Tennis: Ein Herr von der besten Saite

Ein Mann bespannt einen Tennisschläger unter einer Lampe.
Vor dem Duell in den Niederlanden hat Bespanner Erwin Enzinger viel zu erzählen.

Schlagfertigkeit ist sein Prinzip. Das gilt nicht nur für ihn, sondern für sein Arbeitsprodukt.

Erwin Enzinger kennt sie alle, diese Sportstätten der Welt, Österreichs beste Tennisspieler und vor allem – die Schläger, zu denen die Auswahlspieler greifen. Der 59-jährige Niederösterreicher zieht seit 23 Jahren andere Saiten bei Österreichs Daviscup-Team auf. In dieser Funktion ist er selbstverständlich auch in Groningen dabei, wo Österreich ab heute um den Klassenerhalt in der Weltgruppe spielt.

Die Zeiten und Saiten haben sich geändert. Heute bespannt Enzinger 80 bis 100 Schläger pro Daviscup-Auftritt. Und muss dabei viele Faktoren berücksichtigen. Nicht nur, ob auf Sand oder Hartplatz gespielt wird, oder wie die Bälle beschaffen sind. Sogar die Zuschauerzahlen fließen in sein Konzept ein. „Wenn ab Freitag 4000 Leute in die Halle kommen, wird es durchschnittlich drei bis fünf Grad wärmer in der Halle, da muss ich ein bis zwei Kilo mehr draufgeben“, sagt Enzinger. „Weil durch die Wärme die Saiten schneller reißen können.“

Gegenwärtig achten auch die Spieler mehr darauf. „Heute erkundigen sich Spieler, wie Jürgen Melzer sogar, welche Bespannungsmaschine ich habe.“ In rund 20 Minuten ist ein Schläger fix und fertig bespannt, früher habe es ohne die geeigneten Maschinen 40 Minuten gedauert.

Muster-gültig

Nur einer war schon damals genau in solchen Sachen. Enzinger erinnert sich an einen Saiten-Hieb. „Bei meinem ersten Daviscup-Auftritt 1990 in Barcelona habe ich 15 Schläger für Thomas Musters Match fertig gehabt. Dann kam Tom, tüftelte ein wenig und ich musste alle neu bespannen.“ Muster nahm es ganz genau. Auch in Zeiten, in denen das Material nicht die Bedeutung hatte wie heute. Einem anderen war’s egal. „Der Skoff Horsti war einmal mit seinem Material unzufrieden, marschierte einfach in ein Kaufhaus und kaufte sich einen Schläger.“ Und wer hat tatsächlich die meisten Schläger zertrümmert? „Das war der Dani Köllerer. Obwohl er nur einmal dabei war.“ Nachsatz: „Oder Gott sei Dank.“

Ein Hauch von alten Zeiten? Wenn er an Vancouver 1992 denkt, muss er lachen. „Damals war die Halle, in der wir gespielt haben, acht Kilometer vom Hotel entfernt. Weil einer kurz nach Fahrtbeginn noch schnell pinkeln gehen wollte, ist der Shuttle einfach ohne ihn losgefahren. Skoff hatte vom langen Marsch mehr Blasen auf den Füßen als nach dem Training.“

Das Duell in den Niederlanden ist Enzingers 40. Daviscup-Einsatz. Und ist eher eine Liebelei. „Ich habe meinen Kundenstock rund um Wiener Neustadt, das ist meine größte Einnahmequelle. Gelegentlich flieg’ ich noch mit ein paar Spielern weg, bin aber lieber zu Haus’.“

Wunsch? „Ein Sieg. Und dass sich die Österreicher von und mit der besten Sa(e)ite zeigen.“

Jürgen Melzer wird heute in Niederlanden Rot-Weiß-Rote Tennisgeschichte schreiben. Der 32-jährige Niederösterreicher steht am Wochenende zum 28. Mal im österreichischen Daviscup-Team und ist damit alleiniger Rekordhalter. Bisher teilte er sich die Zahl 27 mit dem ehemaligen Doppel-Spezialisten Alexander Antonitsch. „Ich finde es toll, dass er alleine diesen Rekord hat, weil es zeigt, dass er immer für Österreich zur Verfügung gestanden ist“, lobt der Vorgänger in den österreichischen Tennis-Annalen. Und sollte Melzer beim Duell um den Klassenerhalt drei Mal (2 Einzel, Doppel) zum Einsatz kommen, würde er mit Matches Thomas Muster (63) überholen.

Für sein Team geht es heute im Daviscup um den Klassenerhalt in der Weltgruppe. Melzer darf in Groningen aber nicht für den Auftakt sorgen. Das macht heute ab 13 Uhr (live ORF Sport +) der Waldviertler Andreas Haider-Maurer, der in der Vorwoche mit einem Challenger-Titel in Rumänien Selbstvertrauen getankt hat. Der Ranglisten-97. trifft auf den zweifachen Kitzbühel-Sieger Robin Haase, die Nummer 62. Erst danach wird Melzer von Thiemo de Bakker gefordert. Keine Frage, wer Favorit ist: Melzer ist die Nummer 27, sein Gegner nicht Top 100.

Es geht nicht nur um sportliche Belange. „Wir bekommen drei Mal so viel vom Internationalen Tennisverband, wenn wir in der Weltgruppe bleiben“, sagt der neue ÖTV-Geschäftsführer Thomas Hammerl. „Ein Abstieg hätte demnach auch finanzielle Folgen.“

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