Auf Müllfang im Olympia-Revier

In einem Jahr beginnen die Sommerspiele in Rio, das größte Problem ist das verdreckte Segelrevier.

Roberto Carlos ist ein Mann, den die Frauen anhimmeln und der die Töne haucht wie Chris de Burgh. Einer, der den Riecher für Millionen hat. Da verwundert es nicht, dass der 74-jährige Barde seine 40-Meter-Jacht "Lady Laura" – benannt nach seiner verstorbenen Mutter – standesgemäß unterm Zuckerhut geparkt hat. In der Marina da Gloria, vor einer der schönsten Kulissen der Welt.

Eine weiße Yacht liegt vor der Küste von Rio de Janeiro vor Anker.
Rio
Einziges Problem, und da hilft der Geldriecher auch nicht weiter: "Lady Laura" schwimmt förmlich in der Scheiße, in einer der größten Kloaken der Welt, der 380 Quadratkilometer messenden Baia de Guanabara von Rio de Janeiro.

In der Bucht soll in ziemlich genau einem Jahr ein Teil der olympischen Segelwettbewerbe stattfinden und die Brasilianer versuchen verzweifelt, sie bis dahin von stinkenden Abwässern und Müllteppichen zu befreien. Hoffnungslos, sagen Experten. Mit kleinen Ökobooten kämpfen sie dennoch gegen den gröbsten Dreck an.

Aufsehen & Aussehen

Jeden Morgen ist der Strand von Flamengo ein einziger Sportplatz. Mütter quälen sich durch den sandigen Fitness-Parcours, Geschäftsleute drehen vor dem Arbeitsantritt ein paar Runden durch den angrenzenden Park, ein paar Rentner tricksen auf dem Fußballplatz. Aussehen ist wichtig in Rio de Janeiro, einer Stadt, in der man vor dem atemberaubenden Panorama des Zuckerhuts gerne zeigt, was man hat.

Zwei Männer bedienen ein grünes Boot, das Müll aus dem Wasser fischt.
Rio
Für die Männer von den Müllschiffen der Guanabara-Bucht ist es Alltag. Sie dösen an der Pier ein wenig im Schatten, denn gleich geht es wieder raus auf Müllfang. Drei Schiffchen – sie nennen sie "Ecoboats" – patroullieren seit Januar in der Bucht, die von Abwässern und Müll von neun Millionen Menschen aus mehr als 50 Zuflüssen verschmutzt wird.

35 Tonnen pro Monat

"Der Dreck kommt hauptsächlich von den Favelas. Aber auch durch die chemische Industrie wird die Bucht belastet", erklärt Leandro Grecco vom bundesstaatlichen "Baia sem lixo"-Projekt. "35 Tonnen fischen wir durchschnittlich im Monat raus", sagt Grecco.

Noch schlimmer als der Müll sind die Abwässer: 70 Prozent gelangen derzeit ungeklärt in die Bucht. Und das riecht man. Überall in der Marina, die nach einem 18 Millionen Euro teuren Umbau die Basis der Olympia-Segler werden soll, liegt der wenig charmante Geruch eines Klärwerks in der Luft.

Kapitän Ayrton lässt den Außenborder an und legt ab. Vor ihm am Steuerrad klebt ein kleiner Plastikhai. Was sie sonst so finden, hat weniger Charme: Gasflaschen, Sofas, tote Katzen und Hunde, Autoreifen, Schaufensterpuppen, Plastik und Dosen ohne Ende. "Es sind manchmal ganze Müllteppiche, die wir mit der Hilfe von GPS oder aus dem Helikopter orten", sagt Grecco, während Ayrton die Müllschaufel unter Wasser lässt. 50 Zentimeter tief fischen sie hier nach Müll.

Bis Olympia sollen zehn Ökoboote unterm Zuckerhut kreisen, darüber hinaus gibt es an den schlimmsten Känalen zur Bucht Barrieren, die einiges an Unrat aufhalten sollen. "Diese Kanäle sind schlichtweg tot", sagt der brasilianische Biologe Mario Moscatelli und Grecco ergänzt: "Es fehlt einem Großteil der brasilianischen Bevölkerung einfach am Umweltbewusstsein. Und es fehlt natürlich auch an Klärwerken."

