eine Querschnittsmaterie behandelt, sind das Justiz- und das Kulturministerium. Die jeweiligen Minister hatten natürlich auch Statements vorbereitet:

„Nach Jahren der Rechtsunsicherheit und der intransparenten Regelungen wird mit der Novelle ein zeitgemäßes Urheberrecht umgesetzt: Klar, nachvollziehbar und rechtssicher erhalten die Kunst- und Kulturschaffenden künftig für ihre Leistungen eine faire Vergütung. Auch die Erstellung der Tarife für die Speichermedienabgabe wird endlich eindeutig und transparent geregelt“, sagte Kulturminister Josef Ostermayer.

"Ich freue mich sehr, dass uns mit dem aktuellen Entwurf ein guter Kompromiss zwischen Künstlern, Konsumenten, Wissenschaft und Wirtschaft gelungen ist. Die Gesetzeslage soll damit an moderne technologische Entwicklungen angepasst werden und ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit garantieren", meinte Justizminister Wolfgang Brandstetter.

Die Streitparteien sind sich vor allem in einem einig – dass der Gesetzesvorschlag verbessert gehört.

Über viele Jahre gingen in der Debatte um das Urheberrecht die Wogen hoch: Künstler, Konsumenten, Händler und auch Medien haben hier derart unterschiedliche Interessen, dass ein Kompromiss kaum möglich ist.

Und diese Debatte ist auch mit dem am Dienstag veröffentlichen Reformentwurf zum Urheberrechtsgesetz nicht beendet: Die unterschiedlichen Interessen spiegeln sich in höchst unterschiedlicher Kritik am Gesetzesentwurf wieder. So beklagen sich die Verwertungsgesellschaften, die die nun festgeschriebene Speichermedienabgabe an die Künstler weiterverteilen, über die Deckelung dieser Abgabe bei insgesamt 29 Millionen Euro pro Jahr. Dies sei „verfassungs- und europarechtswidrig“, ließ man wissen; die österreichischen Verwertungsgesellschaften – selber einer der vehementesten Lobbyisten in der Diskussion um die Urheberrechtsreform – beklagten sich dabei auch gleich über das „starke Lobbying des Elektrohandels“.

Reförmchen

Die den Handel vertretende Wirtschaftskammer Österreich wiederum verlangt, wenig überraschend, eine deutliche Senkung der maximalen Beitragshöhe.
Die Arbeiterkammer sieht ein „Reförmchen“, das aber punktuelle Verbesserungen für den Konsumenten bringe.

Die Opposition empfindet den Vorschlag von SPÖ und ÖVP naturgemäß auch als nicht ausreichend. Es sei eine „jämmerliche Reform“, sagt der Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl. Sie „unterscheidet sich nämlich kaum von den viel kritisierten Entwürfen der letzten Jahre, dennoch bekommen die Betroffenen gnädig gerade einmal zehn Tage Zeit für Stellungnahmen“. Auch NEOS-Mediensprecher Niko Alm stimmt ein: „Offensichtlich hat sich die Bundesregierung von den Lobbyorganisationen breit treten lassen.“

Auch das Leistungsschutzrecht polarisiert: Dadurch sollen Medien u.a. den Internet-Konzern Google für die Nutzung von Medienprodukten zur Kassa bitten können. Google spricht von einem „verfehlten“ Vorschlag.

Es war ein verbissener Kampf um eine trockene Materie: Seit mehr als einem Jahrzehnt sollte das Urheberrecht reformiert werden. Doch die Interessenslagen der Beteiligten - Künstler, Handel, Konsumenten - waren so absolut unvereinbar, dass die Reform immer wieder scheiterte. Es geht um Geld; aber es geht auch um eine gefühlte Benachteiligung, und da werden die Argumente schärfer.

Die Künstler sahen ihre Einnahmen schwinden, das Internet war die einfachste Erklärung. Die Konsumenten führten große Reden von Internetfreiheit und meinten nur die Freiheit davon, im Internet etwas zu bezahlen. Der heimische Handel versäumte es lange Jahre, vernünftige Onlineangebote zu etablieren, und fürchtet nun, dass die Kunden bei marginalen Preiserhöhungen durch eine Urheberrechtsabgabe auf internationale Anbieter ausweichen.

Dementsprechend verkniffen bis hin zur Niedertracht wurde von allen Seiten argumentiert. Das Lobbying war so brutal, wie man es im kulturellen Umfeld sonst gar nicht kennt, alle Seiten haben sich gleichermaßen mit Unruhm bekleckert.

Und jetzt? Jetzt gibt es ein Papier, das vieles festschreibt, was lange Jahre diskutiert wurde: Die Festplattenabgabe, nunmehr Speichermedienabgabe, ist zwar nicht das griffigste, aber das bekannteste Schlagwort. Auch das Leistungsschutzrecht, mit dem Medien die Möglichkeit bekommen sollen, insbesondere Google für die Verwendung von Textschnipseln zur Kassa zu bitten, ist enthalten. In Deutschland war das Gesetz kein großer Erfolg, man darf gespannt sein, was die österreichische Lösung besser macht.

Dass es das Papier überhaupt gibt, ist ein politischer Erfolg.

Aber man konnte viel Geld darauf verwetten, dass das Geschrei gleich wieder losgeht - und das neue Gesetz von denen, die sich nicht vollständig durchsetzen konnten, verbal zerrissen wird. Jede Seite im Streit ums Urheberrecht ist mit (Schein-)Argumenten, fixer Meinung und Gerichtsurteilen derart aufgeladen, dass diese nun sicher wieder hervorbrechen werden. Dass nun bereits Verwertungsgesellschaften (wegen der Deckelung der Einnahmen), die Online-Kommentatoren und auch der VÖZ kritische Töne anschlugen, wundert nicht.

Eine mühsame Diskussion. Schade drum. Österreich hat auch hier nicht geschafft, sich in einem gesellschaftlichen Konsens für die Internet-Zukunft zu rüsten, sondern es wurde mit Zähnen und Klauen die Vergangenheit verteidigt und, zurechtgehämmert, als Zukunft neu verpackt.

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