Muster: "Ich wollte nur meine Ruhe haben"

Die French Open, die am nächsten Sonntag beginnen, wird Thomas Muster heuer erstmals seit Langem nicht besuchen. Aber an seinen Triumph in Paris 1995 erinnert sich der heute 46-Jährige noch immer gerne. Der wortgewaltige Steirer über schöne, aber stressige Zeiten und die gegenwärtige Situation.
KURIER: Erinnern Sie sich noch an die Stunden vor und nach dem Triumph?
Thomas Muster: Das war alles recht stressig. Unmittelbar nach meinem Finalsieg habe ich nach der Pressekonferenz alle Journalisten gebeten, mich eine Woche lang nicht anzurufen, ich wollte meine Ruhe haben beim Fischen. Alle haben sich daran gehalten. Aber heute teilen fast alle Spieler sowieso ihre Befindlichkeit über Twitter und Facebook mit. Ich hätte nur gepostet, wie ich mich übergebe.
Haben sich auch die Tage vor dem Finale gegen Michael Chang auf den Magen geschlagen?
Irrsinnig. Man wollte mir einen Bodyguard vor die Türe stellen. Ich wollte aber keinen Aufpasser haben und habe gesagt: "Ich bin seit zehn Jahren hier und hab’ so etwas noch nie gebraucht." Dann gab’s Probleme. Ich hab’ den Bodyguard weggeschickt. Das Problem war, dass dieser dunkelhäutig war. Dann hat es geheißen: Muster schickt einen Schwarzen weg. Ich wurde als Rassist bezeichnet, in meiner Gegenwart wurden sogar nationalsozialistische Lieder angestimmt. Dabei wollte ich nur meine Ruhe.
Das alles vor dem Finale gegen Chang. Haben Sie dennoch gut geschlafen?
Vorher schläft man nicht gut. Lustig war es davor ja auch. Ich bin mit Ronnie (sein damaliger Manager Leitgeb, Anm.) weg von der Anlage in die Stadt gefahren, weil ich vorher Abstand gewinnen wollte. Wir haben ein chinesisches Lokal besucht, von denen es in Paris wahrscheinlich 100.000 gibt. Wer ist drinnen gesessen? Der Chang. Ich hab’ spaßhalber zu Ronnie gesagt, wir sollten ihm etwas ins Essen geben ...
Sie haben auch auf fairem Weg gewonnen. Im Jahr darauf verloren Sie im Achtelfinale gegen Michael Stich. Ihre größte Enttäuschung bei den French Open?
Viel schlimmer war es 1990. Damals habe ich auch zu den Favoriten gezählt. Und mit Andres Gomez einen Semifinalgegner gehabt, der mehr als nur in meiner Reichweite war. Die Niederlage hat wehgetan.
Was hat sich in Paris seither verändert?
Das ganze Spiel, nicht nur in Roland Garros. Die Bälle sind langsamer. Wenn du Aufschlag-Volley spielst, fliegen dir die Bälle links und rechts um die Ohren. Die Bälle fliegen auch gerader, Lobs oder extreme Top-Spins, wie ich sie gespielt habe, sind kaum noch möglich. Ich sage: Legt wieder schnellere Beläge auf. Dann wird auch das Spiel variantenreicher und schöner. Egal, auf welchem Belag.
Welche Chancen haben die Österreicher in Paris?
Lasst Dominic Thiem in Ruhe arbeiten. Ich halte nichts davon, einen Spieler in den Himmel zu heben. Auf Platz eins fehlen ihm 12.000 Punkte, 800 hat er. Sein größtes Potenzial sind seine Schwächen. Wenn er die in den Griff bekommt, kann es ganz weit gehen. Er hat ein gutes Umfeld und arbeitet seriös. Jürgen Melzer hat ein halbes Jahr pausiert. Eine Regel sagt, dass du dann drei Mal so lange brauchst, um wieder ganz der Alte zu sein. Da ist er trotz seiner bald 33 Jahre auf einem sehr guten Weg.
Spielen Sie selbst noch?
Einmal seit dem endgültigen Rücktritt vor zweieinhalb Jahren. Die Folge war eine Knieoperation. Ich lasse es lieber.
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