Brigitte Hobmeier: Kein leichtes Mädel

Verblüffend veränderlich. So viele Gesichter in einem Gesicht binnen zwei Stunden. Ein junges Mädel mit Strohhut auf langem blassroten Schlangenhaar kommt schnell, schmal, müde von einem langen Probentag auf die Salzburger Festspielterrasse. Eine Diva geht, szenefüllend groß, die Wangen weich gerundet, den Herzkirschenmund nach vorne gestülpt, die Nase aristokratisch gestrafft wie eine Herzogin zu Pferd. Da denkt man Straußenfedern zu dem kleinen Hut, den Brigitte Hobmeier beim Radfahren trägt. Sie erfährt sich Salzburg auf Pedalen.Wie groß sie ist? „1,65. I hab net das G’fühl, dass ich in meinem Privatleben groß sein muss. Schau halt. Da werden meine Augen größer.“

Leidenschaftlich, selbstbewusst und demütig in einem sagt sie das, ohne falsche Tiefstapelei, die nach Komplimenten fischt. Schön. Keine Schoko-Präsentation in glänzender Plastikfolie, um profimäßig das 99. Buhlschaftsinterview abzuspulen.Brigitte Hobmeier füllt das Gespräch mit warmem Lächeln, unsentimentaler Nüchternheit, nachdenklichem Gewisper, bayerischem Dialekt, sattem lauten Lachen. Füllt die Spanne zwischen „kindlichem Fellini-Zauber“ und „Sex-Appeal einer Domina“, die ihr Christian Stückl, der Jedermann-Regisseur der letzten elf Jahre, schon bescheinigt hatte, als die Newcomerin an seinem Münchner Volkstheater Publikum und Kritiker vor Verzückung aus den Sesseln hob: Als Viola in Shakespeares „Was ihr wollt“, als „Geierwally“, als „Lulu“, als Urweib, verträumt und bodenständig, kühl und kokett, lasziv und kratzbürstig. Seither hat sie viele Preise bekommen, und zu Hymnen über ihre Kunst und Anziehungskraft inspiriert: „Die Venus von Ismaning“ titelte DER SPIEGEL, und der Berliner Schauspieler Thomas Arnold schwärmte: „Eine Kollegin , die den Glanz der früheren Zeiten und den Heiligenschein ins Theater zurückgebracht hat. Sternenstaub und Handwerk sind hier wieder vereint.“