In der Marina sollen nun bis Jahresende welche gebaut werden, um damit den schlimmsten Kloakengeruch in den Griff zu bekommen. Rio will sich auf keinen Fall vor den Seglern aus aller Welt, geplant sind 400 Liegeplätze im Wasser und 200 an Land, und vor bis zu 10.000 Zuschauern blamieren. Mehrere Sportler, die das Revier bereits getestet haben, vermeldeten Karambolagen mit Sperrmüll und toten Tieren. Dabei hat der Bundesstaat in den letzten 20 Jahren drei Milliarden Euro in die Sanierung der Bucht gesteckt.

Hepatitis & Durchfall

"Ecoboat 1" steuert auf den Strand von Flamengo zu. "Schauen Sie mal, an manchen Stellen kann man wunderbar schwimmen", sagt einer von der Bootsbesatzung. Und tatsächlich: Mehrere Kinder winken den Müllwerkern aus dem trüben Wasser zu. Und das, obwohl der bloße Körperkontakt damit Hepatitis, zumindest aber Durchfall auslösen kann.

An manchen Stellen wurden sogar tödliche Bakterien nachgewiesen. Den Delfinen in der Bucht scheint die braune Brühe jedenfalls nicht zu bekommen. Von einst 400 Exemplaren leben nur noch 37. "Liegt aber auch am Schiffsverkehr und den Geräuschen", meint Grecco.

Kapitän Ayrton liftet die Müllschaufel aus dem Wasser – das Ergebnis: Ein paar Stücke Treibholz, Dosen, Plastikflaschen und Styropor – nichts Weltbewegendes. An Land wird später alles in bereit stehende Tonnen sortiert. "Viel schlimmer ist es, wenn der Wind den Müll aus den Kanälen in die Bucht drückt", erklärt Mitarbeiter Grecco und betrachtet den mageren Fang mit einer gewissen Erleichterung.

"Keine Sorge!"

Dennoch: Rios Bürgermeister Eduardo Paes hat garantiert, dass einige der Segelwettbewerbe wie geplant in der Bucht stattfinden und nicht komplett auf offene See verlegt werden. Rio 2016 soll schließlich auch Bilder liefern. Und schöner als weiße Segel unterm Zuckerhut geht es kaum. "Allerdings wird es bis dahin nicht gelingen, 80 Prozent der Abwässer zu reinigen. Wir werden nur 60 Prozent erreichen", sagt Paes. Dort, wo die Segel-Regatten stattfinden gebe es aber überhaupt keine Probleme. "Machen Sie sich keine Sorgen", versichert er. Schon im August sollen neue Tests in der Bucht die Tauglichkeit beweisen.

Was mit "Lady Laura" während der Olympischen Spiele passiert, ist noch unklar. Ein bisschen sauberes Wasser unterm Kiel wären ihr und ihrem vermögenden Besitzer aber zu wünschen.

306 Bewerbe in 28 Sportarten: Die 31. Olympischen Spiele finden von 5. bis 21. August im Großraum von Rio de Janeiro statt. Die brasilianische Metropole ist die erste südamerikanische Stadt, die Gastgeber der größten Sportveranstaltung der Welt ist. In 28 Sportarten finden 306 Bewerbe statt, im Gegensatz zu 2012 sind neu dabei Golf und Rugby. Die Sportstätten befinden sich in vier Bereichen in Rio.

Maracanã: Leichtathletik, Fußball, Wasserball, Volleyball, Bogenschießen, sowie Eröffnungs-und Schlusszeremonie. Deodoro: Fünfkampf, Reiten, Rugby, Hockey, Basketball, Schießen, BMX, Kanu, Mountainbike. Barra: Rad, Golf, Basketball, Handball, Judo, Boxen, Taekwondo, Fechten, Ringen, Badminton, Schwimmen, Turnen, Gewichtheben, Tennis, Tischtennis, Synchronschwimmen, Wasserspringen. Copacabana: Beachvolleyball, Open Water, Rad, Rudern, Kanu, Segeln, Triathlon.

Österreichs Team: 2008 und 2012 umfasste das ÖOC-Team jeweils 70 Athleten, für Rio sind derzeit zwanzig qualifiziert.

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