Tic Tac Toe: Was wurde aus der deutschen Skandal-Band?

46-3659327
In den wilden 1990er-Jahren waren sie Deutschlands Pop-Rebellinnen, ihr Zerwürfnis ging in die Musikgeschichte ein. Doch was machen Ricky, Jazzy und Lee heute?

Das kannte man in Deutschland bis dahin noch nicht: Junge Frauen äußern sich öffentlich in Form von aneckender, obszöner und plakativer Weise zu sozialkritischen Themen, machen das Proletariat gesellschaftsfähig und werden so zum feministischen Vorbild einer jungen Generation. Ein Befreiungsschlag für Mädchen und junge Frauen.

Das Gesangs-Rap-Trio Tic Tac Toe – bestehend aus Lee, Jazzy und Ricky – trafen mit Songs wie "Ich find' dich scheiße", "Verpiss dich" oder "Warum?" den Nerv einer Jugend zwischen Wut, Rebellion und Identitätssuche. Ihre frechen, direkten und vor allem authentischen Texte galten als tabubrechend, systemkritisch und provozierten Debatten über Authentizität, Geschlechterkampf und Jugendkultur. Egal ob Sex, Liebeskummer, Drogensucht, AIDS oder Kindesmissbrauch: Tic Tac Toe nahmen sich kein Blatt vor den Mund, erhoben unangepasste Provokation zur Kunstform.

Präsentierten die Spice Girls "Girl Power" im lustigen Kindergeburtstags-Gewand, waren Tic Tac Toe die nächste Stufe: nämlich die dreckig-wütende Jugendparty im elterlichen Keller, bei der man endlich fluchen und saufen darf – und muss, weil man ansonsten nicht als cool gilt.

Romy 1997

Tic Tac Toe bei der Romy 1997

Rasanter Aufstieg und tiefer Fall

1995 gegründet, wurden Tic Tac Toe binnen weniger Monate zu einem der erfolgreichsten Pop-Acts im deutschsprachigen Raum. Ihr Debütalbum "Tic Tac Toe" verkaufte sich weit mehr als eine Million mal, das zweite Album "Klappe die 2te" war sogar ein noch größerer Erfolg. Von der Kritik zwar von Beginn an verunglimpft, von den Fans jedoch umso mehr geliebt, sorgte die Band für ausverkaufte Konzerthallen und räumten zahlreiche Preise ab. Tic Tac Toe brachten einen damals dringend nötigen frischen Wind in die deutschen Charts.

Doch mit dem Ruhm kam auch der Druck – und bald darauf der große Fall. 1997 dann der mediale Super-GAU: Eine Pressekonferenz, die als Versöhnung nach vorausgegangenen Streitereien geplant war, endete in einem tränenreichen und öffentlichkeitswirksamen Streit zwischen den Mitgliedern. 

Eingemachtes wie "Wenn wir Freunde wären, würdest du so einen Scheiß gar nicht machen!", "Ihr könnt echt gut lügen!" oder "Jetzt kommen wieder die Tränen auf Knopfdruck!" warfen sich die Sängerinnen vor der geladenen Presse an den Kopf. Der öffentliche Streit ging in die Musikgeschichte ein, war gleichzeitig aber auch ein unvergesslicher (Pop-)Moment der Fremdscham.

Es war mehr als offensichtlich: Die Spannungen zwischen Jazzy, Lee und Ricky waren zu groß geworden. Die Band zerbrach – zumindest in ihrer Originalbesetzung.

Comebackversuche scheiterten

Es folgten Comeback-Versuche: 2005 kehrten Jazzy und Lee mit der Sängerin Sara Brahms zurück, konnten jedoch – trotz der Hitsingles "Nie wieder" und "Isch liebe disch" – nicht an frühere Erfolge anknüpfen. Auch das Original-Trio versuchte sich 2006 noch einmal an einer Reunion, das Album "Comeback" geriet jedoch zum großen kommerziellen Flop, auch die geplante Tour wurde aufgrund mangelnden Interesses von zehn auf drei Konzerte gekürzt. 2007 lösten sich Tic Tac Toe wieder auf.

2012 kam es zu einem Mini-Comeback: Für den deutschen Sender Sixt nahmen Jazzy und Ricky einen Werbespot mit dem Titel "Ich find Sixt sch...!" auf, angelehnt an ihren Hit "Ich find ich scheiße!". Lee allerdings wurde durch ein Double ersetzt, da sie angeblich nicht kontaktiert werden konnte.

Was machen Tic Tac Toe heute?

Jazzy (bürgerlicher Name: Marlene Tackenberg) versuchte sich nach dem Band-Aus als Solo-Künstlerin und DJane, konnte aber nie an den Ruhm vergangener Tage anknüpfen. Auch als Musical-Darstellerin und in diversen TV-Formaten war sie zu sehen, unter anderem in der sechsten Staffel von "Ich bin ein Star – Holt mich ihr raus!" oder "Goodbye, Deutschland". Tackenberg wanderte nach Frankreich aus, dort lebt sie mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter bis heute. 

Lee (Liane Wiegelmann) litt unter dem plötzlichen Ruhm der Band am meisten: Ihre Vergangenheit im Drogen- und Rotlichtmilieu war ein gefundenes Fressen für die Boulevardmedien. Als sich ihr damaliger Ehemann das Leben nahm, machten Fans die Rapperin dafür verantwortlich, sprachen gar Morddrohungen aus. Nicht überraschend also, dass sich Wiegelmann nach dem endgültigen Band-Aus weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückzog. Über ihre aktuelle Lebenssituation ist wenig bekannt. Angeblich ist sie in einem sozialen Beruf tätig und lebt in England. Zuvor arbeitet sie auch für kurze Zeit an der Kasse des Kölner Zoos.

Romy 1997

Tic Tac Toe bei der Romy 1997

Ricky (Ricarda Wältken) wandte sich zunächst der Schauspielerei zu und war in einigen kleineren Theaterproduktionen aktiv. Da hier der Erfolg allerdings ausblieb, holte Wältken die Matura nach und begann ein Grundschul-Lehramtsstudium für Mathematik und evangelische Theologie. Dieses brach sie aber ab und ließ sich danach zur Ergotherapeutin ausbilden. 

2019 gab sie nach vielen Jahren ihr erstes Interview. Dem Stern verriet sie, dass sie unter dem damaligen Ruhm sehr litt. Auf die Frage, ob sie zu ihren ehemaligen Bandkolleginnen noch Kontakt habe, antwortete sie: "Vorletztes Jahr habe ich Jazzy auf dem Weihnachtsmarkt in Dortmund getroffen. Ab und an schreiben wir und. Aber wir wissen nicht, wo Lee steckt."

Kurzzeit-Mitglied Sarah Brams arbeitet mittlerweile als Krankenschwester.

Kommentare