Olympischer Traum mit Zukunft

Also gut, der grüne Spargel mit Käserieb und Olivenöl schmeckt ein wenig nach nix, und die Nudeln mit Frühlingssugo und Brotkrümeln hat der Meister auch schon spannender komponiert – aber wenn rundum alles Work in progress ist, muss es auch in Jamie Olivers neuestem Gourmettempel noch nicht perfekt laufen.
Im Prada-Shop ums Eck ist dafür zwar alles auf Hochglanz, aber dafür fehlen die Kunden. "Die kommen schon", sagt der (noch) einzige Verkäufer gelassen – vielleicht nicht die sieben Millionen, die sich die Westfield Stratford City, nach Eigendefinition Europas größte Shopping-Mall, auf Plakaten selbst verspricht, "aber es werden genug sein".
Ja, auch Olympiasieger werden hier ihr Gold versilbern und sich belohnen. Denn Westfield, eine neue Welt aus Glas, Beton, Arkaden, Shops, Hotels und Restaurants, liegt genau zwischen der U-Bahnstation Stratford und dem neuen Olympic Park im ehemals düsteren East End. Noch wird gehämmert, ausgebessert und poliert. Aber in genau 45 Tagen, wenn die Olympischen Spiele 2012 eröffnen und danach die Paralympics stattfinden, wird auch hier die Hölle los sein.
Vorfreude
Der Countdown. Er ist überhaupt allgegenwärtig in London. Wie auf der Kreidetafel am Obststand neben der U-Bahnstation Hampstead, die alle Stunden neu gemalt wird. Ganz London, scheint’s, fiebert der Eröffnung der dritten Olympischen Spiele in der Themsestadt nach 1908 und 1948 entgegen.
Noch 45 Tage? Wer dieser Tage den Olympic Park besucht hat, will das nicht recht glauben. Auch hier stehen zwar die großen Gebäude wie das 80.000 Besucher fassende Olympia-Stadion, oder der rote "Orbit", das 115 Meter hohe Wahrzeichen der Spiele aus gewendeltem Stahl. Aber dazwischen rollen Heerscharen von Baggern und anderen Arbeitsgeräten und rattern Presslufthämmer, als wär’s eine olympische Disziplin; zwischen den Bauzäunen und Umleitungen bleibt jede Orientierung auf der Strecke (aber der Orientierungslauf ist ohnehin noch keine olympische Disziplin).
Dabei ist in der Tat beeindruckend, was hier auf 250 Hektar auf dem ehemaligen Brache-Land des früheren Ost-Londoner Industrieviertels in nicht einmal sechs Jahren aus dem Boden gestampft wurde. "Und 98 Prozent der vorgefundenen Materialien wurden gereinigt und wiederverwendet oder recycelt", erzählt David Stubbs, Chef der Nachhaltigkeitsabteilung im Organisationskomitee, während der Tour über das Gelände. Und ja, "klar werden wir fertig, es ist nur noch ein Klacks."
Wiederverwertung
"Nachhaltig" ist neben "langfristig" und "legacy" (Vermächtnis) überhaupt das am häufigsten verwendete Wort, wenn über die Spiele gesprochen wird. Megaprojekte just for fun, das geht im 21. Jahrhundert gar nicht mehr. Und so erzählt Stubbs, dass das Olympiastadion natürlich das "nachhaltigste" ist, das je gebaut wurde. Das beginnt bei dem es umspannenden weißen Rohgerüst – es waren in ihrem früheren Leben tatsächlich Rohre einer Gas-Pipeline, die ausgegraben, gereinigt, restauriert und architektonisch wieder verwendet wurden. Und es endet bei der Wiederverwendung des Stadions, das nach den Spielen teilweise abgebaut und für West Ham oder Tottenham als neue Heimstätte herhalten soll.
Die Schwimmhalle mit ihren beiden wie eine Welle geschwungenen Zuschauerflügeln wird um diese verkleinert und zu einem öffentlichen Bad – eine Seltenheit in der Millionenmetropole. Ein Bildungsinstitut und Büros werden aus dem Medienzentrum. Das Olympische Dorf mit Platz für mehr als 17.000 Athleten und Offizielle wird eine aus Sozialwohnungen bestehende Großsiedlung. Und das Radstadion mit seiner hölzernen Fassade andernorts wieder aufgebaut.
Auch Coca Cola, seit mehr als 100 Jahren einer der Hauptsponsoren der Olympischen Spiele, bewirbt die Nachhaltigkeit. Nicht nur, dass sich die Getränkefirma in die Pflicht nimmt, allen PET-Abfall in einer eigens errichteten Anlage zu recyclen (alleine 25 Millionen Flaschen wirft der Getränkegigant während der Veranstaltungen in London auf den Markt).
Gemeinsam mit der Stadt und den Organisatoren sollen die im Europa-Vergleich eher mülltrennungsfaulen Engländer – sie haben eine Recyclingquote von knapp 40 Prozent, während es etwa in Deutschland oder Österreich knapp 80 sind – überhaupt ein bisschen auf Trab gebracht werden: Das neue Mülltrennungssystem findet in der Stadt mit Hunderten aufgestellten Recycle-Boxen seine Anwendung – und sechs Wochen nach der Schlusszeremonie soll jede weggeworfene Flasche schon wieder eine neue sein, verspricht Coca Cola.
Optimismus
Alles gut also während und vor allem nach den Spielen, so lautet die Botschaft. Vielleicht ja auch das Essen bei Jamie, wo möglicherweise die eine oder andere der 302 zu vergebenden Goldmedaillen gefeiert werden wird. Nur wer danach die Shopping-Mall mit ihren 250 Geschäften von Prada bis Mulberry und 70 Gastronomiebetrieben füllen soll, das bleibt dem Besucher beim Blick auf das eher triste Umland ein nachhaltiges Rätsel.
Olympische Zahlen: Von 205 Hymnen und 17.320 Betten
3 Olympische Spiele wird London mit den im Juli beginnenden ausgetragen haben (nach 1908, 1948).
26 olympische Sportarten gelangen zur Austragung.
45 Tage sind es noch bis zur Eröffnung der Spiele am 27. Juli 2012.
115 Meter hoch ist der "Orbit", das rote Wahrzeichen im Olympiapark.
205 Nationalhymnen hat das London Philharmonic Orchestra eingespielt, auf dass sie bei der Medaillenvergabe abgespielt werden können.
250 Hektar groß (2,5 Quadratkilometer) ist das neue Olympiagelände in Ost-London.
302 Goldmedaillen werden bei Olympia in London vergeben.
4000 Bäume wurden auf dem Olympiagelände und im Dorf gepflanzt.
8000 Läufer tragen die olympische Fackel (Spitzname ob ihres Designs: Goldene Käseraspel).
14.500 Athleten reisen zu den Spielen nach London an.
17.320 Betten stehen im olympischen Dorf.
20.000 Medienleute berichten.
80.000 Zuschauer fasst das neue Olympiastadion in London.
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