Historischer Griff nach Gold

Liu Jia hatte Tränen in den Augen. Die wird von allen zwar Susi genannt, aber automatisch auf „Heul-Susi“ zu schließen, wäre unpassend. Die 32-jährige Linzerin, geboren in Peking, hat im Tischtennis schon viel gewonnen und auch ein bisschen was verloren, ihre Emotionen aber bislang stets im Griff gehabt.
Aber am Samstag in Lissabon war es um Liu Jia dann geschehen. „Ich bin im Grunde genommen in meinem Herzen ein echter Team-Player. Im Einzel spielt man nur für sich, in der Mannschaft kämpft jeder für jeden. Dieses Gefühl ist einmalig, dann noch gemeinsam eine Medaille zu gewinnen, ist das Größte“, sagte sie. Mit zwei Siegen führte Österreichs Nummer eins das Damen-Team bei der EM zu einem ungefährdeten 3:1-Halbfinalerfolg gegen Polen. Am Sonntag (15 Uhr) geht es im Endspiel gegen Top-Favorit Deutschland um Gold.
Es wird ein historisches Finale werden. Denn erstmals überhaupt nimmt eine österreichische Damen-Auswahl daran teil. Bereits der Halbfinaleinzug am Freitag war geschichtsträchtig: Da Platz drei nicht ausgespielt wird, bedeutete er die erste rot-weiß-rote Damen-Medaille bei einer Team-EM. Damit fand auch eine stolze Serie für Österreichs Tischtennis eine Fortsetzung: Seit 1998 gab es bei 13 EM-Turnieren immer zumindest einen Podestplatz für Österreich.
Mit der Bronzemedaille zufrieden geben wollten sich Österreichs Damen aber offensichtlich nicht – sie starteten angriffslustig in das Halbfinale: Sofia Polcanova eröffnete mit einem ungefährdeten 3:0-Erfolg. In der wohl vorentscheidenden Partie in dem Duell mit den Polinnen siegte Liu Jia gegen Li Qian mit 3:2. Noch nie zuvor hatte die Einzel-Europameisterin aus dem Jahr 2005 gegen die Abwehrspezialistin gewinnen können. „Ich habe in den vergangenen sechs Monaten sehr viel mit chinesischen Abwehrspielerinnen trainieren können, das ist mir sehr zugute gekommen“, erklärte Liu Jia. Ihre aktuelle Hochform bestätigte die Froschberg-Spielerin auch im vierten Spiel, in dem sie Katarzyna Grzybowska beim 3:1 keine Chance ließ.
Damit war der historische Finaleinzug perfekt. Und für die Spielerinnen und ihre Freudentränen gab es kein Halten mehr.
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