Kopf: Arbeitslosigkeit wird weiter steigen

AMS-Vorstand Johannes Kopf ist skeptisch, dass sich die Situation am Arbeitsmarkt verbessern wird.
2016 weiter Rekordarbeitslosigkeit - längerfristige Prognosen hält der AMS-Chef für nicht verlässlich.

Der Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS) Johannes Kopf sieht angesichts der Rekordarbeitslosigkeit weiterhin schwierige Zeiten am Arbeitsmarkt. Die AMS-Prognose für heuer und das nächste Jahr zeige "keine Entwarnung, sondern weiter steigende Arbeitslosigkeit", sagte Kopf im Mittagsjournal des ORF-Radio. Längerfristigere Prognosen halte er angesichts der unsicheren Zeiten für nicht verlässlich.

"Wir haben in Österreich die höchste jemals gemessene Arbeitslosigkeit", so der AMS-Vorstand. Die Ursache der hohen Arbeitslosenzahlen sieht Kopf in einer Kombination einer seit Jahren anhaltenden Stagnation der Wirtschaft, kombiniert mit wachsendem Arbeitskräftepotenzial durch Zuwanderung und mehr Ältere am Arbeitsmarkt. Für die wachsende Gruppe der Arbeitssuchenden gebe es zuwenige Jobs.

Zu wenig Geld vorhanden

Dem Trend steigender Arbeitslosenzahlen gegenzusteuern ist für Kopf angesichts der starken internationalen Verflechtung schwierig. Konjunkturpolitik könnte zwar als Mittel gegen die Arbeitslosigkeit eingesetzt werden - doch "die kostet Geld, und das haben wir momentan offenbar nicht". Bei einem Arbeitsmarktgipfel im Juni soll das Thema erörtert werden.

In dieser Lage ist für den AMS-Vorstand aktive Arbeitsmarktpolitik wichtiger denn je. Damit müsse man gegen eine Verfestigung der Arbeitslosigkeit bei bestimmten Personen, wie schlecht Ausgebildeten, Älteren und Wiedereinsteigerinnen, auftreten.

Der starke Anstieg der Arbeitslosen in Wien hänge auch mit dem Rückgang der Schulungen zusammen. Trotzdem sei die Steigerung der Betroffenen mit plus 10,8 Prozent noch immer der höchste Anstieg in ganz Österreich. Wien sei eine stark wachsende Stadt, sowohl durch Zuwanderung aus dem Ausland als auch innerhalb Österreichs, gleichzeitig entstünden nicht ausreichend neue Arbeitsplätze, erläutert Kopf.

Länger Arbeiten führe zu mehr Jobs

Der starke Rückgang der Schulungen wird von Kopf mit einem neuen Schwerpunkt der Eigentümer - des Sozialministeriums - erklärt: Demnach werde mehr in Beschäftigungsförderung für Ältere Arbeitnehmer investiert, was bei gleich viel Geld weniger Qualifizierungsmaßnahmen bedeute. "Natürlich könnten wir mehr tun, wenn es mehr Geld gibt", meint der AMS-Vorstand.

Die Forderungen, dass die Menschen länger arbeiten sollten als derzeit, zeigen für Kopf ein "schwieriges Thema" auf: Einerseits zeigten internationale Beispiele, dass das länger Arbeiten nicht zu weniger sondern zu mehr Jobs führe. Wenn das Pensionsrecht geändert werde, brauche es dafür Begleitmaßnahmen am Arbeitsmarkt, ist Kopf überzeugt.

Fast sieben Prozent ohne Job

Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist wieder gestiegen: Im Vergleich zum Vorjahresmonat waren um 6,9 Prozent mehr Menschen ohne Job. Damit belief sich die Zahl der Arbeitslosen (vorgemerkte Arbeitslose und Schulungsteilnehmer) auf 395.518 Personen, teilte das AMS am Montag mit. Die (nationale) Arbeitslosenquote lag bei 8,6 Prozent, um 0,9 Punkte höher als im Vorjahr.

