Nibali fährt als Tour-Sieger in Paris ein

Radrennfahrer der Mannschaft Astana stoßen mit Sekt während eines Rennens an.
Schlussetappe an deutschen Sprint-Dominator Kittel. Eisel Sechster.

Die abschließende Etappe der 101. Tour de France ist für Vincenzo Nibali - wie es die Tradition vorsieht - zum Triumphzug geworden. Der in den vergangenen drei Wochen tonangebende Italiener fuhr am Sonntagabend erstmals als Gesamtsieger der Frankreich-Radrundfahrt über den Zielstrich auf den Champs-Elysees.

Der Tageserfolg in Paris ging wie im Vorjahr an den Deutschen Marcel Kittel, der sich seinen vierten Sieg bei der 101. Auflage sicherte. Der Steirer Bernhard Eisel sprintete am Schlusstag als Sechster zu seinem besten Ergebnis.

Der auf dem Schlussabschnitt zum ersten Mal komplett in gelb gekleidete Nibali gewann das weltweit bedeutendste Etappenrennen mit enormem Vorsprung. Der 29-jährige Sizilianer hatte des "maillot jaune" an 19 von 21 Renntagen getragen. Als erste Gratulantin wartete im Ziel seine Frau mit Töchterchen Emma auf dem Arm.

Der Astana-Profi hatte im Endklassement fast acht Minuten Guthaben auf den Franzosen Jean-Christophe Peraud (Ag2r). Der 37-jährige Ex-Mountainbiker (Olympia-Silber 2008) kam rund 40 km vor dem Ziel zu Sturz, nach einem Machtwort von Nibali an der Spitze des Feldes fand er aber bald wieder Anschluss. Neben Peraud stand mit Thibaut Pinot (FDJ) noch ein weiterer Franzose auf dem Siegespodest. Zwei Stockerlplätze für das Veranstalterland hat es zuletzt vor 30 Jahren gegeben. Den bis dato jüngsten hatte 1997 Richard Virenque geschafft.

Damals gewann der Jahre später wie viele andere seiner Zeitgenossen als Dopingsünder überführte Deutsche Jan Ullrich mehr als neun Minuten vor Virenque. In ähnlicher Art und Weise dominierte Nibali die diesjährige Ausgabe. Er feierte vier Etappensiege und trug nur nicht das Führungstrikot. Der Sizilianer ist der erste Tour-Sieger aus Italien seit 1998, als Marco Pantani in der dunklen EPO-Ära der Beste gewesen war.

Doping

Von Dopingschlagzeilen blieb die diesbezüglich leidgeprüfte Tour heuer aber verschont. So ruhig wie in der vergangenen drei Wochen ging es rund um das Dauerthema schon lange nicht mehr zu. Viele werten das nach langen Jahren mit schlechten Nachrichten - an der Spitze die Aberkennung aller sieben Siege von Lance Armstrong wegen systematischen Dopings - als gutes Zeichen. Mit dem Spanier Alejandro Valverde hatte aber auch diesmal ein einschlägig vorbelasteter Dopingsünder Nibali bis vor dem Schlusswochenende am meisten gefordert. Am Ende wurde Valverde Gesamt-Vierter.

Aus der jungen Garde gab nicht nur der 24-jährige Pinot, sondern auch Tejay van Garderen (USA/25 Jahre), der Franzose Romain Bardet (23) und der Tscheche Leopold König (26) auf den Rängen fünf bis sieben große Versprechen für die Zukunft ab. Auch das gepunktete Trikot des besten Bergfahrers ging mit dem 24-jährigen Polen Rafal Majka an einen Youngster. Das grüne Sprint-Trikot sicherte sich ohne Etappenerfolg der Slowake Peter Sagan.

Neben Nibali gab es mit den Deutschen Kittel und Tony Martin (Omega Pharma/2), Majka (Tinkoff-Saxo/2) und Alexander Kristoff (NOR/Katjuscha/2) noch vier weitere Mehrfach-Etappensieger. Die erfolgreichste Nation mit sieben Erfolgen war Deutschland.

Österreichs einzigen Teilnehmer Eisel beendete seine zehnte Tour nicht in den Top 100. Vor dem Schlusstag hatte er auch schon mit einem 15. Platz auf einer schweren Pyrenäen-Etappe aufgezeigt.

Der 33-Jährige hatte im Sky-Team aber vorwiegend Helferdienste zu leisten gehabt, die allerdings unbelohnt blieben. Der erfolgsverwöhnte Rennstall verlor zunächst Titelverteidiger Chris Froome durch einen Sturz und büßte bald danach auch Richie Porte wegen einer Krankheit als Spitzenplatzanwärter ein. Darüber hinaus gelang der Mannschaft kein Etappensieg.

