160 Ermittler filzen Schlecker-Clan

Demonstranten halten Schilder mit der Aufschrift „Schämt Euch – Schlecker-Clan“.
Die Razzien bei der Familie Schlecker und ihren Vertrauten sind der jüngste Tiefpunkt in der Familienchronik.

Die Familie Schlecker und einige ihrer engsten Vertrauten haben am frühen Dienstagmorgen ungebetenen Besuch bekommen: Ermittler haben deutschlandweit 18 Wohnungen und vier Geschäftsräume im Fall Schlecker gefilzt. Nicht nur Firmengründer Anton Schlecker, seine Gattin sowie die Kinder Lars und Meike mussten den Ermittlern die Türe öffnen. Durchsucht wurden auch zehn weitere Beschuldigte sowie Zeugen, bei denen die Staatsanwaltschaft Stuttgart Beweismittel vermutet. Die Razzien, an denen 160 Ermittler beteiligt sind, waren für den ganzen Tag angesetzt. Schon am Vormittag wurden umfangreiche Unterlagen sichergestellt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts von Untreue, Bankrott und Insolvenzverschleppung (siehe Bericht unten). "In unserer Vorprüfung hat sich ein Anfangsverdacht bestätigt", sagt Sprecherin Claudia Krauth. Bereits seit einem Monat wird untersucht, ob die Schlecker-Pleite mit möglichen Straftatbeständen in Zusammenhang steht. Im Januar hatte Schlecker Deutschland Insolvenz angemeldet, im Juni haben die letzten deutschen Filialen geschlossen und 25.000 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verloren. Dem Vernehmen nach soll Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz mit dem Abverkauf der Waren rund 160 Millionen Euro eingenommen haben – in etwa die Summe, die Investor Nicolas Berggruen für die Drogeriemarktkette geboten haben soll.

Österreich

Hierzulande zittern rund 3000 Schlecker-Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze. Laut Unternehmensanwalt Ferdinand Lughofer soll bis Ende Juli fix sein, ob ein Investor die Österreich-Tochter rettet. "Die Chance ist noch nicht vertan", meint Lughofer.

Geht es nach den Vorstellungen des deutschen Masseverwalters Geiwitz, sollte der potenzielle Investor wohl zumindest 28 Millionen Euro auf den Tisch legen. Das ist nämlich der Betrag, den die mittlerweile insolvente deutsche Konzernmutter den Österreichern für den Kauf von Waren vorgestreckt hat. "Schlecker Österreich war einmal ein potentes Unternehmen, aber jetzt ist es eine wertlose Firma, für die der Masseverwalter 28 Millionen Euro haben will", formuliert es Investor Anton Stumpf, der mit seiner Recap BeteiligungsGesmbH geboten hat. Ein ordentlicher Geschäftsgang bei Schlecker Österreich ist nicht mehr möglich, weil die Ware ausgeht. Anfang August wird es auch mit der Liquidität vorbei sein, so Stumpfs Einschätzung. "Wir haben ein Angebot abgegeben und warten jetzt in der ersten Reihe fußfrei."

Warten dürften auch die österreichischen Investoren Grossnig und Taus. Nämlich auf die Insolvenz und damit die Möglichkeit, einen Teil der Läden zu übernehmen.

Blick zurück: Bereits einmal verurteilt

Ein Porträt des deutschen Schauspielers Hans Clarin.

Anton Schlecker errichtete 1975 - nach seiner Lehre als Metzger im elterlichen Betrieb – seinen ersten Drogeriemarkt; zwei Jahre später waren es bereits 100 Filialen. 2008 existierten europaweit bereits mehr als 15.000 Filialen -  50.000 Mitarbeiter arbeiteten für die Kette und erwirtschafteten einen Jahresumsatz von 7 Milliarden Euro.

Am 20. Januar 2012 hat die Drogeriemarktkette Schlecker eine Planinsolvenz angekündigt - nach Aussage von Schleckers Tochter Meike sei sein Vermögen und das der Familie aufgezehrt, der Betrieb könne nicht weitergeführt werden.

Laut dem manager magazin stehen der Familie allerdings weiterhin rund 70.000 Euro monatlich - aus Vermögen der Kinder und der Ehefrau - zur Verfügung.

Anton Schlecker wurdebereits einmal verurteilt -  im Jahre 1998, und zwar gemeinsam mit seiner Ehefrau zu einer Freiheitsstrafe von je zehn Monaten auf Bewährung und zu einer Geldstrafe in Höhe von einer Million Euro. Der Grund: Den Schlecker-Beschäftigten war vorgetäuscht worden, sie würden nach Tarif bezahlt werden. Tatsächlich lagen die Löhne niedriger, was das Gericht als Betrug wertete.

 

Die Vorwürfe

Anton Schlecker führte sein Drogerie-Imperium als eingetragener Kaufmann (e.K.). Mit dieser Rechtsform gibt es keine Handhabe gegen ihn wegen möglicher Insolvenzverschleppung. Das heißt aber nicht, dass er ungeschoren davonkommt, falls er sich etwas zuschulden kommen ließ. Die Vorwürfe im Ermittlungsverfahren, das die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Anton Schlecker und 13 weitere Beschuldigte eingeleitet hat:

INSOLVENZVERSCHLEPPUNG: Dieser Straftatbestand (Paragraf 15a der Insolvenzordnung) besagt im Kern, dass im Falle einer Firmenpleite Geld- oder Freiheitsstrafen drohen, wenn die Insolvenz "nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig" bei Gericht angezeigt wird. Es gibt jedoch eine Einschränkung: Anders als etwa bei einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft greift das Gesetz nicht für den eingetragenen Kaufmann (e.K.), weil der nämlich keine juristische Person ist. Beim Dachunternehmen Anton Schlecker e.K. ergibt sich somit keine Handhabe, sehr wohl aber bei den Tochterfirmen IhrPlatz und Schlecker XL, die als GmbH & Co. KG beziehungsweise GmbH firmierten.

BANKROTT: Dieser Straftatbestand (Paragraf 283 Strafgesetzbuch) hängt eng mit einer Insolvenz zusammen, denn "wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit" beispielsweise Werte für die mögliche Insolvenzmasse zur Bedienung der Gläubiger verheimlicht oder verschwinden lässt, dem drohen bis zu fünf Jahre Haft oder Geldstrafe. Belangt werden kann auch jemand, der die Bücher einer Firma nicht oder nicht ausreichend führt oder aufbewahrt.

UNTREUE: Kann laut Paragraf 266 im Strafgesetzbuch vorliegen, wenn jemand die ihm anvertraute Macht missbraucht und die Pflicht zur Betreuung eines Vermögens verletzt. Bei dem Geschäftsführer einer Firma kann das zum Beispiel der Fall sein, wenn er Firmenvermögen unter Wert verkauft und so nicht den Gegenwert erzielt, wie es seine Pflicht gewesen wäre. Es drohen fünf Jahre Haft oder Geldstrafen.

Mehr zum Thema

  • Hintergrund

  • Hintergrund

Kommentare