Härtetest in Malaysia

Schon das Layout der Strecke belastet die V8-Motoren mehr als gewöhnlich, 59 Prozent werden mit Vollgas gefahren. "Die enorm hohe Luftfeuchtigkeit ist ein Charakteristikum in Sepang", sagt Remi Taffin, der Motorenchef von Renault. "Selbst wenn es nicht regnet, verdrängt der hohe Wasseranteil in der Luft den Sauerstoff und verlangsamt den Verbrennungsprozess in den Zylindern. Das kostet Leistung."
Atemnot

Kurz vor dem Start hat dann jeder seinen eigenen Trick, um sich noch etwas Kühlung vor der knapp zweistündigen Fahrt durch die Tropensauna zu verschaffen. Trockeneis in den Handschuhen und Kühlwesten helfen für ein paar Minuten. Der deutsche Force-India-Fahrer Nico Hülkenberg lässt ein nasses Unterleiberl im Gefrierschrank vereisen und zieht es kurz vor der Abfahrt an. Denn jedes Grad zählt.

Deshalb lag bei den meisten Teams der Fokus am Freitag auf vollen Tanks und Longruns, um das Rennverhalten der Pneus bei 33 Grad Luft-und über 40 Grad Asphalttemperatur zu simulieren. Die große Erkenntnis selbst im vergleichsweise kühlen Melbourne war gewesen, dass man wegen der stark abbauenden Reifen vor allem für den Rennsonntag und weniger für den am Samstag ausgefahrenen Platz in der Startaufstellung zu arbeiten hat.
Regen
Das taten die Teams am Freitag vor dem härtesten Saisonrennen auf dem 5,343 Kilometer langen Sepang International Circuit, auf dem am Sonntag (9.00 Uhr MEZ) im malaysischen Dschungel der zweite WM-Lauf des Jahres 2013 über die Bühne geht, ausführlich. 40 Minuten vor dem Ende der Nachmittagssession begann es zu Regnen, aber auch da gehörte Räikkönen zu den Schnellsten. "Das war ein ziemlich guter Tag", sagte der Finne.
Wie Räikkönen blieb auch Fernando Alonso, der am Sonntag zum 200. mal an einem Grand Prix teilnimmt, locker. In Sepang hat er seine erste Pole und sein erstes Podium geholt, Sonntag kann er sich zum ersten Vierfachsieger in Malysia machen.
Den Red-Bull-Fahrern gehen die neuen Pirelli-Reifen hingegen offenbar schon sehr auf die Nerven. "Das macht keinen Spaß. Wir können wegen der Reifen das Potenzial des Autos nicht ausschöpfen", ärgerte sich Dreifach-Champion Vettel über das Reifenschlamassel und klagte am Funk über starke Vibrationen an seinem RB9.
"Reifen, Reifen, Reifen, Reifen, Reifen"

Toto Wolff sah die Situation nach den Plätzen sieben und neun für Nico Rosberg bzw. Lewis Hamilton nicht unkritisch. "Wir hatten viel Benzin an Bord und gute Longruns. Am Ende waren die Reifen aber bis auf die Karkasse abgefahren", berichtete der Wiener.
Pirelli ist freilich nicht der Meinung, dass man etwas zu viel Weichspüler beim neuen Gummi erwischt hat. "Die Aufregung wird sich wie im Vorjahr nach einigen Rennen legen", ist Motorsportchef Paul Hembery überzeugt.
Nur die Plätze elf und zwölf gab es für die McLaren-Piloten Sergio Perez und Jenson Button. McLaren wies aber Vermutungen zurück, wonach man in China und Bahrain wieder auf das 2012er-Auto zurückwechseln könnte, um den schwächelnden, neuen MP4-28 zuhause in der Fabrik auf Vordermann zu bringen. "Alle unsere Energien liegen weiter auf dem A28", bekräftigte Sportdirektor Sam Michael.
Die Personal-Umstrukturierungen beim Mercedes-Formel-1-Team gehen weiter. So wird der neue Motorsportdirektor Toto Wolff aus Österreich bei Mercedes GP ab April auch das Tätigkeitsfeld des englischen Geschäftsführers (CEO) Nicholas "Nick" Fry übernehmen und trägt damit nun auch formal die Gesamtverantwortung. Der 56-jährige Fry wird dem Team aber bis mindestens Ende 2014 als Berater erhalten bleiben.