Dass Vincenzo Nibali die Tour de France 2014 gewonnen hat, ist keine Überraschung, zumal seine schärfsten Rivalen Chris Froome und Alberto Contador wegen Sturzverletzungen frühzeitig aufgegeben hatten. Die Art und Weise wie Nibali die 101. Frankreich-Rundfahrt dominierte, war aber gleichermaßen unerwartet wie eindrucksvoll.

Der mit seiner Frau und der im Februar geborenen Tochter Emma im Schweizer Tessin lebende Sizilianer war auf jeglichem Terrain Herr der Lage. Der introvertierte 29-Jährige feierte vier Etappensiege und rückten mit dem souveränen Tour-Triumph in einen elitären Kreis auf. Er ist einer von sechs Radprofis, die alle drei großen Landesrundfahrten für sich entschieden haben. Zuletzt gelang das dem Spanier Contador (2007-2012), davor Nibalis Landsmann Felice Gimondi zwischen 1965 und 1976.

Der "Hai von Messina" genannte Nibali trug sich innerhalb von nur vier Jahren in die Siegerlisten der Tour, des Giro d'Italia (2013) und der Vuelta a Espana (2010) ein. Seit seinem Vuelta-Sieg war das Leichtgewicht (62 kg bei 1,79 m Größe) aber auch schon mehrfach auf weiteren Podien der sogenannten Grand Tours gestanden - zuletzt im Vorjahr als Zweiter bei der Spanien-Rundfahrt. Bei der Tour war er 2012 hinter Bradley Wiggins und Froome schon einmal Dritter.

Ein Radrennfahrer in gelbem Trikot trinkt während eines Rennens aus einem Glas.
epa04332731 Astana Procycling team rider Vincenzo Nibali of Italy the overall leader celebrates his overall victory with champagne as he cycles during the 21st and final stage of the 101st Tour de France 2014 cycling race, over 137,5 km from Evry to Paris, by the Champs-Elysees, in France, 27 July 2014. EPA/JEAN PAUL PELISSIER / POOL POOL

Heuer ließ der Titelverteidiger Nibali zum Leidwesen seiner italienischen Fans wie vor zwei Jahren den Giro aus. Und seine Konzentration auf die Tour sollte sich diesmal voll und ganz auszahlen. Der Heldenstatus bei den Tifosi ist ihm nun endgültig sicher, denn er ist der erste italienische Tour-Sieger seit 1998. Damals gewann Marco Pantani, der in der unsäglichen EPO-Ära einer der Besten gewesen war.

Die aktuelle Dominanz Nibalis - er gewann fast acht Minuten vor Jean-Christophe Peraud (FRA) und trug an 18 von 21 Tagen das Gelbe Trikot - weckte Erinnerungen an Lance Armstrong, dem lange nach seinem Karriereende alle sieben Tour-Titel wegen systematischen Dopings aberkannt wurden. Für Stirnrunzeln sorgte aber nicht nur Nibalis Riesenvorsprung, sondern auch sein Umfeld. Er fährt seit 2013 für den nicht unumstrittenen Astana-Rennstall, dem Ex-Dopingsünder Alexander Winokurow als Teamchef vorsteht. Mit Michele Scarponi ist auch einer seiner wichtigsten Helfer einschlägig vorbelastet.

Nibali selbst ist aber unbescholten. Angebliche Verbindungen zum Doping-Arzt Michele Ferrari wurden stets vehement dementiert. Während der Tour wiederholte er auf dementsprechende Fragen gebetsmühlenartig, dass er einer neuen Generation angehöre, die mit den dunklen Kapiteln abgeschlossen habe. Nicht zuletzt der Athleten-Blutpass sorge dafür, dass es fair zugeht, betonte Nibali.

Der neue Tour-Gewinner wuchs auf Sizilien auf. Den Sohn eines Greißler-Ehepaares zog aber schon mit 15 Jahren in die Toskana, um Radprofi zu werden. Nach ersten Erfolgen auf Nachwuchsebene stellten sich in der Elite schon 2006 die ersten Erfolge ein. Bis zu seinem endgültigen Durchbruch mit dem Vuelta-Sieg gewann er für sein damaliges Liquigas-Team unter anderem den Giro del Trentino (2008) und eine Etappe beim Giro d'Italia (2010).

Eine seine bittersten Niederlagen erlebte er im Vorjahr bei der Spanien-Rundfahrt, als er seine Spitzenposition am letzten Wochenende noch an Chris Horner verlor. Die Doppel-Belastung mit Giro und Vuelta sei einfach zu groß gewesen, so Nibali. Daraus zog er seine Lehren und legte sein Hauptaugenmerk heuer ausschließlich und mit durchschlagendem Erfolg auf die Tour.

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