Demner: Wir sind da etwas altmodisch

Ein Mann mit Brille und Hemd macht eine „Okay“-Geste.
at // Mariusz Jan Demner steht der einzigen noch von ihren Inhabern geführten, grossen österreichischen Werbeagentur Demner, Merlicek & Bergmann vor. Die noch dazu ohne Bankkredite durchs Leben gleitet. Demner reflektiert den Branchenzustand, hat ein Theorie, wann Werbung in digitalen Medien in Österreich an Fahrt gewinnt und lässt Revue passieren wie das im Sommer 2008 mit Werner Faymann war. atmedia.at: Der Fachverband Werbung und Marktkommunikation der Wirtschaftskammer Österreich hat im September die Erste Bank Group dafür getadelt, den Werbeetat der Bank eventuell nach Deutschland gehen zu lassen. Einverstanden damit?
Mariusz Jan Demner:Ich habe mein Leben lang nicht in Krähwinkel-Dimension gedacht. Wenn eine Agentur wie wir, vom Standort Wien aus in 16 Ländern tätig ist, darunter in der Schweiz und Frankreich aber auch in vielen CEE-Staaten, versteht sich das von selbst. Übrigens: Wir wurden für diesen Pitch ebenfalls angefragt, aber ich habe darauf aufmerksam gemacht, dass wir für die Volksbank tätig sind. Wir sind da etwas altmodisch. Auch wenn ein zehnmal größeres Budget da ist, betreuen wir unseren Kunden und rennen nicht irgendwelchen Phantomen nach.Budgetnachverhandlungen hie und da

Also nur eine kleine Lanze für den Standort Österreich?

Demner: Wir haben seinerzeit die Beitrittskampagne für das EU-Referendum gemacht und ich konnte in der Folge persönlich, was meine Lebensqualität betrifft, sowie als Agentur von dem Aufschwung profitieren. Viele unserer Kunden sind ja erfolgreich nach Osteuropa gegangen und haben uns mitgenommen. Also werde ich jetzt keine besonderen philosophischen Betrachtungen über den Standort anstellen. Es steht einem Unternehmen wie einer Bank jedenfalls zu, auch ohne Wettbewerbspräsentationen zu sagen, diese oder jene Agentur wollen wir. Aber es ist natürlich Aufgabe der Kammer solche Aspekte im Auge zu behalten.

Zum aktuellen Geschäft. Musste die Werbebranche die Preise senken?

Demner: Ich weiß, dass es hie und da Budgetnachverhandlungen gibt. Das Geschäft funktioniert ja so, dass die Agentur in der Regel einen Rahmenvertrag hat, der auch die finanziellen Dinge regelt. Diese Planbarkeit hat sich im letzten Jahr reduziert, weil viele ihre Budgets zurückhielten. Teilweise ist das Geschäft schlechter geworden, andere Kunden wiederum haben ausgeweitet, weil es enorm gut geht. Daher richtet sich die Vergütung in den meisten Fällen so, wie sich das Budget bewegt. Aber der Kunde hat jederzeit das Recht es zu verändern.

Und wie schaut es mit den eigenen Etats aus?

Demner: Wir haben das große Glück, dass wir mit den meisten unserer Kunden überwiegend langjährig zusammen arbeiten. Die wissen genau, dass diese Agentur eine Art Punze für Erfolg ist. Und sie wissen auch, dass die Cents, die sie bei uns einsparen, nicht die wesentlichen Parameter sind. Das sind die Millionen Euros, die sie in die Medien und anderweitig investieren.

Vergleichbare Leistungen unter Druck

Also wen trifft die Wucht der Werbekrise?

Demner: Die Medien, und zwar in einem ungeahnten Ausmaß. Dort, wo du ersetzbare oder extrem vergleichbare Leistung anbietest, und das ist im Medienbereich oft so, bist du einem enormen Druck unterworfen. Man muss sich nur den ORF anschauen, da sind abenteuerliche Einbrüche im Gange. Bei den Agenturen kann ich es insgesamt nicht so gut abschätzen

Und wie lautet das Resumee für Sie?

Demner: Es ist ein durchwachsenes Jahr. Es wird nur dadurch gerettet, dass wir extrem erfolgreiche Kunden haben, die teilweise zulegten. Zum Beispiel die XXX Lutz-Gruppe, im ersten Halbjahr mit plus neun Prozent, während Mitbewerber zurückgefallen sind. Und daran waren wir wohl ein wenig beteiligt. Wir machen bei Rewe Werbung, für Ja!Natürlich, für Chef Menü, Penny und auch für die Fleischmarke Hofstädter. Handel, der geht generell gut.

