Jürgen Melzers letzter Aufschlag in Wien

Erfolgreich: Melzer gewann fünf Titel, insgesamt fünf Grand Slams und stand im French-Open-Semifinale.
Vor seinem Einzel-Abschied plaudert der 37-Jährige über seine Wandlung, Siege und Politik.

Jürgen Melzer hat bei seinem Erstauftritt beim Erste Bank Open ein bisserl geschwächelt. Nicht auf dem Platz, sondern bei der Auslosung (siehe rechts, Anm.). Vor allem sein Gegner, der Aufschlagkönig Milos Raonic („Gegen den bist du nur Passagier“) ist alles andere als ein Freilos. In offizieller Mission wird der Deutsch-Wagramer seine 37-jährigen Hände gegen den Kanadier in der ersten Runde brauchen. Vor seinem Abschiedsturnier in der Stadthalle spricht der fünffache Gewinner von Grand-Slam-Turnieren (zwei Mal Junior, zwei Mal Doppel, ein Mal Mixed) über seine Karriere.

KURIER: Sag beim Abschied laut Servus. Es wird einiges vorbereitet für Ihr Abschiedsturnier. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in dieses?

Jürgen Melzer: Ich habe tief in mich reingehört, und es war für mich der Zeitpunkt, an dem ich sage, ich habe noch ein Niveau, mit dem ich mitspielen kann. Wer weiß, ob das nächstes Jahr so ist? Mal sehen, wenn der letzte Ball gespielt ist, welche Emotionen da hochkommen.

Dass es ausgerechnet die Stadthalle wurde, klingt fast schon ein bisserl kitschig ...

Ich habe immer gesagt, dass ich hier meine Karriere beenden will, auch wenn es nur der Abschied vom Einzel ist. Es ist daheim und war immer mein Abschlussturnier der Saison. Außerdem hatte ich hier mein allererstes ATP-Match 1999 bestritten und einen meiner schönsten Siege gefeiert. Ich sage bewusst einen, weil die Titel 2009 und 2010 mit einem Paris-Halbfinaleinzug und dem Doppel-Sieg in Wimbledon nicht zu vergleichen sind.

Verletzungen bildeten wohl den Tiefpunkt der Karriere ...

Der Tiefpunkt war sicherlich 2009 die Daviscup-Niederlage in Garmisch gegen Philipp Kohlschreiber nach der klaren Führung. Das war sehr bitter. Schmerzhaft war vor allem eine Rückenverletzung, die ich mir am Höhepunkt meiner Karriere zugezogen habe und die bis 2015 nicht wegging.

Aber in den vergangenen Jahren kamen auch andere Verletzungen dazu.

Ich habe jahrelang nichts gehabt und mich dann für alle Verletzungen angestellt. Das gehört aber zu unserem Beruf dazu. Jetzt tut nichts mehr weh.

Sie waren 2011 als bislang letzter Österreicher Top Ten in Einzel und Doppel. Der Hype um Dominic Thiem ist aber nun ungleich größer. Kränkt Sie das?

Nein, ich bin nicht neidisch. 2010 nach Paris war schon viel los um meine Person. Aber man darf nicht vergessen, dass Dominic ein bisschen mehr gewonnen hat als ich, er qualifiziert sich zum dritten Mal für das ATP-Finale und ist seit mehr als zwei Jahren durchgehend in den Top Ten.

War auch die Zeit schuld?

Am Anfang schon, ich war Nummer 25 in der Weltsportart, das hat kaum gezählt, weil eben die Erwartungshaltung nach einem Thomas Muster sehr hoch war. Jahre später war es da schon leichter für mich.

Sie hatten Ihre beste Zeit erst mit 28, 29. Blicken Sie auch auf Fehler zurück?

Natürlich. Abseits des Platzes war ich zu verschlossen, auch den Umgang mit Medien würde ich heuer besser gestalten. Ich habe Karl-Heinz Wetter viel zu verdanken, aber vielleicht hätte ich den Trainer zwei Jahre früher wechseln sollen. Aber es lag auch daran, dass ich da erst im Kopf verstanden habe, warum es geht, und professioneller gearbeitet.

Ganz hören Sie ja nicht auf: Sie wollen im Doppel weiterspielen. Mit wem?

Mit Philipp Oswald. Vorausgesetzt, wir haben beide ein gutes Ranking.

Bleiben Sie danach dem Tennissport erhalten?

Jetzt kann ich nichts fixieren, aber ich habe bemerkt, als ich meinen Bruder Gerald betreute, dass es mir schon Spaß, macht als Trainer zu arbeiten. Auch meine Tätigkeit beim ORF als Experte.

Ihr Vater war Bürgermeister von Deutsch-Wagram. Könnten Sie sich vorstellen, in die Politik zu gehen – und sind Sie mit der Sportpolitik zufrieden?

Wenn ich etwas bewegen kann, ja. Aber in der Sportpolitik, in anderen Bereichen wäre ich wenig glaubhaft. Ich glaube, dass der neue Sportminister einen Ruck gebracht hat. Aber die Räder der Politik drehen sich langsam, erst in zwei Jahren sieht man Ergebnisse.

Jürgen Melzers letzter Aufschlag in Wien

2009 und 2010 gewann Melzer das Turnier in der Stadthalle. 

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