Von Viecherln und steigenden Grundwassertemperaturen

von links: Christian Griebler, Gudrun Nikodem-Eichenhardt und Markus Hengstschläger
Wenn ein Wissenschaftler einer Kabarettistin ein Mitarbeitsplus verteilt, kann es sich eigentlich nur um eines handeln – um die Sendung „Spontan gefragt“. Der Wissenschaftstalk, der vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) initiiert wurde, hat nämlich ein großes Anliegen: Forschung soll allen verständlich gemacht werden. Und daher lädt der Moderator der Sendung, Markus Hengstschläger, zu bestimmten Themen Wissenschaftler*innen und prominente Gäste aus Kultur oder Sport ein, die alles, was ihnen spontan in den Sinn kommt, fragen sollen.
Unterirdische Seen
So auch in der dritten Sendung „Spontan gefragt“. Im Studio begrüßt Markus Hengstschläger den Limnologen Christian Griebler, Leiter der Arbeitsgruppe Grundwasserökologie im Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie an der Uni Wien. Zu ihm gesellt sich Gudrun Nikodem-Eichenhardt, die mit dem Kabarett-Duo Kernölamazonen große Erfolge feiert. Zunächst einmal will sie wissen, was ein Limnologe überhaupt ist. „Im Prinzip handelt es sich um Gewässerökologie“, erklärt Christian Griebler. „Die Wissenschaft umfasst alle Binnengewässer – deswegen sagt man nicht Süßgewässerökologie, weil man auch die Salzlacken, die es auf den Kontinenten gibt, dazu packt.“ Es sei aber das Grundwasser, das den Limnologen besonders interessiere, fügt Markus Hengstschläger hinzu. „Bei Süßwasser denkt jeder nur an Bäche, Flüsse und Seen“, führt Griebler aus. „Keiner denkt daran, dass unter unseren Füßen auch ganz viel Wasser ist – unterirdische Seen, wenn man so will. Grundwasser ist in der Regel auch Süßwasser, das man vielfältig nutzt und es enthält eine Lebewelt, die ganz wichtige Ökoleistungen vollbringt.“
Entstehung von Badewannen
Das bringt Gudrun Nikodem-Eichenhardt zu einem Einwurf, denn die gebürtige Steirerin ist der Meinung, der Ursprung des Wiener Wassers läge in ihrer Heimat. „Wir haben Hochquellwasserleitungen, die Wien versorgen“, antwortet der Limnologe. „Es ist Wasser, das im alpinen Raum versickert, durch Felsgestein läuft und an Quellen wieder zu Tage tritt. Puristen würden jetzt sagen, es ist Karstwasser oder Quellwasser, aber wir Limnologen rechnen es zum Grundwasser, weil es ja einmal versickert ist.“ Doch auch unter der Bundeshauptstadt ist ein großes Reservoir an Grundwasser zu finden. „Stellt euch eine Badewanne unter der Erde vor, die mit Schotter, Kies oder Sand angefüllt ist“, verdeutlicht Christian Griebler. „Regen wird von Pflanzen aufgenommen, ein Teil verdunstet, aber es versickert auch.“ Dieses Wasser durchwandert die Boden- und Sedimentschichten und sammelt sich in den bildlichen Badewannen an. An diesem Zeitpunkt wird von Grundwasser gesprochen. „In Wien haben wir unter unseren Füßen Oberfläche-Schotterschichten, Donau-Schotterschichten oder Terrassen, in denen etwa 15 bis 20 Meter Wasser stehen“, fasst der Wissenschafter zusammen. Wozu man das Grundwasser verwende, will Moderator Hengstschläger wissen. „In Österreich ist Trinkwasser zu 100 Prozent Grundwasser – wir nehmen kein Oberflächenwasser und bereiten es auf“, so der Limnologe. „Der Grund ist, dass Wasser, das durch Sedimentschichten geht, schon physikalsich, chemisch und biologisch gereinigt wird. Es kommt also schon sauber an und bleibt es, wenn der Untergrund ökologisch funktioniert. Das aktive Biospeichersystem wird genutzt.“
Die Sache mit der Temperatur
Und hier kommt die Klimaerwärmung ins Spiel. An der Erdoberfläche ändert sich die Temperatur je nach Jahreszeit, in einer Tiefe von 15 bis 20 Metern unter der Erde allerdings ist die Temperatur das ganze Jahr über gleich. „Sie entspricht der Jahresdurchschnittstemperatur an der Oberfläche“, sagt Griebler. „Und das ist die natürliche Grundwassertemperatur.“ Gudrun Nikodem-Eichenhardt schaltet sofort. „Wenn es also oben immer wärmer wird, steigt die auch an“, mutmaßt die Kabarettistin, was ihr ein Mitarbeitsplus vom Limnologen einträgt. „Genau. Für uns bedeutet es Hecheln, Schnaufen und Schwitzen, wenn es wärmer wird“, sagt er. „Für viele Organismen im Grundwasser bedeutet es auch Stress pur.“ Die Viercherl, wie Griebler sie bezeichnet, seien über Jahrtausende an kühle Temperaturen angepasst und versuchen nun der Wärme auszuweichen und manche verschwinden. „Wir Ökologen glauben, dass jede Art im System irgendeine Aufgabe übernimmt. Somit ist jede Art, die verschwindet, auch ein Verlust in puncto funktionierendes Ökosystems“, betont er. „Und im Grundwasser kennen wir die meisten Arten noch nicht mal wirklich. Das ist halt das Drama.“
Im städtischen Bereich, wo durch die Versiegelung richtige Wärmeinseln entstehen, gebe es Stellen, wo das Grundwasser 30 anstatt der natürlichen zehn Grad habe, fasst der Biologe zusammen: „Die Konsequenzen sind fatal.“ Da hakt Markus Hengstschläger ein und will wissen, ob auch in Österreich Wasserknappheit drohe. Der Limnologe entgegnet, momentan gäbe es noch genug, doch es sei ein Riesenthema: „Wir müssen das Wasser in der Landschaft halten, auch bei Starkregen, muss es über Wochen an der Oberfläche stehen können, damit es zu Grundwasser wird. Wir haben unsere Landschaften sozusagen trockengelegt und da muss man wieder zurück.“ Gudrun Nikodem-Eichenhardt kann es gar nicht fassen: „Man glaubt, dass man den Hahn aufdreht und da kommt Wasser raus. Man weiß über das Thema viel zu wenig“, sagt sie betroffen.

