Alarmstufe Rot: „Sport darf kein Bittsteller mehr sein“

Bewegung muss für die ganze Familie ein Thema sein
Wenn Hans Niessl spricht, schlägt er meistens Alarm. Und der Präsident von Sport Austria hat auch allen Grund dazu. Seit Jahren kämpft der ehemalige burgenländische Landeshauptmann darum, dass der Sport mehr Bedeutung im Lande erlangt. Alarmierend sind vor allem die Zustände der Jugend, insbesondere der Kinder. „Heute können viele nicht mehr schwimmen. Auch die einfachsten Purzelbäume gelingen nicht mehr.“
In der neuen Regierung ist der Sport einmal mehr ein Anhängsel – und zwar bei Vizekanzler Andreas Babler. Die Ideen sind nicht neu, die Niessl auf den Tisch legt. „Sport darf kein Bittsteller mehr sein, muss ein Dienstleister sein.“
KURIER Sport Talk mit Marcos Nader und Hans Niessl
Neu hingegen ist, dass sich nun mit Ex-Box-Champ Marcos Nader, der bei der Wiener Landtagswahl für die SPÖ kandidiert, einer den Forderungen anschloss, den das Thema Bewegung ebenso bewegt. Nader geht mit seinem Boxklub Bounce auch in Schulen, fünf sind es mittlerweile. „Im Regelunterrricht mit zwei bis drei Trainings in der Woche“, sagt Nader. „Die Kinder lernen beim Boxen Zusammenhalt und Disziplin. Und vor allem bewegen sie sich. Es ist traurig, dass das Thema Bewegung in unseren Schulen immer weniger Bedeutung hat“, sagt der 35-Jährige, der 2013 EU-Champ im Mittelgewicht war.
Was bringt die Bewegung?
Gesundheitsmotor
Mit der Bewegung baut man vor, ist ein wesentlicher Gesundheitsfaktor in der Gesellschaft“, sagt Niessl. Ein Faktor, der auch den Finanzminister entlastet. Der Sport bringt allein an 24,1 Milliarden Euro an Wertschöpfung und 357.000 Arbeitsplätze. „Hinzu kommen rund acht Milliarden Euro an Steuern und Abgaben sowie eine jährliche Entlastung des Gesundheitssystems um 530 Millionen Euro“, klärt Niessl auf. Und er nennt auch ein Beispiel. „In Schweden werden die Menschen nicht älter, aber sie sind zehn Jahre länger gesund. Und somit wird das Gesundheitsbudget entlastet.“
Infrastruktur
Die Hallensituation in Österreich ist eher bescheiden. Niessl und Nader fordert vehement den Ausbau der Infrastruktur, aber auch das sinnvolle Nutzen der bestehenden Stätten, wie Schulen. „Es kann nicht sein, dass die Turnsäle nicht aufgesperrt werden, weil der Schulwart gerade auf Urlaub ist. Hier könnte es ein System geben, dass man für einen gewissen Beitrag den Turnsaal oder Sportplätze auch abends benützen kann.“ So wie es bei der Leichtathletikanlage in Eisenstadt seit Jahren gut klappen würde. Die Forderung nach einer Infrastruktur-Milliarde ist freilich noch nicht vom Tisch.
Tägliche Turnstunde
Die Ausrollung der täglichen Bewegungseinheit läuft. „Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen“, sagt Niessl. Immer mehr Schulen würden darauf setzen. Dennoch hat die Turnstunde in vielen Schulen noch immer keine Bedeutung. „Weil oftmals auch die Lehrer nicht daran interessiert sind“, sagt Nader. „Wir arbeiten mit den Dachverbänden daran, dass geschulte Trainer in die Schulen gehen“, erzählt Niessl. Deren wären freilich noch zu wenig.
Integration und Gemeinschaft
Marcos Nader hat durch den Boxsport viele Jugendliche mit Migrationshintergrund kennengelernt. „Sie sind durch den Sport viel besser integriert worden. Sie müssen bei uns im Bounce auch Deutsch lernen, was den Prozess der Integration auch beschleunigt. Bei uns fragt bald keiner mehr, woher einer kommt.“ Nader nennt auch ein Beispiel. „Ich habe vor Kurzem im Kinderboxen 36 Kinder gehabt, davon waren 25 Kinder verschiedener Nationen. Sie trainieren gemeinsam, nachher gehen sie gemeinsam in den Park.“ Für Niessl gibt es auch gute Beispiele im Fußball. „Da gibt es Vereine, bei denen am Vormittag Deutsch gelernt und am Nachmittag trainiert wird.“
Immerhin gab es bereits ein gutes Gespräch mit Sport-Staatssekretärin Michaela Schmidt, wie Niessl betont. Demnächst sollen aber Sparmaßnahmen der Regierung verkündet werden. „Ich hoffe, dass dabei im Sport an den richtigen Schrauben gedreht wird“, sagt Niessl.
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