Wo die Olympia-Welt ein Dorf ist

Die olympischen Ringe stehen in einem Park vor Wohngebäuden.
Zwei Betten, zwei Nacht­kästen, ein Kasten – aus. Doch die Sportler fühlen sich im olympischen Dorf wohl.

Lange dauert der Check an der Sicherheitsschleuse – doch dann ist man drinnen. Im olympischen Dorf, das eigentlich olympische Plattenbausiedlung heißen müsste. In elf Häuserblocks wohnen knapp 10.000 Athleten und 6000 Betreuer aus 204 Nationen in 2818 Appartements. Die Harmonie soll ungestört bleiben. Ein meterhoher Zaun schützt vor unerwünschten Eindringlingen.

Jede Wohneinheit besteht aus zwei Doppelzimmern, einem Bad und einem Aufenthaltsraum. An den Balkonen und vor den Fenstern wehen Fahnen. Iran neben der Ukraine, China neben Südkorea, Albanien neben Sri Lanka. Slowenien hat die originellsten Transparente angebracht, dem Erfinder gebührt der Oscar für Kreativität: "I feel sLOVEnia". Damit dürfte aber nicht auf den freizügigen Umgang zwischen den Sportlern angespielt werden, den Hope Solo, die Torfrau des US-Fußball-Teams angesprochen hat. Die Amerikanerin hatte erzählt, dass es sich vor vier Jahren in Peking des Nächtens wild abgespielt hat zwischen den Büschen. Sie habe es vorgezogen, hinter verschlossener Türe im Zimmer zu kopulieren. Mit einem prominenten Sportler. In London werden jedenfalls 150.000 Kondome verteilt.

Die Atmosphäre ist angenehm entspannt. Eine Sportlerin aus Südkorea lehnt an ihrem Rennrad und gibt Interviews, eine Gruppe Australier spaziert durch den Park mit dem saftig-grünen Rasen, eine blonde Dänin wird von zwei Fotografen um ein Bild gebeten. An einem Kiosk verteilt ein Mann Früchte und Snacks. Seine Kunden versucht er in der Landessprache anzusprechen. "Where do you come from?" "Austria." "Ääääh, guten Tag!" Von einer französischen Betreuerin will er wissen, ob sie "Madame" oder "Mademoiselle" ist, sie lächelt nur gütig.

Einfach

Zwei Männer in Sportkleidung ruhen sich in einem einfachen Schlafzimmer aus.

Die Zimmer selbst sind schlicht, fast spartanisch. Um auch etwas Positives zu berichten: Sie sind hell. Zwei Betten, zwei Nachtkästen, ein Kasten, kein Fernseher – den gibt’s im Aufenthaltsraum. Auf dem Bettzeug sind die Logos der 26 Sportarten aufgedruckt. Irgendwie erinnert das Ambiente an einen Abverkaufsprospekt eines Möbel-Discounters.

"Die Zimmer sind super", sagt Beachvolleyballer Clemens Doppler, der sich mit seinem Beach-Partner Alexander Horst einen Raum teilt. Die Adresse der Österreicher: C3 – Hopground House, Countryside Zone. "Wir wohnen im 7. Stock mit Balkon. Perfekt." Der 31-Jährige genießt einen herrlichen Ausblick, man sieht den Olympia-Park, das London Eye, die "Gurke" und die "Scherbe" – die neuen Wahrzeichen der Stadt. Doppler, mit zwei Metern der größte Mann im Team, schläft auch gut. "Das Bett hat eine Verlängerung – kein Problem."

Angebot

In einem Raum mit mehreren Billardtischen spielt ein Mann Billard.

Dopplers Bett wird nach den Spielen um 51 Euro an einen Olympia-Fan verkauft werden, die Matratze kostet 70 Euro. Insgesamt werden 11.000 Betten aus dem Dorf verscherbelt. Der Lieferung wird ein Brief mit einer Authentifizierung beiliegen, der dafür bürgt, dass tatsächlich ein Sportler darin geschlafen hat. Welcher, bleibt geheim.

Rund um die Uhr können die Bewohner im Village Plaza essen gehen. Badminton-Spieler Michael Lahnsteiner, ist besonders angetan. "Der Food Court ist super, da bekommt man alles. Einzigartig ist, dass man die internationalen Superstars trifft. Die brasilianischen Fußballer habe ich schon gesehen. Schön wäre, wenn ich Roger Federer treffen würde."

Die Schwaiger-Schwestern sind begeistert von der Kraftkammer. "1a", attestiert Doris, die mit Stefanie im Beachvolleyball starten wird. "Ich wusste ja schon von Peking, wie ein olympisches Dorf aussieht und dass es riesig ist. Aber wenn man dann da ist, ist man beeindruckt von der Dimension."

In ruhigen Minuten spazieren die Sportler durch den Victory Park oder entspannen sich in der Globe Bar. Hier spielen zwei Kasachen Billard, zwei Ägypter matchen sich an der Playstation. Sportler hängen in Liegestühlen herum, lesen, spielen "Vier gewinnt" oder Schach. Nur die (schlechten) Wuzeltische werden hartnäckig ignoriert.

Nach den Spielen werden die Fahnen abmontiert und die Wohnungen sozial benachteiligten Menschen zur Verfügung gestellt. Zudem wird ein Schulkomplex für 1800 Kinder und Jugendliche entstehen – wenn die Lehren aus den Olympischen Spielen 2012 gezogen wurden.

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