Ein leichtes Mädel? „Nein, ich glaube, dass sie ihn liebt. Sagt doch: Mein Mann. Dein bin ich. Schau auf mich. Halt mich ... das sind ja irrsinnige Liebesgeständnisse. Er ist nun mal ein reicher Mann. Und es gibt so viele Arten von Erotik – der Jugend, der Schönheit, des Humors (Humor finde ich unglaublich erotisch) und die Erotik der Macht und des Geldes. Das will ich nicht in Frage stellen.“Hobmeier – sie war Leistungsschwimmerin – vibriert schwungvoll, strafft den Rücken, schmiegt sich an die Sessellehne: „Der ist es! Mit dem will ich jetzt ein Fest feiern. Dort passiert etwas mit ihm ... Aber ich bin seine Freundin, die ihm das Fest aufstellt. Fröhlich, lustvoll, rauschhaft: Das wird der beste Abend, den wir haben. Du bist eine erotische Attraktion! Du bist mein Buhle!“ Das muss Energie haben, ungeheuren Spaß machen, damit die Fallhöhe gegeben ist, von der er runterstürzen kann.“An Jedermanns Reichtum kiefelt sie noch. Denn ihr fällt’s schwer, sich nur auf ein Bier einladen zu lassen. „Mein Mann sagt dann, sei nicht so, du ladst die Leute doch auch gern ein. Stimmt. Wahnsinnig gern! Denk aber: Mein Zeugl kann ich selber zahlen. Bin gern auf mich selbst gestellt.“ Überlegt: In Gruppen sei sie gerne, wär nur nicht das Gefühl, „sich um des lieben Friedens willen der umgreifenden Meinung beistellen zu müssen. In der Zweisamkeit kann man verschiedener Meinung sein und haut sich trotzdem nicht die Köpfe ein.“
Resümiert: „Wenn ich ein Fest mach, bin ich immer außer mir: Hoffentlich geht’s jedem gut!“ Besser, allein zu sein, wenn sie um eine Rolle kreist, wenn sie mit anderen Augen schaut: „Chirurgisch scharf, weil ich nicht über was drüberhupfen will und mir was leicht machen. Hüpfen, fliegen, tanzen kann ich nachher ... Für mich hat Leichtigkeit mit Aufgeben und Kompromiss zu tun. Aber in meinem Weg ist das Schwere bisher immer das Richtigere gewesen. Arbeit hat für mich einen schönen Wert. Ist was Tolles. Anstrengend auch, aber ich muss mich einiwühlen. Da kann ganz viel Energie aufgehen, auch viel Verzweiflung, wenn ich nimmer weiß, wo rechts und links ist, was ich spielen soll. Geh viele Wege, um Figuren aufzuspüren, mobilisier alle Sinne“, sagt sie jetzt, und lacht erdhaft: „Ich bin eine Schauspielerin, die am Abend zu ihrer Familie geht.“ Ihr Sohn ist acht, ihr Mann, Mathematiker und Romanschreiber, blieb für die Öffentlichkeit bis dato unsichtbar. Mal sehen, was der Buhlschafts-Sommer bringt. Hobmeier wird ihn mit der Familie im Salzkammergut verbringen, wahrscheinlich am Attersee, wo sie früher immer mit den Eltern war.Stimmt schon, dass sie kämpfen musste, um ins Gymnasium zu gehen, stimmt auch, dass sie in Ismaning bei München unter der Heißmangel ihrer Mutter saß und „von einem Leben da draußen“ träumte.
Am heftigsten an Samstagabenden litt, wenn die fußballverrückte Familie das Fangegröle der Sportschau genoss. Ja, und sie hat sich als Teenager mit den Doc Martens Stahlkappenschuhen in der niederbayerischen Dorfkapelle zum Ortgespräch gemacht und verachtungsvoll gedacht: „Wenn die keine anderen Sorgen haben.“ An der Bayerischen Theaterakademie vorgesprochen, ohne den Eltern etwas zu sagen. Wurde eh nicht genommen, erst nach dem Zwischenspiel am Computer in einem Grafikbüro, ein Jahr nach der Matura, an der Folkwang Hochschule Essen. Als eine von sechs unter Hunderten Anwärtern. Die Mutter begriff ihren Traum, der Vater sah sie ins Unglück laufen.Aber das ist vorbei, schon lange, glücklichem Elternstolz gewichen, will nicht mehr umgerührt werden. „Ich hab kein Problem, nach Niederbayern zu fahren, so viele Cousins und Cousinen, arbeit auch gern am Bauernhof, im Holz. Mit der Hand. Sehn mich danach, alle Sinne zu spüren.“

Die Buhlschaft verstummt, ist wie ausgelöscht“, geht Hobmeier „pedantisch“ auf den Text zurück: „Das ist wohl der Urweg. Jedermann kann ja nix mitnehmen. Man kann auch nicht mitgehen. Herr Gott, kannst mit deinem Mann mitgehen?“ Sich umbringen. „Ja, aber auch dann geht man allein in seinen eigenen Tod. Das Geld sagt’s richtig: ,Mein Ort ist hier’. Diese Einsicht rührt mich an, bringt mich innerlich zum Zittern. Dass der Tod einfach vorbeikommen und einen Menschen stehlen kann. Hat oft vorbeigeschaut in meinem Leben, und da fangt’s an, dass es mich was angeht. Wir leben nicht mehr 1911, die Kirche steigt uns nimmer auf den Deckel, aber das eigene Leben bleibt das eigene Leben.“ Die 37-Jährige nennt sich „eine nicht aus der Kirche ausgetretene Christin“.
Ihre Augen schwimmen hellblau über einem weißen Oberteil, doch irgendwann changieren sie zu Anthrazit, und im Abendrot glänzen sie wie dunkler Honig. Veränderlich wie in Hobmeiers Filmen. Blau-anthrazit als schmal-streng-sachlich-kompetente, zu den Müttern so unfassbar liebevolle „Hebamme“ in dem historischen TV-Hit, der ihr den Grimme-Preis brachte. Honiggolden als saftig sinnliches Bagwhan-Groupie in Markus Rosenmüllers Kinokomödie „Sommer in Orange“.Das Kleid der Buhlschaft? War bisher eins der wichtigsten Themen. Der Damen und der Gazetten. Brigitte Hobmeier erwähnt es nicht.
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