Starkes Ritual

Haben Sie sich schon einmal überlegt, warum Kaffee, insbesondere seine Aromen und sein Duft, uns so sehr anziehen und zum täglichen Trinken von Espresso, Melange, Latte Macchiato und Co. animieren? Denn obwohl wir in unserer heutigen Ernährung nicht mehr auf bitter programmiert sind, entspannen wir uns, sobald wir eine Tasse des Schwarzen Goldes in den Händen halten. Koffein allein ist hier nicht der Treiber. Der Lebensmittelsensoriker Klaus Dürrschmid erklärt diesen Effekt in seinem Buch „Zungenbekenntnisse“ folgendermaßen: „Die Fähigkeit zu schmecken und zu riechen ist angeboren. Die Bewertung der Gerüche und Geschmäcker allerdings wird mehr oder weniger durch Lernprozesse geformt.“ Also schon lange bevor wir Gerüche benennen können, nehmen wir sie wahr, verbinden sie mit Gefühlen und es finden Verknüpfungen im Gehirn statt. Diese Geruchserinnerungen assoziieren wir mit Situationen und Erlebnissen. Die Zunge ist so gesehen die letzte Prüfstelle, bevor wir ein Lebensmittel schlucken.
Liking by Tasting
So lernen wir Kaffee anfangs meist als Kind löffelchenweise in geschäumter Milch kennen, bevor wir uns zum doppelten Espresso an herausfordernden Tagen vorarbeiten. Homebaristas, die in Kaffee-Sensorik-Kursen ihre Geschmacksknospen schulen, staunen immer wieder, wie einfach und spannend es ist, die fünf Komponenten Süß, Sauer, Bitter, Salzig und Umami zu erschmecken und anhand von Geruchsproben Aromen zu erkennen. Vertiefender wird es anschließend beim Einschätzen des Verhältnisses von Säure und Bitterkeit unterschiedlicher Röstungen. Für den Anfang könnten Sie zu Hause mit einer Mini-Verkostung samt Wow-Effekt starten: Bereiten Sie eine Tasse Kaffee zu. Halten Sie sich die Nase zu. Lassen Sie einen Schluck Kaffee in Ihrer Mundhöhle kreisen und konzentrieren Sie sich darauf, was Sie schmecken. Nehmen Sie einen zweiten Schluck und wiederholen Sie Ihr Experiment mit nicht zugehaltener Nase. Sie werden – wie wir – staunen.

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