Vincenzo Nibali triumphiert bei Tour de France

Dass Vincenzo Nibali die Tour de France 2014 gewonnen hat, ist keine Überraschung, zumal seine schärfsten Rivalen Chris Froome und Alberto Contador wegen Sturzverletzungen frühzeitig aufgegeben hatten. Die Art und Weise wie Nibali die 101. Frankreich-Rundfahrt dominierte, war aber gleichermaßen unerwartet wie eindrucksvoll.
Der mit seiner Frau und der im Februar geborenen Tochter Emma im Schweizer Tessin lebende Sizilianer war auf jeglichem Terrain Herr der Lage. Der introvertierte 29-Jährige feierte vier Etappensiege und rückten mit dem souveränen Tour-Triumph in einen elitären Kreis auf. Er ist einer von sechs Radprofis, die alle drei großen Landesrundfahrten für sich entschieden haben. Zuletzt gelang das dem Spanier Contador (2007-2012), davor Nibalis Landsmann Felice Gimondi zwischen 1965 und 1976.
Der "Hai von Messina" genannte Nibali trug sich innerhalb von nur vier Jahren in die Siegerlisten der Tour, des Giro d'Italia (2013) und der Vuelta a Espana (2010) ein. Seit seinem Vuelta-Sieg war das Leichtgewicht (62 kg bei 1,79 m Größe) aber auch schon mehrfach auf weiteren Podien der sogenannten Grand Tours gestanden - zuletzt im Vorjahr als Zweiter bei der Spanien-Rundfahrt. Bei der Tour war er 2012 hinter Bradley Wiggins und Froome schon einmal Dritter.

Heuer ließ der Titelverteidiger Nibali zum Leidwesen seiner italienischen Fans wie vor zwei Jahren den Giro aus. Und seine Konzentration auf die Tour sollte sich diesmal voll und ganz auszahlen. Der Heldenstatus bei den Tifosi ist ihm nun endgültig sicher, denn er ist der erste italienische Tour-Sieger seit 1998. Damals gewann Marco Pantani, der in der unsäglichen EPO-Ära einer der Besten gewesen war.
Die aktuelle Dominanz Nibalis - er gewann fast acht Minuten vor Jean-Christophe Peraud (FRA) und trug an 18 von 21 Tagen das Gelbe Trikot - weckte Erinnerungen an Lance Armstrong, dem lange nach seinem Karriereende alle sieben Tour-Titel wegen systematischen Dopings aberkannt wurden. Für Stirnrunzeln sorgte aber nicht nur Nibalis Riesenvorsprung, sondern auch sein Umfeld. Er fährt seit 2013 für den nicht unumstrittenen Astana-Rennstall, dem Ex-Dopingsünder Alexander Winokurow als Teamchef vorsteht. Mit Michele Scarponi ist auch einer seiner wichtigsten Helfer einschlägig vorbelastet.
Nibali selbst ist aber unbescholten. Angebliche Verbindungen zum Doping-Arzt Michele Ferrari wurden stets vehement dementiert. Während der Tour wiederholte er auf dementsprechende Fragen gebetsmühlenartig, dass er einer neuen Generation angehöre, die mit den dunklen Kapiteln abgeschlossen habe. Nicht zuletzt der Athleten-Blutpass sorge dafür, dass es fair zugeht, betonte Nibali.
Der neue Tour-Gewinner wuchs auf Sizilien auf. Den Sohn eines Greißler-Ehepaares zog aber schon mit 15 Jahren in die Toskana, um Radprofi zu werden. Nach ersten Erfolgen auf Nachwuchsebene stellten sich in der Elite schon 2006 die ersten Erfolge ein. Bis zu seinem endgültigen Durchbruch mit dem Vuelta-Sieg gewann er für sein damaliges Liquigas-Team unter anderem den Giro del Trentino (2008) und eine Etappe beim Giro d'Italia (2010).
Eine seine bittersten Niederlagen erlebte er im Vorjahr bei der Spanien-Rundfahrt, als er seine Spitzenposition am letzten Wochenende noch an Chris Horner verlor. Die Doppel-Belastung mit Giro und Vuelta sei einfach zu groß gewesen, so Nibali. Daraus zog er seine Lehren und legte sein Hauptaugenmerk heuer ausschließlich und mit durchschlagendem Erfolg auf die Tour.
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