Ende der Schinderei für Caroline Weber

epa03354612 Caroline Weber of Austria performs her Individual all-around Qualification program with a ribbon during the London 2012 Olympic Games Rhythmic Gymnastics competition, London, Britain, 10 August 2012. EPA/SERGEI ILNITSKY
Die Vorarlbergerin beendet bei der EM der Rhythmischen Gymnastik in Wien ihre Profikarriere.

So jetzt! Ein letztes Mal noch, dann ist es genug“, ruft Trainerin Luchia Egermann durch die Halle und lächelt ihrem erfahrendsten Schützling aufmunternd zu. In der Mitte der 13 mal 13 Meter großen Turnmatte hat Caroline Weber längst Position bezogen und wartet nur auf den Beginn der Musik. „Wiener Blut“ hat sie sich für ihre Bandübung ausgesucht. Mit spielerischer Leichtigkeit wirbelt Österreichs erfolgreichste rhythmische Gymnastin über das hellgraue Quadrat in der Westside Soccer Arena in Hütteldorf. Ständig verfolgt von der rot-weiß-roten Schleife, die ihre Kreise durch die aufgeheizte Hallenluft zieht.

Ende der Schinderei für Caroline Weber
Austria's Caroline Weber competes using the clubs in her individual all-around gymnastics qualification match at the Wembley Arena during the London 2012 Olympic Games August 10, 2012. REUTERS/Mike Blake (BRITAIN - Tags: SPORT OLYMPICS SPORT GYMNASTICS)
Die Heeressportlerin lächelt, während sie auf den Zehenspitzen des linken Beins steht und das rechte im 180-Grad-Winkel Richtung Decke streckt. Als wäre es die leichteste Übung der Welt.

„Heute waren es nur fünf Stunden Training“, sagt Caroline Weber, nachdem sie ihre Kür beendet hat. Sie ist außer Atem. „Das schaut nur so leicht aus, in Wirklichkeit ist das ja eine Kraftausdauer-Übung“, erzählt die Olympia-18. von London. Normalerweise trainiert die 55-fache Staatsmeisterin aus Vorarlberg sechs Stunden am Tag, 30 Stunden in der Woche. Allein das Aufwärmen dauert gute 60 Minuten. Nicht umsonst gilt die Rhythmische Gymnastik als eine der trainingsintensivsten Sportarten überhaupt.

Für Caroline Weber sind die Tage der Schinderei aber bald vorbei: Die EM, die am Freitag in Wien beginnt, wird ihr letzter Auftritt als Profisportlerin sein.

KURIER: Wehmut oder Vorfreude – welches Gefühl überwiegt beim Gedanken an die EM?
Caroline Weber:
Schwer zu sagen. Es ist schon komisch, wenn ich daran denke, dass das jetzt wirklich der letzte Wettkampf ist. Noch dazu in Österreich, das wird sehr intensiv werden. Da ist sehr viel Wehmut dabei. Aber ich freue mich auch auf das, was danach kommt.

Was kommt denn danach?
Langweilig wird mir sicher nicht. Seit Oktober mache ich eine Schauspielausbildung. Das Auf-der-Bühne-Stehen hat mich immer schon interessiert. Das wäre ein Traum für mich, wenn das klappen würde.

Sie tauschen also die Sportbühne gegen eine andere – gibt es etwas, das Sie aus Ihrer Profikarriere mitnehmen können?
Ja, schon. Die Aufführung vor Publikum ist ein großer Reiz für mich. Das ist auf jeden Fall etwas, das ich vom Sport kenne und mitnehme.

Am Freitag werden Sie, die „Grande Dame der Rhythmischen Gymnastik“, 27 Jahre alt. Spüren Sie im Sport, dass Sie keine 20 mehr sind?
Klar. Ich bin mit Abstand die Älteste. Es hat noch nie jemand in Österreich gegeben, der den Sport so lange gemacht hat wie ich. Seit ich 22 bin, spüre ich, dass ich beispielsweise mit der Dehnung ein bisschen mehr machen muss. Aber es gibt auch Vorteile: Die Routine ist viel besser, der Ausdruck und die Fraulichkeit. Je älter, desto reifer und besonderer werden die Übungen. Davor sind es viele Elemente, aber weniger Gefühl und Emotion – das kommt erst danach.

Mit 49 Kilo sind Sie wie alle Ihre Kolleginnen sehr zart. Birgt der Druck, dünn sein zu müssen, auch Gefahren, gerade für junge Mädchen?
Nein, ich glaube nicht. Training und Ballett formen den Körper ja von klein auf. Klar gibt es Gymnastinnen, die zu dünn sind, aber das will ja auch keiner sehen. Natürlich hat es im Sport Vorteile, wenn du leicht bist. Wenn ich zunehme, merke ich selber, dass das für die Gelenke eine unheimliche Belastung ist, wenn ich springe.

In London hat Sie die Bezeichnung als „Olympia-Tourist“ von Norbert Darabos getroffen. Gab es danach noch Kontakt mit dem Ex-Sportminister?
Nein, nur den offiziellen Brief, den er danach an alle Sportler geschrieben hat.

Was würden Sie sich denn von seinem Nachfolger Gerald Klug wünschen?
Bessere Trainingsbedingungen, die sind für viele Sportarten sehr schlecht. Wir trainieren in einer Halle, die eigentlich nicht hoch genug ist, um die Geräte zu werfen. Das gesamte Konzept des Leistungssports gehört in Österreich überdacht. In anderen Ländern erkennt der Staat das Potenzial, das darin liegt, auch als Motivation für die Bevölkerung. Bei uns haben die meisten gar keine Ahnung, was Leistungssport überhaupt ist und was man dafür tun muss. Dabei trete ich ja für Österreich an, ich vertrete alle Österreicher.

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