Traditionelle Europäische Medizin

 
Die Sehnsucht vieler Menschen, Einfluss auf die eigene Gesundheit zu nehmen, wächst. Etwa mit sanfter Medizin oder alternativen Heilmethoden. Ein Fall für die Traditionelle Europäische Medizin.

Unsere Natur ist kostbar. Doch der Mensch scheint zwischen Smartphone, Großraumbüro, Internetshopping und Fertigpizza zunehmend den Kontakt zu ihr verloren zu haben. Und auch zu sich selbst. Zu wenig Bewegung, zu viel Stress, Rückenschmerzen und andere Zivilisationskrankheiten nehmen überhand. Das löst Gegenbewegungen aus. Die Sehnsucht nach mehr Wohlbefinden und Einfluss darauf ist groß. Und genau hier bringt sich die Traditionelle Europäische Medizin (TEM) ins Spiel. Sie steht etwa für Rezepturen der Pflanzenheilkunde, aber auch für die Lehren von Sebastian Kneipp oder Hildegard von Bingen (siehe ganz unten "Wege der TEM")

Traditionelle Europäische Medizin
Bildnummer: 74971989 Alternative Medizin, Kräutermedizin, Speisen, Kräuter, Gesundheitswesen und Medizin, Medikament, Tee - Warmes Getränk, Sonnenhut - Pflanze, Sonnenhut - Pflanzengattung, Duftend, Trinken, Aromatherapie, Variation, Teetasse, Entspannung, Erholung, Homöopathie, Schwarz, Getränk, Blume, Pflanze, Salbei, Horizontal, Blütenblatt, Zutaten, Roh, Speisen und Getränke, Wärme, Chinesische Kultur, Blatt, Erfrischung, Blüte, 2015, Löffel, Tisch, Einzelne Blume, Kulturen, Organisch, Kamille, Lavendel, Antioxidationsmittel, Psychosoziale Beratung, Gesundes Essen, Pfefferminze, Kochrezept, Kamillenblüte, Asiatisch, Fotografie, Minze, Wildpflanze, Alternative Behandlungsmethode, Grün Wildflowers and various herbs for herbal tea

Viele der Kräuter, die vor unserer Haustür wachsen, haben das Potenzial, Menschen Wohlbefinden zu schenken

„Schreckensbilder über den Zustand unserer gesundheitlichen Betreuung füllen ganze Bücherregale. Ist es da ein Wunder, dass die Menschen nach alternativen, sanften, natürlichen, weniger gefährlichen Heilmethoden suchen?“, fragt Ethnobotaniker und Kulturanthropologe Wolf-Dieter Storl in seinem Buch „Ur-Medizin – Die wahren Ursprünge der Volksheilkunde“ (AT Verlag) Und so werden Gesunde wie Kranke zunehmend hellhörig, wenn es darum geht, gesundheitlich eigene Wege zu gehen. Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und der indische Ayurveda sind meist die Mittel der Wahl. Der Begriff Traditionelle Europäische Medizin (TEM) knüpft hier an: Verbirgt sich doch dahinter die Absicht, therapeutische Ansätze, die ihren Ursprung in der europäischen Heilkunst haben, unter ein Dach zu bringen und bekannter zu machen. Jahrtausendealtes Heilwissen existiert schließlich auch bei uns, so das allgemeine Credo.

Traditionelle Europäische Medizin
Saint Charles Apotheke

„Beim Arzt läuft die Sanduhr. Hier ist Zeit“, sagt Alexander Ehrmann. Seine Apotheke „Saint Charles“ in der Gumpendorfer Str. 30 hat im November 130. Geburtstag gefeiert. www.saint-charles.eu

Dufte Apotheke

„Altes Wissen ist dazu da, um es zu nutzen“, sagt Alexander Ehrmann, Chef der Wiener Kult-Apotheke „Saint Charles“. Er führt das Unternehmen, das heuer Jubiläum feiert, in sechster Generation. Seit 130 Jahren kommen Menschen hierher, um Medikamente zu besorgen, die heilen und Schmerzen lindern sollen.