Überdurchschnittlich stark stieg im Mai wieder die Arbeitslosigkeit von Personen ab 50 Jahren mit 16,8 Prozent und bei Ausländern mit 24,2 Prozent. Bei Männern (+15,3 Prozent) war der Zuwachs deutlich stärker als bei Frauen (+11,4 Prozent).

Auf dem Wiener Arbeitsmarkt stieg die Zahl der als arbeitslos vorgemerkten Personen im Jahresvergleich um 23,9 Prozent auf 120.234. Allerdings befanden sich um 27,1 Prozent weniger Menschen in Schulungen. In Summe sind damit um 10,8 Prozent mehr Menschen in der Bundeshauptstadt auf Jobsuche, wie das AMS Wien am Montag mitteilte.

Hundstorfer fordert langfristige Maßnahmen

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) kommentierte die Arbeitsmarktdaten wie folgt: "Wir haben in Europa nach wie vor die Situation, dass das Wirtschaftswachstum zu gering ist, um die Arbeitslosigkeit zu senken". Trotzdem sei im Mai ein weiterer Beschäftigungshöchststand erreicht worden.

Der Sozialminister urgiert mittelfristig "neue budgetäre Spielräume für langfristig wirksame Infrastrukturmaßnahmen" im gesamten europäischen Umfeld. Die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission seien in den letzten Monaten erste Schritte in diese Richtung gegangen - "es bleibt zu hoffen, dass noch weitere folgen werden".

Kopf: Arbeitslosigkeit wird weiter steigen
Gemeldete Arbeitslose und Schulungsteilnehmer Ende Mai 2010-2015 - Säulengrafik; Zahlen im Detail, Veränderung nach Bundesländern Grafik 0651-15-Arbeitsmarkt.ai, Format 88 x 124 mm

Verspätete Zahlungen kosten Arbeitsplätze. In einer Gallup-Umfrage im Auftrag des Inkassobüros Intrum Justitia gaben acht Prozent der Befragten an, dass sie mehr Mitarbeiter einstellen könnten, wenn die Schuldner schneller zahlen würden. Ein Prozent musste schon einmal wegen verspäteter Zahlungen Mitarbeiter kündigen.

Mittelgroße Betriebe mit 20 bis 50 Mitarbeitern sind beim Jobaufbau am stärksten durch Zahlungsverzug behindert, größere Unternehmen an wenigsten, ergab die Umfrage unter 250 Unternehmen in ganz Österreich.

Dabei gehen 41 Prozent der befragten Firmen davon aus, dass ihre Kunden den Zahlungsverzug absichtlich herbeiführen. 56 Prozent sehen finanzielle Probleme ihres Schuldners als Auslöser. Nur 12 Prozent sehen Streit über die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen als Auslöser (Mehrfachnennungen möglich).

"Feuer am Dach"

Probleme entstehen durch die verspätete Begleichung der Rechnungen vor allem durch höhere Zinskosten, Umsatzeinbußen und einen Liquiditätsengpass, ergab die Umfrage. Wolfgang Teller, Managing Director von Intrum Justitia Österreich, kritisiert, dass "zu spätes Zahlen von Rechnungen in Österreich immer noch ein Kavaliersdelikt ist". Sobald aber Wirtschaftswachstum dadurch verhindert werde, "ist Feuer am Dach".

Die Kritik tritt besonders stark die öffentliche Hand. Sie hat im Schnitt ein Zahlungsziel von 26,08 Tagen und überzieht dennoch um 8 Tage. Firmen haben ein durchschnittliches Zahlungsziel von 23,87 Tagen, der Verzug liegt bei 3,7 Tagen während Privatpersonen im Schnitt nur 17,37 Tage Zahlungsziel haben und dieses nur um 2,5 Tage überziehen.

Eine Kreditklemme kann die Umfrage aber nicht belegen. Zwar ist für 25 Prozent die Finanzierung schwieriger als früher, aber für sechs Prozent ist es sogar leichter - und zwei Drittel sehen keine Veränderung. Auch sind die Beziehungen mit ihrer Bank für 78 Prozent der Unternehmen positiv, nur für zwei Prozent durchwegs negativ. Jeder Fünfte sieht sowohl positive als auch negative Aspekte.

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