Warum ist das so?

Demner: Weil die Leute im Zuge der Unsicherheit, was ist mit den Banken, ist mein Geld noch sicher, sich sagen, ich stecke das lieber in mein Zuhause. Ein neues Cocooning. Die Welt ist so grauslich draußen, also ziehen wir uns zurück. Die Leute gehen auch weniger oft in Restaurants, dafür leisten sie sich eben daheim etwas.

Ein Mann mit Brille und Krawatte sitzt an einem Tisch und denkt nach.
Mariusz Jan Demner/DMB
Geldknappheit stimuliert Kreativität

Welche Branchen lassen total aus?

Demner: Der Finanzbereich. Da sind Kunden zum Teil völlig inaktiv geworden. Das betrifft bei uns Unternehmen wie Immofinanz oder Constantia. Der Volksbanken-Etat ist unverändert und wir haben dort eine sehr gute Zusammenarbeit. Wir haben zwar die ganze Gruppe betreut, teils auch Kommunalkredit und Investkredit, und das ist ziemlich perdu. Wir werden das Ergebnis des Vorjahres sicher nicht erreichen, allerdings war 2008 ein extrem gutes Jahr.

Leidet die Kreativität unter diesem Druck?

Demner: Ich finde, wenn das Geld knapper wird, ist das eine Herausforderung für Ideenreichtum. Und nicht umgekehrt. Außer es machen sich alle gleichzeitig in die Hosen, na, dann bewegt sich wenig. Für uns war es kreativ generell ein extrem gutes Jahr. Demnächst kommt das Bestseller-Kreativ-Ranking heraus. Wir haben in den letzten Jahren als Nummer 1 abgeschlossen und heuer müsste sich das auch ausgehen. Wir haben 2009 bei Kreativ-Wettbewerben mehr gewonnen als je zuvor. Und wir hatten ein sensationelles Jahr bei den Effies mit viermal Gold. Das ist auch der Grund, warum es bei uns relativ gut geht.

Konnten sie ihr Personal halten?

Demner: Wir haben etwa den gleichen Stand wie im Vorjahr. Trotzdem hat es Bewegungen gegeben. Und zwar nicht so wie vorher, wo Mitbewerber nichts anderes gewusst haben als wie kaufen sie uns Leute zu völlig überhöhten Honoraren heraus. Es gab Fluktuationen von teilweise 30 Prozent im Jahr. Das hat sich aufgehört. Punkt. Was sich abzeichnet ist eine Umstrukturierung. Anfang Dezember kommt jemand, der Digital- und Cross-Media hier übernimmt. Das heißt, es ändern sich teilweise Berufe und die Anforderungen. Leute, die im Haus vorher anderswo gearbeitet haben wechseln in neue Bereiche.

Muss Junge anschieben

Was ist noch positives aus Krise entstanden?

Demner: Bei manchen Kunden führt die Reduktion in den klassischen Medien dazu, dass man sich mehr auf digitale Medien konzentriert. Mit denen baut man zwar keine großen Marken, aber du kannst tolle Aktionen machen. Mit weniger Geld kann man so gute, unterstützende Maßnahmen fahren. Ich finde das auch für klassische Agenturen prima, die tendenziell zu träge sind um sich mit solchen Dingen auseinander zu setzen. Kampagnen im Internet können durchaus gewaltige Wellen schlagen. Beispiel: Wir haben für Putzi von der Familie Putz eine neue Liebe, eine Freundin gesucht, und ein großes Casting gemacht. Das wurde gar nicht sooo besonders gespielt, aber wir haben über 2000 Zuschriften erhalten, Frage nicht, wie sich die Mädels darstellen. Sie machten richtige Liebeserklärungen.

Wann wird Internet Teil der klassischen Werbung sein?

Demner: Wir reden heute vom neuen Medium Internet, aber wir sind seit 15 Jahren damit unterwegs. Where the hell ist the news? Es ist sicher eine Generationsfrage, aber nicht nur. Ich erlebe hier, dass ich als einer der Älteren manche Junge anschieben muss, einfach weil die Macht der Gewohnheit nur in großen Medien zu denken, den Zugang versperrt. Ha! Ich möchte meine Idee in einem Fernsehspot oder auf einer Doppelseite sehen! Man muss mittlerweile das Internet als eigenes Medium begreifen und sich fragen, was man mit welchen neuen Ideen daraus machen kann.

