Auch Autos in Europa und andere Marken betroffen

Das VW-Logo und der Schriftzug „Volkswagen“ sind an einem verrosteten Auto zu sehen.
Der VW-Dieselskandal zieht immer weitere Kreise. Nachfolger Winterkorns dürfte Porsche-Chef Müller werden.

VW ringt nach dem Abtritt von Konzernchef Martin Winterkorn um Orientierung - doch Sammelklagen in den USA und der Flurschaden der Abgas-Affäre dürften auch seinem Nachfolger das Leben schwer machen. Winterkorn hatte am Mittwoch angesichts des immer größeren Ausmaßes des Skandals um gefälschte Emissionswerte bei Dieselautos seinen Rücktritt bekanntgegeben. Am Freitag könnte der Aufsichtsrat in Wolfsburg bereits einen neuen Konzernlenker küren. Und die Gerüchte verdichten sich, dass dies Porsche-Chef Matthias Müller (62) werden dürfte.

Auch weitere Personalentscheidungen dürften fallen. Das Kontrollgremium werde weitere Verantwortliche nennen, die das Unternehmen verlassen müssten, sagte eine Person aus dem Umfeld des Aufsichtsrats. Auch bei den VW-Töchtern Porsche und Audi gibt es personelle Konsequenzen. Der für Forschung zuständige Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz muss ebenso gehen wie Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg.

Ein Mann im Anzug blickt auf seine Armbanduhr, im Hintergrund ein gelbes Auto von Volkswagen.
Martin Winterkorns Zeit ist abgelaufen: Auch das Land Niedersachen macht Druck.

Seine Zeit ist abgelaufen: Martin Winterkorn

Kein Halt vor Europa

Indessen weitet sich der Skandal nach Europa aus. Auch hier sind nach Angaben von Deutschlands Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Dieselautos von Volkswagen mit manipulierten Abgaswerten unterwegs. Das sei der von ihm eingesetzten Untersuchungskommission am Mittwoch bei ersten Gesprächen in Wolfsburg mitgeteilt worden, sagte Dobrindt. Um wie viele Autos es genau gehe, stehe noch nicht fest. „Das wird sich in den nächsten Tagen klären.“ Seinen Angaben zufolge geht es um Fahrzeuge mit 1,6- und 2-Liter-Dieselmotoren.

Nach dem Bekanntwerden des Skandals in den USA hatte Volkswagen bereits mitgeteilt, dass weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen seien. VW hat die Autos mit einer Software so manipuliert, dass sie bei Tests deutlich weniger gesundheitsschädliche Stickoxide ausstießen als tatsächlich auf der Straße.

Verbrauchs- und Abgastests: Was die EU plant

Ebenfalls am Donnerstag wurde bekannt, dass auch vier Modellreihen der Tochter Audi unter die Lupe genommen werden. Der Motor vom Typ EA 189 sei auch in Fahrzeuge der Modellreihen A1, A3, A4 und A6 verbaut worden, sagte ein Audi-Sprecher. Die genauen Baujahre und die Anzahl der Fahrzeuge könnten aber noch nicht genannt werden. Ob die Autos von den Software-Manipulationen betroffen seien, könne er ebenfalls noch nicht sagen.

Auch Skoda und Seat betroffen?

Neben Audi dürften aber auch weitere Konzerntöchter betroffen sein. Innerhalb des Konzerns teilen sich die Unternehmen etliche Bauteile, darunter auch Motoren und Getriebe. Ein Sprecher der Volkswagentochter Skoda bestätigte am Donnerstag, Modelle der Reihen Fabia, Roomster, Octavia und Superb aus den Jahren 2009 bis 2013 seien teilweise mit den betroffenen Dieselmotoren ausgerüstet worden. Bei aktuellen Modellen gebe es keine Probleme.

Auch Seat bestätigte am Donnerstag, dass in dem Werk der spanischen VW-Tochter Fahrzeuge mit der manipulierten Diesel-Technologie montiert worden seien. Die genaue Zahl sei nicht bekannt. Eine Untersuchung solle nähere Aufschlüsse bringen.

