Die Rückkehr der Cold Calls

atEs ist eine harte und kalte Zeit für die Werbebranche. Wirtschaftlich gesprochen. Sie auch finster zu bezeichnen, nein, das wäre zu mittelalterlich. Obwohl mensch als Konsument schon Eindruck gewinnen könnte es herrsche ein gewisses Kommunikationsfaustrecht im Land. Was ich damit meine: das mit aller Gewalt, im übertragenen Sinne, auf Konsumenten eingedroschen wird. Ganz besonders auf nicht-urbane Österreicher. Rurale Käufer. Landeier, die zwar als bauernschlau gelten aber denen man ja die unsinnigsten Waren - Kaffekränzchen in Bük mit Riesenschnitzel-Prämie; Medjugorje-Reisen mit Steppdecken-Belohnung im Hochsommer; Euro-Milliarden-Gewinne, die nur im Wirtshaus zum Goldenen Schuß in St. Faul im Bärlauch-Tal abzuholen sind, etc. - verkaufen will.
Ökonomisches Outback

Ich bin eine Betroffene. Ich wohne in einer 1.300-Seelen-Gemeinde wo sich Fuchs und Hase morgens, mittags und abends gute Nacht sagen. Ist mir lieber als in Städten zu leben wo sich Jeannine Schiller, Richard Lugner und Dominic Heinzl guten Tag sagen. Jedenfalls sind wir hier Menschen, die von Geomarketern als B- und C-Schicht, haushaltseinkommensschwach und zynischerweise auch als Modernisierungsverlierer eingestuft würden.

Jedenfalls sind wird landlustige Menschen - deren Bildungsniveau-Schnitt ja nur dann steigt, wenn die urbane Zweitwohnsitz-Intelligenzia ab Freitag Mittag mit ihren großformatigen Bildungs- und Qualitätsmedien einfällt - Opfer für eine Reihe fragwürdiger Produkte, die per Telefonmarketing verhökert werden.

Profit-Feen

Die Lotto- und Glücksspielfeen machen sich ganz besonders wichtig. Glücksspiel-Gemeinschaften sollen wir Landeier eingehen. 90 oder 100 Glückliche des Ortes mit tausenden Tipps holen sich um wohlfeile 30 bis 50 Euro pro Nase die sich ständig versagende Fortuna an den örtlichen Ententeich. Nahezu alle vier Wochen wird das rurale Wohlstandistan mit Angeboten überhäuft. Die anrufenden Glücksfeen beten ihre Texte herunter, dulden kaum Widerrede, wollen Kredit- und Kontonummern und zwingen herzlichen zum Abschluß. Die Fragen woher denn die Telefonnummer kämen werden mit einem knappen, sie haben ja damals mnmnuschelnnuschel, niedergeschmettert . Mit uns Konsum-Untertanen und Profit-Manövriermasse kann man sich ja viel erlauben.

In der Bugwelle dieser Glücksbringer folgen dann fast schon andere ungebetene Anrufer. Urlaubsclub-Anbieter beispielsweise. Da kriegt dann das überbetreute und kundenbindungsstrangulierte Konsumentlein eine Mitgliedschaft angeboten mit der es in "über 600 Hotels in Österreich und Europa vier Nächte gratis" verbringen kann. Das ist doch ein Angebot Frau Adler und jetzt bitte ihre Kreditkartennummer aber rasch! Aus 52 Euro im ersten werden im zweiten Jahr 389 Euro.

Und erst vorgestern kam dann ein Angebot der Niederösterreichischen Nachrichten. Vier Wochen gratis und dann ein besonders feines Angebot. Immerhin muss ich mir die NÖN nicht mit 99 anderen Gemeindebürger und Nachbarn teilen. Irgendwann davor wars der Bäcker aus Bezirkshauptstadt mit seinen gefrorenen Weckerl oder der fahrende Tiefkühlkost-Mensch. Anrufangebot-Anrufangebot-Anrufangebot.........

Landlust

Alle rufen an und niemand hat die Telefonnummer von mir. Steht ja im Telefonbuch im Internet und wo auch immer. In strukturell unterversorgten ländlichen Gegenden ist alles möglich. Und das Telekommunikationsgesetz in dem dieser marktwirtschaftlichen Penetration ein Riegel vorgeschoben ist, ist ein nettes Papierchen von Juristen für Juristen. Das meine Nachbarn nicht kennen und die auch keine Handhabe gegen die aufopferungsvolle Anbieterei sehen. Wohin sollen wir uns wenden, wenn mit unterdrückter Rufnummer verhökert wird, Firmennamen genuschelt oder stakkato-artige runtergehaspelt und Angerufene von einem atemlos vorgetragenen Wortschwall auf die Knie gezwungen werden. Wo die Herausgabe von Konto- und Kreditnummern einem Befreiungsakt kolumbianischer Dschungelrebellen gleichkommt.

Eines Tages wird sich die ländliche Glücksspielgemeinschaft mangels Gewinn in eine Klagegemeinschaft verwandeln und das im Telekommunikationsgesetzt fixierte Recht einfordern, das derzeit genüsslich und nicht still und leise mit den Füssen getreten wird.

Irene Adler

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