Wie viel Werbebudget läuft heute schon ins Netz?

Demner: Online hat in Österreich noch immer einen lächerlich kleinen Teil vom Werbekuchen. Knapp drei Prozent. International liegt das schon deutlich höher. Das heißt, es wird einen Aufholbedarf geben. Ich denke, wir hier werden in den nächsten Monaten etwa bei fünf Prozent liegen.

Warum hinkt Österreich so hinten nach?

Demner: Durch einen fast monopolartigen Marktanteil des ORF. Du hast große Marken sehr ökonomisch bewerben können und riesige Reichweiten relativ günstig bekommen. Gilt auch für die Kronen-Zeitung. Wir sind ja ein Land mit Überreichweiten, wo du mit wenigen Medien sehr starke Präsenz aufstellen kannst. Mit dem Fragmentieren des ORF, mit dem Abbröckeln, ändert sich das, in Deutschland hat kein Sender viel mehr als 15 Prozent. Daher kommen Online Medien jetzt stärker raus.

Demner: Wir sind da etwas altmodisch
Mariusz Jan Demner/DMB
Werner Faymann ist passiert

Gibt es einen Kunden, den die Agentur immer wollte aber nie bekam?

Demner: Es gibt Kunden die ich nie wollte und doch bekommen habe. Das ist mir im letzten Sommer passiert. Mit Werner Faymann. Der einfach hier eingeritten ist, hartnäckig war und mich und die Agentur so mit Vertrauen überschüttet hat, dass wir seine Wahlwerbung übernommen haben. Das war der eine Grund. Der zweite war, dass Strache und die FPÖ damals ziemlich gleich auf mit der SPÖ lagen, was mir schwer zu denken gegeben hat. Mein Szenario war, wenn die schon fast 20 Prozent haben und mit Haider, der damals bei sechs Prozent lag, zusammen gehen, also wenn die eine rechnerische Mehrheit haben, können sie sich gar nicht so sehr in die Gosch?n hauen um nicht dennoch am nächsten Tag den Kanzleranspruch zu stellen.

Würden Sie nochmals für eine Partei arbeiten?

Demner: Ich hab das damals aus Vertrauen zu einer Person gemacht, Faymann. Davor hatten wir bereits politische Werbung gemacht für die Bundesregierung, bis Schüssel eine Regierung mit der FPÖ gebildet hat. Damals war Österreich Spitzenreiter in der EU-Zufriedenheit. Jetzt sind wir am Arsch der europäischen Welt, weil das nicht gepflegt wird. Wir haben während der schwarzblauen Regierung unsere Etats zurück gelegt und uns nie wieder beworben. So gesehen gab es auch keine Umwegrentabilitäten. Es hat uns nichts genützt dass wir für eine Partei erfolgreich Wahlkampfwerbung machten. Im Gegenteil. Wir haben viele aufgebrachte Leut? beruhigen müssen und haben am Ende gesagt, bittschön, können wir uns auf eines zurückziehen: Wir sind keine Glaubensgemeinschaft, wir sind eine Werbeagentur.

Also Parteiwerbung eher nein, politische Werbung aber schon?

Demner: Die öffentliche Hand würde mich wahnsinnig interessieren, ich finde sie ist komplett ineffizient in der Kommunikation, das kann man querdurch sagen. Wenn man schaut welche Anliegen man im Sozial- oder im Gesundheitsbereich hat und nichts merkfähiges passiert. Ich bedaure zutiefst wie das Geld, und diese Kritik kann ich niemanden ersparen, hier rausgeschüttet wird in die Medien. Von den verschiedenen Ministerien. Das ist gut für die Medien, aber es bleibt nichts. Es gibt Editorials, die die Leute, übersehen, überhören, überblättern. Warum man sich nicht der Agenturen bedient wird mir ein Rätsel bleiben. Es hat einmal eine Ausschreibung gegeben, an der wir uns auch beteiligt haben, da hat der Herr Vizekanzler zu unserem großen Erstaunen in einer Pressestunde gesagt, ach, des brauch' ma net, des geb´n wir lieber den Hochwasseropfern. Hat ihn nicht gehindert, danach weiter doppelseitige Textwüsten in Auftrag zu geben.

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