18 Monate bedingt: Depardieu wegen sexueller Übergriffe schuldig gesprochen

Bei seinem viertägigen Prozess wegen sexueller Übergriffe Ende März war er noch täglich anwesend, kam teils auf die Schulter seines Anwalts Jérémie Assous gestützt in den Gerichtssaal. Die Urteilsverkündung am gestrigen Dienstag aber verpasste Gérard Depardieu.
Er ist beschäftigt, dreht in Portugal einen Film, bei dem seine Schauspieler-Freundin Fanny Ardant Regie führt. Sie gehört zu den wenigen, die noch mit dem Mann arbeiten wollen, der als eines der größten Talente des französischen Kinos gilt, aber tief abgestürzt ist, seit ihm mehrere Frauen Vergewaltigung und sexuelle Belästigung vorwerfen.
Gericht glaubte den Klägerinnen
Auch hatte Ardant Depardieu während der Verhandlung als Zeugin entlastet. Nie habe sie ein schockierende Geste gesehen, im Gegenteil, Gérard akzeptiere es, wenn ihm eine Frau „Nein“ sage.
Das haben die beiden Klägerinnen ihrer eigenen Aussage zufolge ganz anders erlebt. Eine heute 54-jährige Dekorateurin und eine 34-jährige Regieassistentin warfen Depardieu sexuelle Angriffe während der Dreharbeiten für den Film „Les volets verts“ („Die grünen Fensterläden“) im Jahr 2021 vor. Er habe sie bedrängt und an intimen Körperstellen berührt. Mehrere Zeugen stützten ihre Aussagen.
Das Gericht glaubte den Frauen und verurteilte Depardieu am Dienstag zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten. Er wird in das Register für Sexualstraftäter aufgenommen und muss beiden Opfern Schadensersatz in Höhe von jeweils mehreren tausend Euro zahlen.
Fünf Jahre Haft drohten
Berücksichtigt worden sei auch „das völlige Fehlen von Selbsthinterfragung“ des Angeklagten, so die Richter. Depardieu hatte alle Vorwürfe zurückgewiesen, gab aber verschiedene Versionen ab. Behauptete er zunächst, er habe die Frauen nie angefasst, so räumte er später ein, dass er sich an den Hüften von einer von ihnen festgehalten habe, freilich ohne sexuelle Absichten.
Sein Verteidiger Assous beschimpfte die Klägerinnen als „Lügnerinnen“ und ihre Anwältinnen als „hysterisch“. Nach dem Urteilsspruch kündigte er an, Berufung einzulegen. „Sobald Sie heutzutage wegen sogenannter sexueller Übergriffe angeklagt werden, sind Sie auch schon verurteilt“, behauptete er. Allein die Anschuldigungen in Frage zu stellen, werde als „zusätzliche Aggression“ bewertet.
Mehr als 20 Frauen
Der Prozess fand vor dem Hintergrund der #metoo-Bewegung statt, die 2017 in den USA ihren Anfang nahm, als Frauen begannen, sexuelle Gewalt in der Filmbranche und darüber hinaus öffentlich zu machen.
Auch in Frankreich gab es in den vergangenen Jahren immer wieder schwerwiegende Vorwürfe gegen Regisseure und Darsteller. Inzwischen geht die Nationalversammlung in einer Untersuchungskommission sexuellem Missbrauch in der Film-, Theater- und Medienbranche nach.
Zufällig fiel das Urteil gegen Depardieu kurz vor dem Auftakt des Filmfestivals von Cannes. Jury-Präsidentin Juliette Binoche sagte gerade in einem Interview, dass auch sie am Anfang ihrer Karriere mehrmals sexuell angegriffen wurde.
Was Depardieu angeht, haben inzwischen mehr als 20 Frauen öffentlich berichtet, dass er sie sexuell belästigt und vor aller Augen erniedrigt habe. Demnach nutzte er die totale Narrenfreiheit aus, die er aufgrund seiner Filmerfolge, ob als Darsteller des Cyrano de Bergerac, Christoph Kolumbus oder auch Obelix genoss – das System schützte ihn.
Ein zweiter Prozess droht
Opfer seiner Übergriffe waren meist Frauen in schwachen Positionen: Maskenbildnerinnen oder Assistentinnen, während er andere Filmgrößen wie Catherine Deneuve respektvoll behandelte. Ein weiteres Verfahren läuft nach der Vergewaltigungsklage der französischen Schauspielerin Charlotte Arnould und könnte in einen zweiten Prozess münden.
Zugleich Depardieu hat auch prominente Unterstützer. So sagte Präsident Emmanuel Macron im Dezember 2023, er werde sich nicht an einer „Menschenjagd“ beteiligen. Depardieu sei ein „riesiger Schauspieler“ – ganz so, als spreche ihn sein Talent von jedem Vorwurf frei.
Der Anwältin Claude Vincent zufolge war der Prozess „die beste Illustration dafür, dass man den Mann nicht vom Künstler trennen kann“. Eine der beiden Klägerinnen, die 54-jährige Amélie, freute sich über diesen „Schritt nach vorne“, diesen „Sieg für die Frauen“.
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