Frauenheilkunde in Wien während des Nationalsozialismus

Frauenheilkunde in Wien während des Nationalsozialismus
Der Wiener Gesundheitsstadtrat der NS-Zeit Max Gundel spricht im Oktober 1939 vor Krankenhausmitarbeiter*innen.

Die Medizinische Universität Wien widmete sich 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in seinem Symposium der Aufarbeitung der Frauenheilkunde während des Nationalsozialismus – von der Verfolgung jüdischer Ärzt*innen über Zwangssterilisationen bis zur Rolle der Frauenkliniken.

Dunkles Kapitel

Der „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland im März 1938 bedeutete die Vernichtung der beruflichen Existenz der jüdischen Ärztinnen und Ärzte. Fast 60 Prozent der in Wien tätigen Frauenärzte verloren ihre Stellen und das Recht zur Berufsausübung und konnten ihr Leben nur durch Flucht retten. Die Frauenheilkunde spielte eine zentrale Rolle in der NS-Geburtenpolitik, die auf einen „rassenreinen“ Volkskörper abzielte. Unter dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurden allein in den Wiener Universitätsfrauenkliniken knapp 230 Frauen zwangssterilisiert. Viele dieser Eingriffe waren auch mit Schwangerschaftsabbrüchen verbunden. „Die Gynäkologie hat sich während des Nationalsozialismus in den Dienst eines mörderischen Regimes gestellt. Die Aufarbeitung dieser Verstrickungen ist ein seit langem fälliger Schritt“, so Herwig Czech, Professor für Geschichte der Medizin an der MedUni Wien.

Ein Zeichen setzen

Das Symposium markiert einen Meilenstein in der wissenschaftlichen Aufarbeitung dieser Verbrechen. Herbert Kiss, Co-Leiter der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der MedUni Wien: „Lange Zeit haben wir die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und mit dem Wirken der führenden Ärzte gescheut. Nun setzen wir ein Zeichen, wir grenzen uns ab, wir stellen uns. Wir dürfen nicht aufhören darüber zu reden, zu erzählen und zu erinnern, was geschehen ist.“

Die Vorträge stehen online zur Verfügung unter: frauenheilkunde.meduni-wien.ac.at/aufarbeitung-ns