Die Reifeprüfung für Dominic Thiem

Dominic Thiem beim Aufschlag während eines Tennisspiels in Paris.
Der erst 20-Jährige steht beim Sand-Klassiker dem Achtfach-Champ Rafael Nadal gegenüber.

25 Journalisten drängen sich teilweise mit eingezogenen Köpfen auf gefühlten fünf Quadratmetern. Der kleine Interviewsaal auf der Anlage Roland Garros war genagelt voll. Ganz vorne sitzt kein Grand-Slam-Champ, sondern ein 20-jähriger Bursche aus Lichtenwörth (NÖ), der nur ein Erstrundenspiel gewonnen hat. Der Hype um Dominic Thiem, Österreichs Aufsteiger, ist groß. Und die deutschen Journalisten sagen: "Die Österreicher haben etwas, das wir auch gern hätten."

Klar, Thiem hat Zeit, viel Zeit, aber im Vergleich zu seinem Gegner am Donnerstag noch nichts erreicht. Denn Thiem ...

ist die Nummer 57 der Welt und war genau vor einem Jahr auf Rang 271.

hat in seiner Karriere 32 Spiele auf höchstem ATP-Niveau bestritten (16 Siege).

hat keinen Turniersieg.

hat insgesamt ein Preisgeld von 370.820 Dollar geholt.

hat als bestes French Open-Resultat das Finale bei den Junioren 2011.

hat als bestes Grand-Slam-Resultat zwei Mal 2. Runde stehen (Melbourne, Paris).

Aber: Thiem hat vor nicht einmal einem Monat mit Stanislas Wawrinka den bis dahin besten Spieler des Jahres besiegt. Und mit 20 noch viel Zeit, um weitere Stars auf die Abschussliste zu bekommen.

Weil er schlagtechnisch längst zu den Allerbesten gehört, um die Rückhand wird er beneidet.

Der Rekordchamp: Rafael Nadal

Er ist locker wie immer. Keine Frage, dass er wie immer auch zum zehnten Mal bei den French Open zu seinen Siegeschancen befragt wird. Freilich schaffe er es (muss er ja sagen), andere widersprechen. Zum ersten Mal. Robin Söderling war bislang der einzige Spieler, der Nadal in Paris besiegt hat (2009 im Achtelfinale). Der Schwede, der wegen Pfeiffer’schen Drüsenfiebers drei Jahre lang kein Match bestritten hat, sagt: "Heuer macht es Djokovic." ÖTV-Präsident Ronnie Leitgeb vermutet, dass es heuer auf jeden Fall einen anderen Sieger geben wird und gibt Thiem sogar eine Siegeschance im Zweitrundenduell. Aber Nadal ...

wurde am 7. Oktober 2013 zum dritten Mal Nummer eins.

hat 828 Spiele auf höchstem ATP-Niveau bestritten und 693 gewonnen.

hat 63 Turniersiege geholt.

hat ein Preisgeld von über 68 Millionen Dollar eingespielt.

hat acht Mal die French Open gewonnen, so oft wie kein Spieler ein Grand-Slam-Turnier.

hat insgesamt 13 Grand-Slam-Titel gewonnen und darüber hinaus vier Mal mit Spanien den Daviscup.

Nadal ist ohnehin ein Phänomen, er gewann mit nicht ganz 19 in Paris 2005 sein erstes Grand-Slam-Turnier, Roger Federer war bei seinem ersten von sieben Coups in Wimbledon (2003) fast 22, Novak Djokovic 2008 bei den Australian Open zumindest 20.

Freilich, die Zeiten, als Taktik-Genie Mats Wilander, Bum-Bum-Boris Becker oder Marathon-Grundlinienläufer Michael Chang Grand-Slam-Turniere mit 17 gewonnen haben, sind längst vorbei. Und deshalb zählt auch Nadal, der am 3. Juni 28 wird, noch lange nicht zum alten Eisen. Aber: Der Zweikampf mit Thiem wird dennoch auch ein bisschen zum Generationenduell. Schafft Thiem wirklich die Sensation?

Günter Bresnik hat’s geschafft. "Wenn ich nicht weiß, zu wem ich zuschauen geh, dann ist dies ein gutes Zeichen."

Bresnik hat zwei heiße Eisen im kühlen Paris: Neben Dominic Thiem, den er seit zwölf Jahren betreut, coacht der Niederösterreicher auch Ernests Gulbis. Ein Rohdiamant mit einem Hang zur Schlampigkeit. Seit Bresnik mit dem Letten arbeitet, geht es aufwärts: Mittlerweile ist er die Nummer 17 der Welt, gestern zog er nach einem 6:2-7:5-6:0-Erfolg über den Argentinier Facundo Bagnis in die dritte Runde ein.

Zu Thiems French-Open-Premiere stieß Bresnik erst im dritten Satz. "Der Gulbis zahlt mich, der Dominic ist mein Hobby", sagt Bresnik. Eines ist gewiss: "Die Trainingsgemeinschaft Thiem/ Gulbis bringt beiden Spielern enorm viel. Vor allem Dominic." Mit von der Partie sind zumeist auch Vater Wolfgang, Mentalcoach Michael Reinprecht und gelegentlich Fitness-Guru Sepp Resnik.

Günter Bresnik selbst hat noch andere Hoffnungen: "Dennis Novak ist ein Rohdiamant, noch nicht so weit wie Dominic, aber mit allen Anlagen" , sagt Bresnik über den wie Thiem 20-jährigen Niederösterreicher.

Auch hervorragende Anlagen hat der Tullner Lucas Miedler, der im Juni erst 18 wird und in der Südstadt unter dem neuen Headcoach Michiel Schapers trainiert. In Paris ist er Österreichs einziger Juniorenvertreter – da besteht noch Aufholbedarf.

Der 27-jährige Waldviertler Andreas Haider-Maurer schaffte es zumindest schon unter die Top 100 und steht nach seinem Erstrundensieg gegen den Deutschen Daniel Brands vor einer Rückkehr dorthin. Am Donnerstag ist der Kroate Ivo Karlovic der Gegner. "Alle beschweren sich über große Gegner, ich habe wirklich einen Riesen." Karlovic ist 2,08 Meter groß.

Österreich darf auch auf zahlreiche Doppel-Asse zählen. Alexander Peya, Philipp Oswald und Oliver Marach zogen am Mittwoch mit ihren jeweiligen Doppelpartnern in die 2. Runde ein. Julian Knowle scheiterte.

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