Das Interieur eines Audi A1 mit Blick auf das Armaturenbrett und das Lenkrad.
Audi A1 Sportback

Auch Audi könnte von der Affäre betroffen sein

Klagswelle rollt an

Auch die längerfristigen Folgen der Affäre bleiben weiter kaum absehbar. Medienberichten zufolge rollt auf VW in den USA und Kanada eine Flut von Sammelklagen zu. Rund 40 solcher Klagen sind dort nach Informationen des NDR und der „Süddeutschen Zeitung“ inzwischen bei Gerichten eingereicht worden. Kläger sind demnach vor allem private Autokäufer, in einem Fall auch ein Autohändler. VW würden Betrug, Vertragsbruch und weitere Gesetzesverstöße vorgeworfen, hieß es. Das Unternehmen habe bisher „keine Kenntnis, wann, wo, wie welche Klage anhängig ist“, sagte ein Unternehmenssprecher am Donnerstag.

In den USA droht Volkswagen eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar durch die US-Umweltbehörde EPA. Das Justizministerium in Washington soll wegen möglicher strafrechtlicher Vergehen ermitteln.

Auch in Deutschland nimmt die Justiz Volkswagen mittlerweile ins Visier. Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig gingen Strafanzeigen ein, die Behörde startete Vorermittlungen. Auch Volkswagen selbst erstatte Anzeige. Wer von den Manipulationen wann im Konzern wusste, ist aber weiterhin unklar. Interne Untersuchungen laufen.

Über den Skandal ist die ganze Industrie ins Zwielicht geraten. In vielen Ländern beschäftigt das Thema die Politik, Sonderprüfungen werden verlangt.

Eine Infografik über den VW-Konzern mit Informationen zu Beteiligungen und Aktionären.
Eine schematische Darstellung der Abgasreinigung eines PKW mit Dieselmotor, inklusive Partikelfilter, Steuercomputer, Katalysator und Auspuff.
  1. In der Software des zentralen Steuercomputers sind irgendwo ein paar Code-Zeilen versteckt, die für die Manipulation des Abgastests verantwortlich sind.
  2. Der Computer erkennt einen Abgastest mittels Sensoren unter anderem daran, dass sich die Vorderräder (am Prüfstand auf Rollen) drehen, die Hinterräder aber nicht.
  3. Das Gemisch von Luft und Kraftstoff wird verändert. Das sorgt für eine höhere Temperatur in der Brennkammer, wodurch mehr Stickstoff verbrannt wird. Die Abgase sind jetzt reiner als im Normalbetrieb, der Dieselverbrauch dafür höher.

Klimaschutz oder Gesundheit?

Der Spagat, den die Hersteller von Dieselmotoren machen müssen, ist keine einfache Übung. Der Verbrennungsvorgang muss einerseits hinsichtlich Kraftstoffverbrauch optimiert werden, was den Ausstoß von CO2 verringert und so dem Wunsch des Klimaschutzes gerecht wird. Außerdem wird dadurch die Börse des Verbrauchers an der Zapfsäule geschont.

Zum anderen soll der Ausstoß von Stickstoffoxiden möglichst gering gehalten werden, da diese Mensch und Natur schädigen. Sehr kleine Staubpartikel dringen tief in die Lunge und in Blutgefäße ein und können unter anderem Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen sowie Lungenkrebs verursachen. Nach einer aktuellen Studie führen Feinstaub und Ozon in der EU jährlich zu 180.000 vorzeitigen Todesfällen. Stickstoffdioxid kann außerdem Pflanzen schädigen und ist eine Hauptursache für Überdüngung und Versauerung von Böden.

Der Straßenverkehr ist eine der bedeutendsten Stickstoffoxidquellen. Wird aber der Verbrennungsvorgang beim Dieselmotor auf weniger Ausstoß von Stickstoffoxiden getrimmt, steigt der Verbrauch von Kraftstoff. Die Katze beißt sich also in den Schwanz. Benzin-Motoren bieten derzeit auch keinen Ausweg aus dem Dilemma, da sie einen höheren Verbrauch haben und unter dem Strich mehr CO2 produzieren, als ihre Diesel-Brüder.

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