Eine sechstägige Odyssee zwischen Freiheit und Tod

Eine Gruppe von Kindern und Frauen, gekleidet in Kleidung der 1940er Jahre, steht zusammen.
"Wir, Geiseln der SS" erzählt eine bisher wenig bekannte Geschichte (20.15, ARTE).

Am 26. April 1945 startete die SS ein merkwürdiges Unternehmen: 139 Sonderhäftlinge aus 17 Nationen sollten vom KZ Dachau aus über den verschneiten Brenner in die sogenannte "Alpenfestung" gebracht werden, wo sich die SS verschanzen und die Geiseln als Faustpfand in den Verhandlungen mit den West-Alliierten einsetzen wollte. 17 Gefangene dieses seltsamen Trecks greift der Film heraus: Während der sechstägigen Odyssee in einem unscheinbaren Ausflugsbus schwebten sie stets zwischen Freiheit und Tod.

Sie konnten sich allmählich gegen den zunehmend zweifelnden Obersturmführer Stiller (Gerhard Wittmann) und vor allem gegen den sadistischen Untersturmführer Ernst Bader (Uwe Bohm) durchsetzen und schließlich mit einer List entkommen. Im kleinen Bergort Niederdorf griff dann die Wehrmacht ein, die Gefangenen wurden ins Hotel "Pragser Wildsee" einquartiert und am 4. Mai von den Amerikanern befreit.

Im Mittelpunkt des Doku-Dramas steht Fey von Hassell (Henriette Schmidt), deren Vater Ulrich als Mitverschwörer des Stauffenberg-Attentats auf Hitler 1944 hingerichtet worden war. Sie wurde daraufhin von ihren Söhnen getrennt und kam in die sogenannte "Sippenhaft" bzw. "unter den Schutz des Reiches". In Wahrheit bedeutete dies, dass Familienmitglieder für die Taten ihrer Angehörigen zur Rechenschaft gezogen und meist in ein KZ eingeliefert wurden.

Wahnsinn

Autor Christian Frey macht den Wahnsinn dieses völlig unsinnigen Unterfangens der SS deutlich. Er zeigt neben den Spielszenen auch historische Zusammenhänge auf – am eindrucksvollsten jedoch sind die Erinnerungen der Zeitzeugen. Benigna Klemm, Tochter des Hitler-Attentäters Carl Friedrich Goerdeler, und ihre Cousine Jutta Tominski, Tochter von Goerdelers Bruder Fritz, waren beide 14 Jahre alt, als sie in "Sippenhaft" kamen. "Ich habe immer noch das Gekläff der Hunde und das Gebrüll der Bewacher im Ohr", erzählt Tominski.

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