Para-Gleiter Ameseder: König der Lüfte

Para-Gleiter Ameseder: König der Lüfte
Gerald Ameseder ist Österreichs erfolgreichster Gleitschirm-Streckenpilot. Heuer holte er zum ersten Mal den Gesamtweltcup.

Ausschlafen kann Gerald Ameseder selten. Schon gar nicht ausgedehnt frühstücken. Zumindest nicht an den Tagen, an denen er seinem liebsten Hobby nachgehen will: dem Gleitschirmflug. Zwei Mal hat der Tiroler bereits den Staatsmeistertitel gewonnen, heuer folgte zum ersten Mal der Weltcupsieg.

Sobald die Sonne aufgegangen ist, macht sich der zweifache Familienvater auf den Weg. Auch zum Mittagessen wird er nicht zu Hause in Lienz sein. Ein Müsliriegel zwischendurch, das muss reichen.

Ein letzter Blick Richtung Gleitschirm, eine letzter Kontrollgriff am Gurtzeug, dann verabschiedet sich der österreichische Überflieger für zehn Stunden vom festen Boden unter seinen Füßen.

Im Aufwind

So lange es das Tageslicht zulässt, macht Ameseder mit seinem bunten, sichelförmigen Schirm den Vögeln am Himmel Konkurrenz. In einer Höhe von 1000 bis 4000 Metern schwebt er dahin, bewegt sich von Aufwind zu Aufwind und passiert die vorgegebenen Kontrollpunkte.

Im Unterschied zu anderen Streckenflug-Bewerben, wie den X-Alps von RedBull, muss bei der FAI-Wertung nicht eine gewisse Distanz möglichst schnell bewältigt, sondern ein annähernd gleichschenkliges Dreieck geflogen werden. "Das ist die Königsklasse im Streckenflug", sagt Ameseder, der genauso aussieht, wie man sich einen Tiroler Naturburschen eben vorstellt: sonnengebräunt, durchtrainiert, optimistisch.

Höhenflug

Bereits vor dieser Saison hatte der Tiroler alles gewonnen, was es in Österreich zu gewinnen gab: Zwei Mal den Staatsmeistertitel, vier Mal die Teamwertung. Nur der Gesamtweltcup fehlte noch - bis jetzt. Mit sechs Flügen über 200 Kilometer konnte Ameseder den internationalen Titel 2011 zum ersten Mal nach Österreich holen. "15.000 haben weltweit teilgenommen. Da bin ich schon stolz darauf, dass ich gewonnen habe", sagt der Sportler, der heuer bereits 250 Stunden in der Luft verbracht hat.

"Mein längster Flug hat zehn Stunden und 45 Minuten gedauert", erzählt der Lienzer in alpinem Dialekt. Wird einem da nicht langweilig, wenn man so vor sich hin schwebt? Oder genießt man einfach das schöne Panorama? - "Ganz im Gegenteil. Man muss durchgehend voll konzentriert sein. Das ist es, was den Sport so spannend macht", sagt Ameseder, der es mit Mountainbiken und Marathonlauf versucht hatte, bevor er 2003 den Gleitschirm-Streckenflug für sich entdeckte. "Es gibt einfach keine vergleichbare Herausforderung."

Gerade nach fünf, sechs Stunden geht es in die kritische Phase. "Wenn ich beginne, über Belangloses nachzudenken, zum Beispiel, welche Biersorten ich gerne trinke oder was es morgen zu Essen gibt, dann wird es gefährlich." Die Lösung: Ein gepflegtes Selbstgespräch in luftiger Höhe. "Damit versuche ich mich wieder zu fokussieren."

Natürliche Feinde

Mit 265 geflogenen Kilometern war Ameseder dem Flieger-Himmel heuer so nah wie wenige vor ihm: Nur ganz knapp verpasst er den FAI-Weltrekord von 266 Kilometern. Gestartet im italienischen Antholzertal ging es über das Defereggental zum Großglockner, retour zum Stubaier Gletscher und über den letzten Dreiecks-Schenkel zur Marmolada, dem höchsten Berg der Dolomiten.

"Leider hat es, kurz bevor ich dorthin kam, geregnet und die tief hängenden Wolken haben mir den Weg versperrt", erzählt der Meisterflieger, der sich selbst nicht für besonders mutig hält. "Wenn man sich an die Gesetze der Natur hält, ist der Gleitschirmsport relativ sicher. Es braucht einfach Erfahrung und viel Zeit in der Luft."

Wenn Ameseder sich nicht am Himmel von Aufwind zu Aufwind dahinhangelt, arbeitet er als Erlebnis- und Sozialpädagoge im SOS-Kinderdorf nahe Lienz. Nicht nur, weil der Randsport Gleitschirmfliegen nicht genug abwerfen würde, sondern weil der Tiroler sein Hobby gar nicht zum Beruf machen möchte. "Es ist viel entspannter, wenn man nicht gewinnen muss", sagt der, der jetzt alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt.

Wirklich alles? - "Naja, den Weltrekord zu knacken, wäre schon noch schön."

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

Kommentare