Deutsche TV-Branche feierte - ohne Dschungelcamp

Das Dschungel-Camp blieb bei der Verleihung der Grimme-Preise außen vor. Niemand mochte während der Gala am Freitag im Marler Stadttheater mehr auf die RTL-Show aus dem australischen Busch eingehen. Der Grimme-Preis, eine renommierte Auszeichnung für Qualitätsfernsehen, stand nach der Nominierung der Show „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ wochenlang in der Kritik. Erst die Endjury, die gegen die Show entschied, erlöste das Grimme-Institut und den Stifter des Preises, den Deutschen Volkshochschul-Verband, von der öffentlichen Diskussion.
Die erwählten Preisträger feierten nun im Marler Stadttheater ausgelassen ihre Erfolge. Ausschnitte aus der gelungenen „Switch Reloaded“-Parodie auf die erste „Wetten, dass..?“-Sendung von Markus Lanz strapazierten die Lachmuskeln.
Nicht wegweisend für Fernsehzukunft
Zusammen mit „Switch Reloaded" hat der „Tatortreiniger“ (NDR) in der Kategorie Unterhaltung dem RTL-Dschungelspektakel „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ die Show gestohlen. Das handwerklich gut gemachte Format aus dem australischen Busch fiel letztlich bei der Endauswahljury durch. Die Show sei nicht wegweisend für die Fernsehzukunft, lautete das Urteil. So durften „Tatort“-Fan Bjarne Mädel und „Switch Reloaded“-Oberparodist Max Giermann zur Trophäe greifen.

Mädels Vorbild ist der echte Berliner Tatortreiniger Christian Heistermann. „Seine Arbeit ist genauso wenig lustig wie Neonazis“, meinte der Schauspieler. Diebisch freut sich Mädel über die Wiederholung der Folge „Schottys Kampf“ am 20. April. Damit werden die Rechten genau an Hitlers Geburtstag auf den Arm genommen.
Öffentlich-rechtliche dominierten
Je fünf weitere Grimme-Preise vergaben die Juroren in den Kategorien Fiktion sowie Information & Kultur. Hier spielen vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Stärken aus. Bei den Filmen konnte der wahre Kriminalfall um die Entführung und Ermordung des Bankierssohnes Jakob von Metzler mit Robert Atzorn in der Hauptrolle aufs Treppchen springen. Der Fall hatte die Öffentlichkeit gespalten, weil die Polizei mit Gewaltandrohung dem Entführer Informationen über den versteckten Jungen abgepresst hatte.
Das in der ARD gesendete DDR-Endzeit-Epos „Der Turm“ mit Jan Josef Liefers, Claudia Michelsen und Sebastian Urzendowsky nahm ebenso einen
Grimme-Preis entgegen wie die Tragödie „Der letzte schöne Tag“ (WDR) um den mit zeitversetzter Mail angekündigten Selbstmord einer Mutter und das Gerichtsdrama um eine Vergewaltigung „Ende einer Nacht“ (ZDF). Das Team für die Serie „Add a Friend“ des Bezahlsenders TNT erhielt einen Spezialpreis. Die gespielte Serie erzählt das Online-Leben eines gelähmten Unfallopfers in einer Klinik.
In der Kategorie Information & Kultur dominierten vier porträtartige Beiträge. Es gewannen Filme ums das Leben des Boxers Charly Graf, um drei Leukämie-kranke Kinder, den Wandel des DDR-Literaten Paul Gratzik und das Leben dreier junger Migranten in Köln.
„Er war ein Mann der alles daran gesetzt hat, aus dem Milieu herauszukommen“, sagt Buchautor und Regisseur Eric Friedler über Charly Graf. Der farbige Boxer tummelte sich im Rotlichtmilieu und wurde kriminell. Er sei wohl der einzige Boxer gewesen, der aus dem Knast heraus mit dem Polizeiwagen zum Kampf gefahren worden sei, so Friedler. Dabei schaffte er es bis zum Deutschen Schwergewichtsmeister.
Campino als Überraschungsgast
Kommen konnte Graf zur Verleihung nicht. Dafür kam überraschend Campino von den Toten Hosen. Friedler war für drei Grimme-Preise nominiert, darunter für ein Porträt der Düsseldorfer Rockband. „Eric Friedler ist einer der renommiertesten Dokumentaristen. Warum er ausgerechnet die Toten Hosen porträtiert hat, ist mit schleierhaft“, sagte der Frontmann der Hosen. Friedler sei etwas förmlich, verriet Campino, keiner mit dem man von Anfang an einen Joint rauchen würde.
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