Das letzte Buch des Charlie-Hebdo-Chefs

Eine große Menschenmenge demonstriert mit einer französischen Flagge und Plakaten mit Augen.
"Brief an die Heuchler" von Stéphane Charbonnier über Mohammed-Karikaturen, Medien und Provokation

Wie soll man dieses Buch lesen? Es ist ein Buch über die aus den Ufern geratene Religionskriegsrhetorik, über Provokation und islamistischen Terror, über Mohammed-Karikaturen und Meinungsfreiheit. Über Menschen, die sich bereitwillig anstiften lassen, zur Angst und zum Hass. Und insbesondere auch über jene Medien, die die grassierende Islamfeindlichkeit fürs Geschäft ausnützen.

Ein Mann mit Brille und Lederjacke blickt in die Ferne.
epa02989368 The publisher of French satirical magazine 'Charlie Hebdo', known only as 'Charb', talks to journalists in front of the magazine's offices, in Paris, France, 02 November 2011. The editorial offices of the satirical weekly were firebombed early on 02 November, the same day it put out an issue poking fun at the Islamic faith. Police were unable to confirm that the attack was linked to the issue, which went on sale well after the 2 am (0100 GMT) attack. However, the editor of Charlie Hebdo said he had received threats before the attack. EPA/MAXPPP/OLIVIER CORSAN FRANCE OUT --- BELGIUM OUT
Geschrieben von einem, der – zwei Tage nach der Fertigstellung – von islamistischen Attentätern ermordet wurde. Stéphane Charbonnier, bekannt als Charb, war Chef der Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Zwölf Mitarbeiter wurden im Jänner umgebracht. "Ich sterbe lieber stehend, als kniend weiterzuleben", hatte Charb 2012 gesagt. Das wurde oft zitiert.

Am Freitag nun erscheint sein letztes Buch "Brief an die Heuchler" auf Deutsch. Spaß ist die Lektüre keiner. Obwohl es viel um die Grenzen dessen geht, worüber man sich lustig machen darf. Und Charb gleich einmal von Spaß schreibt: "Ich sollte eines Tages zum Spaß alle Drohbriefe von katholischen und muslimischen Faschisten veröffentlichen, die mich in der Redaktion von Charlie Hebdo erreichten."

Es waren viele. Charlie Hebdo hat unter Charb als Zentralorgan einer kompromisslosen Meinungsfreiheit angeeckt, bei den Linken wie bei den Rechten, bei Religiösen und Nicht-Religiösen.

Dementsprechend ungeduldig ist das Buch mit jenen, die vor Kritik an Religion zurückschrecken, und auch jenen, die sich provozieren lassen – vor allem durch die Medien. „Steht für das Fernsehen fest, dass es eine Provokation ist, dann gibt es immer ein paar Idioten, die sich provoziert fühlen“, so Charb, und wer Koran oder Bibel wörtlich nehme, sei „ein ganz besonderer Psychopath“.

Das Cover des Buches „Charb: Brief an die Heuchler“ ist auf grünem Hintergrund abgebildet.
Buch

Missbraucht

Die Karikaturen islamistischer Terroristen in Charlie Hebdo meinten natürlich nicht alle Muslime. Überhaupt würden die wenigen radikalen Islamisten für andere – politische und mediale – Zwecke missbraucht: "Ein Terrorist macht große Angst, aber wenn man islamistisch hinzufügt, macht sich wirklich jeder in die Hose."

Was er wohl zum Anschlag auf Charlie Hebdo schreiben würde?

Ein Einwand zum Buch: Manchen Kontext muss man sich als nichtfranzösischer Leser ausmalen. Charb verteidigt – wortreich und unnachgiebig – einen Begriff der Meinungsfreiheit, den nur Frankreich kennt. Genauer: der Freiheit, sich abschätzig öffentlich zu äußern, insbesondere auch in Richtung der Religion.

Charlie Hebdo ließ jetzt übrigens wissen, dass es keine Mohammed-Karikaturen mehr geben wird.

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