„Heilkräuter, die wir vor der Haustür finden, können wir zu Heilmitteln verarbeiten, in der Kosmetik wirken lassen oder essen“, sagt Alexander Ehrmann. Vor genau zehn Jahren eröffnete er deshalb die Apotheke seines Vaters neu – gab ihr den neuen Namen. Und dazu einen Naturkosmetikshop mit -studio, das Zentrum für Wohlbefinden und das Mini-Restaurant Alimentary. Alles passt perfekt zu seinem Spezialgebiet: der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM).

Wer die Saint Charles Apotheke betritt, kann mit seinen Sinnen erfassen, wie Heilkräfte aus der Natur duften. Hier ein Hauch von Thymian, dort Lavendel oder Rosmarin. Da kann die eigene Hausapotheke, die klinisch-weiß daherkommt, kaum mithalten.

Traditionelle Europäische Medizin
Bildnummer: 88512805 Botanik, Illustration, Kräutermedizin, Viktorianischer Stil, Lavendel, Wacholder, Geschichtlich, Altertümlich, Pflanze, Minze, Weißer Hintergrund, Design, Gewürz, Blume, Strauch, Wurzel, Diagramm, Kunstdruck, Speisen, Lebensstil, Natur, Horizontal, Vorderansicht, Handcoloriert, Bunt, Wildpflanze, Pflanzenstängel, Blatt, Blütenblatt, Pflanzensamen, Gesunder Lebensstil, Iris - Pflanze, Freisteller – Neutraler Hintergrund, Farbbild, Baumblüte, Gravur, Antiquität, Schöne Natur, Niemand, Fotografie, Körperpflege, Steinbrech, Blumenzwiebel, Duftend, Wildblume, Einjährig, Mehrjährige Pflanze, Einzelner Gegenstand, 19. Jahrhundert, 1880-1889 Very Rare, Beautifully Illustrated Antique Engraved Victorian Botanical Illustration of Wildflowers, Medicinal and Herbal Plants: Plate 26, from The Book of Practical Botany in Word and Image (Lehrbuch der praktischen Pflanzenkunde in Wort und Bild), Published in 1886. Copyright has expired on this artwork. Digitally restored.

Kann TEM so populär werden wie TCM?

„Natürlich bieten wir die Rund-um-Versorgung wie jede andere Apotheke auch“, sagt Alexander Ehrmann. Wer Rezepte einlösen will, sei hier genauso richtig wie jemand, der sich für Spezialitäten aus der TEM interessiert. „Vielleicht probiert der eine oder andere einmal einen neuen Weg, vielleicht aber auch nie. Das ist eine Frage der Lebenseinstellung.“

Auch Apotheker Ehrmann beobachtet, dass die Menschen zunehmend selbst etwas für ihre Gesundheit tun wollen, und zwar bevor sie überhaupt einen Arzt brauchen. Ein Ansatz, der aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) bekannt ist. TCM wird längst weltweit als ergänzende, unterstützende und vorbeugende Maßnahme auch von Schulmedizinern angewendet. Das war nicht immer so. Die Skepsis wich erst nach Jahrzehnten einer breiten Akzeptanz. Heute steht der Einsatz der TCM als Beispiel für ein funktionierendes Nebeneinander von moderner Schulmedizin und altem Wissen.

Noch herrscht Uneinigkeit unter Experten, was alles zur Traditionellen Europäischen Medizin dazu gehören soll. „Das ist auch ein bisschen eine Glaubenssache“, sagt Apotheker Alexander Ehrmann.

Traditionelle Europäische Medizin
Ruth Ehrmann/Saint Charles Apotheke

Wohlfühlort Apotheke: Wer die Saint Charles Apotheke betritt, kann mit seinen Sinnen erfassen, wie Heilkräfte aus der Natur duften.