Wolff wird sich nach dem am Freitag verkündeten Formalakt nun verstärkt auch um die kommerziellen Angelegenheiten des Teams kümmern. Ursprünglich wollte sich der Wiener mit weiteren Umstrukturierungen länger Zeit lassen.
Entmachtung
"Nick war als CEO verantwortlich für das Gesamtunternehmen. In meiner neuen Rolle als Mitgesellschafter übernehme ich die Gesamtverantwortung", bestätigte Wolff in Sepang. "Das ist eine Rolle, die ich ohnehin von Anfang an innehatte", erklärte der Wiener. "Jetzt ist sie halt strukturierter."

Fry soll aber auch sehr gute Kontakte in den englischen Fußball haben. Wolff formulierte den Verbleib von Fry so: "Nick ist seit elf Jahren in der Formel 1 und jemanden mit so viel Know-how und Erfahrung hat man gerne dabei."
Vor sechs Monaten war mit dem Engagement von Ex-Weltmeister Lewis Hamilton die Personalrochade beim kriselnden Mercedes-Team losgegangen. Ein Engagement, das auch Formel-1-Boss Bernie Ecclestone höchstpersönlich angeschoben hatte. Damit war auch das Ende von Rekord-Weltmeister Michael Schumacher als Silberpfeil-Pilot besiegelt gewesen.
Zweite Teamchefin?
Dann kam Lauda, am Jahresbeginn statt Norbert Haug als neuer Motorsportchef auch Wolff, der bis zuletzt als Teilhaber des Williams-Teams bereits eine wichtige Rolle in der Formel 1 gespielt hatte. Vermutungen, wonach bei Mercedes auch die Tage von Teamchef Brawn gezählt sind, tauchen immer wieder auf. Mit dem bei McLaren auf Eis gelegten Paddy Lowe steht zudem offensichtlich ein erfahrener Technikdirektor bei Mercedes ante portas.
Wolffs Hinwendung zu Mercedes hat beim Traditions-Team Williams einen Lücke gerissen und könnte dafür sorgen, dass es neben der Österreicherin Monisha Kaltenborn (Sauber) schon demnächst eine zweite weibliche Formel-1-Teamchefin gibt. Claire Williams, Tochter von Sir Frank Williams sowie der kürzlich verstorbenen Ginny Williams, soll den Posten offiziell übernehmen.
Die Williams-Familie war wegen des Todes von Lady Virginia nicht zum Saisonauftakt nach Australien gekommen. Technikchef Mike Coughlan hat nur so lange übernommen, "bis Claire zurück ist". Die 36-Jährige, derzeit Williams-Marketingchefin, hatte im Vorjahr ihren 70-jährigen, querschnittgelähmten Vater schon im Team-Vorstand abgelöst. Entwicklungsfahrerin bei Williams ist Wolffs Ehefrau Susie.
Die Formel-1-Nachzüglerteams Caterham und Marussia haben Fusionsgespräche abgebrochen. Das ist durch einen Bericht in der Londoner "Times" bekannt und am Rande des Malaysia-Grand-Prix in Sepang bestätigt worden. Offenbar hat die anhaltende Finanznot zu Überlegungen unter den beiden seit drei Jahren in der WM auftretenden, aber bisher ohne Punktgewinn gebliebenen Teams geführt.
Wie das spanische Team HRT waren Marussia (damals als Virgin) und Caterham (als Lotus Racing) 2010 in die Formel 1 gekommen. HRT, für das auch der Österreicher Christian Klien einige Rennen bestritt, hat aber nur bis 2012 durchgehalten. Die Gespräche zwischen den beiden nun in der WM um Rang zehn und damit das letzte Preisgeld kämpfenden Rivalen waren offenbar aus der Not geboren und von Marussia ausgegangen.
Die in England ansässigen "Russen" sind nicht nur das Team mit dem kleinsten Budget, sondern auch das einzige, das wegen des fehlenden Concorde Agreements keine Einzelvereinbarung mit Rechtehalter Bernie Ecclestone abgeschlossen hat.
"Solange wir Ferrari nicht verlieren"
Die Situation bei Caterham und Marussia hat die Diskussionen um die hohen Kosten in der globalen Formel 1 wieder aufflammen lassen. Viele vor allem mittelständige Teams befürworten eine Kostendeckelung, aber nicht einmal Ecclestone will das. Und schon kommen neue Kosten auf die WM-Teilnehmer zu. Alleine die Einführung des neuen V6-Turbomotors 2014 zwingt zum Bau eines komplett neuen Autos und sorgt für Mehrkosten von rund 30 Prozent.
In der Formel-1-WM treten 2013 nach dem Rückzug von HRT ohnehin nur noch elf statt wie zuletzt zwölf Teams an. Gibt noch ein weiteres auf, wären es nur noch zehn. Für Ecclestone wäre das aus logistischen Gründen aber ohnehin eine "ideale" Zahl. "Zumindest solange wir Ferrari nicht verlieren."
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