Doch eines ist klar: Die Menschen mussten jahrtausendelang auf tradiertes Heilwissen zurückgreifen, wenn sie krank waren. Jedes Tal hatte seine Mittel, überliefert wurde das Wissen mündlich, später zum Teil in den Klöstern aufgeschrieben.

„Gesundheit bekommt man nicht im Handel, sondern durch den Lebenswandel“

Gesund zu bleiben beschäftigt den Menschen seit Anfang an. „Gesundheit bekommt man nicht im Handel, sondern durch den Lebenswandel“, predigte schon Pfarrer Sebastian Kneipp. Heute ist das Thema populärer denn je. Die Selbstoptimierung steht ja hoch im Kurs: Immunabwehr stärken, besser schlafen, fitter in den Tag gehen gehören dazu. Da kommt die Beratung in der Apotheke gerade recht. „Beim Arzt läuft die Sanduhr. Hier ist genügend Zeit“, sagt Apotheker Ehrmann. Und so findet sich in der Apotheke vielleicht ein Pflänzchen, das einen besser schlafen, konzentrieren oder entspannen lässt. Und die Information der richtigen Dosierung. „Aber es gibt natürlich Grenzen“, sagt Ehrmann. „Kommt jemand mit hohem Blutdruck, Diabetes oder einer Erkrankung, kann nur der Arzt helfen.“

Immer mehr Menschen hoffen der sogenannten „chemischen Keule“, überfüllten Wartezimmern und dem Fachchinesisch medizinischer Diagnosen etwas entgegensetzen zu können. Auch mit alternativen Heilmethoden, deren Wirksamkeit meist nicht wissenschaftlich belegt ist. Das ruft Kritiker auf den Plan. Sogar von Humbug ist da die Rede.

Traditionelle Europäische Medizin
Bildnummer: 155422071 Alternative Medizin, Kräutermedizin, Tropfen, Homöopathie, Aromaöl, Kräuter, Aromatherapie, Blatt, Flasche, Wasser, Gesundheitswesen und Medizin, Schönheit, Nahaufnahme, Niemand, Natur, Schöne Natur, Braun, Fallen, Farbbild, Fotografie, Gegenlicht, Gesunder Lebensstil, Glas, Grün, Hell beleuchtet, Horizontal, Konzepte und Themen, Lebensstil, Leuchtende Farbe, Nervatur, Parfüm, Partiell Lichtdurchlässig, Studioaufnahme, Zen,

Und so findet sich in der Apotheke vielleicht ein Pflänzchen, das einen besser schlafen, konzentrieren oder entspannen lässt.

Superhelden der Pflanzenwelt

Elisabeth Breidenbrücker aus Bizau im Bregenzerwald bringt das nicht aus der Ruhe. In ihrem Leben gehören Kräuter immer dazu. In ihrem Garten wachsen etwa Königskerze, Gänsefingerkraut, Zitronenverbene und Silbermantel. „Die Ernte, Verarbeitung und Verwendung haben nichts mit Esoterik zu tun. Für mich hat das Hand und Fuß. Es ist am Anfang einfach nur ungewohnt, weil wir heute das ursprüngliche alte Wissen nicht mehr parat haben.“

Dabei sei es ihr nicht so wichtig, ob man das Traditionelle Europäische Medizin nennt oder anders. „Bei der Verwendung von Kräutern ist für mich nicht so viel Unterschied zur Ayurveda, es gab ja immer einen Austausch zwischen Ost und West.“

Breidenbrücker hat eine Ausbildung in Pflanzenheilkunde gemacht, danach ihr Label „Helden in Grün“ gegründet und ist davon überzeugt, dass Kräuter die geheimen Superhelden der Pflanzenwelt sind.

Traditionelle Europäische Medizin
Saint Charles Apotheke

Für die Vorarlbergerin Elisabeth Breidenbrücker sind Kräuter Superhelden.

Noch mehr Superkräfte durch Alchemie

Derzeit befasst sie sich mit der Alchemie von Pflanzen. Diese Verarbeitung von Heilpflanzen zu Essenzen, Tinkturen und Elixieren heißt Spagyrik. Von spao, was herausziehen, trennen oder teilen heißt, und ageiro, also sammeln, verbinden, zusammenfügen, vereinigen – vom Destillieren bis zum Veraschen.

„Die Spagyrik ist die höchste Kunst, um aus Pflanzen die größte Heilkraft herauszuholen“, erklärt Apotheker Ehrmann. Ein ganzes Regal in der Saint Charles Apotheke gehört spagyrischen Essenzen.

Dazu braucht es zumindest Glaskolben und Herd, was ein bisschen nach Hexenküche klingt, aber nichts mit Hokuspokus zu tun hat. Wesentlich sei, dass gewöhnliche Tinkturen und Aufgüsse die Wirkung der Pflanzen nie ganz nutzen. „Helden in Grün“-Gründerin Breidenbrücker ist überzeugt, dass sie durch die Spagyrik aus Kräutern noch weit mehr Superkräfte herausholen kann. Sie arbeitet daran.

In der Saint Charles Apotheke gibt es von ihr vorerst Kräuter-Spirituosen namens „Miss Derma“, „Mr. Detox“ und „Superviro“. Da bekommt die Redewendung Der Mensch ist, was er isst natürlich eine ganz neue Bedeutung.

Traditionelle Europäische Medizin – Wissenswertes in 7 Punkten

1 Im Fokus der TEM steht, dass der Mensch untrennbar mit der Natur verbunden ist. 2 Wegbereiter der TEM sind Hippokrates von Kos, Galen von Pergamon, Paracelsus, Hildegard von Bingen oder Sebastian Kneipp.3 Für die Benediktinerin Hildegard von Bingen (1098-1179) war es wichtig, dass Nahrung bekömmlich ist und Gewohnheiten, die krank machen, vermieden werden.4 In der TEM geht es darum festzustellen, ob der Organismus in Balance ist. Dazu gehört die Puls- und Zungendiagnose sowie die Iridologie und die Analyse des Temperaments. 5 Lebensordnung, Ernährung, Bewegung, Heilpflanzen und Wasser – für Sebastian Kneipp (1821-1897) waren das die fünf Säulen des Lebens. Speisen sollen „dem Bauch gut tun“, psychosoziales Umfeld und Lebensstil beeinflussen die Gesundheit sowie die Fitness von Körper und Geist.6 Die Humoralmedizin, die Lehre der vier Säfte, (Saft = lat. Humores), analysiert die Grund- funktionen des Organismus (Phlegma, Sanguis, Chole, Melanchole). Beim gesunden Menschen sind die Säfte in Balance.7 Pflanzen sind essenziell in der TEM. Weil sie das Potenzial haben, die Selbstheilungskräfte anzukurbeln. Heilpflanzenkunde kennt viele Verarbeitungs- und Herstellungsmethoden – von Tees über Bäder, Wickel, Extrakte, Destillation von ätherischen Ölen und spagyrische Essenzen.

Traditionelle Europäische Medizin
Bildnummer: 86489071 Schröpfen, Akupunktur, Massieren, Tasse oder Becher, Alternative Medizin, Frauen, Alternative Behandlungsmethode, Kosmetische Behandlung, Sauna und Nassmassage, Menschliche Haut, Schönheit, Horizontal, Schönheitssalon, Menschliches Körperteil, Körperpflege, Rücken, Kurbehandlung, Rückansicht, Erwachsene Person, Fotografie, Halten, Menschlicher Rücken, Lebensstil Woman Lying On Front Receiving Cupping Treatment On Back

Neben Kneipp’schen Bädern, Heilfasten nach Hildegard von Bingen werden auch Behandlungen wie das Schröpfen zur TEM gerechnet

Buchtipp: „Traditionelle Europäische Medizin – Das große Praxisbuch der westlichen Heilkunst“ (Kneipp Verlag)

Kommentare