Vettel eilt in Richtung Titel Nummer vier

Das war's dann wohl in Sachen Formel-1-WM. Sebastian Vettel scheint der vierte Titeltriumph in Serie nach seinem souveränen Sieg in Monza sicher. Nur eine außergewöhnliche Serie an Pleiten, Pech und Pannen könnte den Durchmarsch des deutschen Red-Bull-Piloten noch stoppen. Vettel stieg aber verbal auf die Euphoriebremse: "Es ist nicht meine Art, so was zu sagen. Wenn man zu weit in die Ferne schaut, kann man das aktuell Schöne vielleicht nicht so genießen."
Indes resignieren selbst die Rivalen nach ihren teils heftigen Rückschlägen im Grand Prix von Italien. "Wir müssen bei der WM realistisch sein", forderte Fernando Alonso. "Wir haben nicht mehr viele Rennen und vielleicht nicht den Speed, um mehrere hintereinander gewinnen zu können und den Vorsprung von Vettel aufzuholen. Wir brauchen Glück und Ausfälle von Sebastian."
Statt im richtungweisenden Ferrari-Heimrennen im Königlichen Park eine erfolgsversprechende Aufholjagd starten zu können, büßte der Spanier weitere sieben Punkte auf Vettel ein, womit ihm sieben Rennen vor Schluss bereits 53 Zähler auf das "Sieg-Monster von Monza" (Bild) fehlen. Seinen zweiten Platz bezeichnete er nüchtern als "Maximum".
Abgehakt
Lewis Hamilton hakte seine Chancen nach dem frustrierenden neunten Platz ab. "Das war's", meinte der Mercedes-Mann angesichts von nun 81 Punkten Rückstand. Er wolle aber versuchen, noch möglichst oft zu gewinnen. Der gänzlich leer ausgegangene Kimi Räikkönen hatte seine WM-Perspektiven schon vor dem elften Platz als minimal bezeichnet. Der finnische WM-Vierte weist 88 Zähler weniger als Vettel auf.
Für die internationalen Medien ist die WM-Entscheidung ebenfalls gefallen. "Vettel hat die Hand an der Weltmeisterschaft. Der perfekte Sebastian vernichtet den Traum von Alonso", titelte La Gazzetta dello Sport. Der Corriere dello Sport schrieb: "Alonso verabschiedet vom Podium aus die Weltmeisterschaft. Vettel von einem anderen Planeten." Und in Alonsos spanischer Heimat urteilte El Periodico über den WM-Spitzenreiter: "Der Deutsche bricht Rekorde wie dereinst sein Idol Michael Schumacher."
Understatement
Vettel fährt in der Titelfrage trotzdem weiter einen defensiven Kurs. Ehe rechnerisch nicht alles klar ist, will er davon auch nicht abweichen. Das betonte er in Monza mehrfach. Nach seinem für Alonso und Ferrari gleich doppelt schmerzhaften Coup räumte der 26-jährige Deutsche aber immerhin ein: "Wir sind in einer guten Position."
Das ist untertrieben: Mit 222 Punkten liegt Vettel nach dem Europa-Finale klar an der Spitze. "Im Vergleich zum Vorjahr, wo wir hier nach einem Totalausfall 44 Punkte zurück waren, ist das schon eine Beruhigung", befand Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko. "Aber keinesfalls eine WM-Vorentscheidung oder Garantie."
Doch selbst wenn der Spanier sämtliche sieben Überseerennen gewinnen sollte, würden dem Deutschen jeweils zweite Plätze zur erfolgreichen Titelverteidigung reichen. Dass Alonso eine solche Serie glückt, ist angesichts des Kräfteverhältnisses unwahrscheinlich - zumal Vettel in Asien in den vergangenen drei Jahre immer groß auftrumpfte.
Enttäuschung bei der Scuderia
In Italien hatten die "Roten" fest mit einem Sieg und der Wende im WM-Rennen gerechnet. Deshalb war diese Niederlage für die "Scuderia" aus Maranello umso schmerzlicher. Wohl nur noch pflichtgemäß gab Alonso daher die Parole aus: "Wir versuchen es bis zum letzten Grand Prix."
Der Schock bei Ferrari war auch deshalb so gewaltig, weil der 5,793 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitskurs nicht als Red-Bull-Strecke gilt. Vettel verriet denn auch genüsslich, ihr Technischer Direktor Adrian Newey habe im Vorfeld gefordert, Schadensbegrenzung zu betreiben. "Das war eine nette Schadensbegrenzung", habe er Newey nach dem Sieg gesagt.
Ernst fügte Vettel dann hinzu: "Es war ein unglaublich starkes Wochenende, das konnte man nicht vorhersehen." Red-Bull-Teamchef Christian Horner schwärmte: "Eine fantastische Art, unseren 40. und Sebastians 32. Sieg zu erreichen. In Monza, einem der historischsten Rennen, zu gewinnen und Platz drei zu belegen, beweist unsere starke Leistung."
Die Fahrt von Sebastian Vettel zum Sieg in Monza steht sinnbildlich für den Verlauf der WM-Saison. Es war eine Solofahrt von der Poleposition, verfolgt vom aufopfernd kämpfenden, aber letztlich doch chancenlosen Ferrari-Mann Fernando Alonso. Der Spanier liegt nach Rang zwei beim Ferrari-Heimrennen mittlerweile bereits 53 Punkte hinter dem Deutschen – das entspricht mehr als zwei Siegen. Sollten sich die Kräfteverhältnisse in den verbleibenden sieben Rennen nicht gravierend ändern, wird Vettel seine vierte Weltmeisterschaft nicht mehr zu nehmen sein. Mit einem guten Gefühl startet Vettel in die Asien-Wochen der Formel 1 (ab 22. September in Singapur).
„Unsere Autos waren absolut fantastisch“, sagte der Sieger. Und doch gab es Probleme: „Ich bin am Start nicht gut weggekommen und habe dann einen Bremsplatten gehabt. Das war sehr unangenehm. Und in den letzten 15 Runden hatten wir Probleme mit dem Getriebe. Da ist mein Pulsschlag etwas höher geworden.“
Dennoch holte Vettel überlegen seinen dritten Erfolg in Monza nach seinem Premierensieg 2008 und dem Sieg 2011. Insgesamt gewann er sein 32. Formel-1-Rennen und zog damit in der ewigen Bestenliste mit Alonso gleich. Mehr Siege haben nur Michael Schumacher (91), Alain Prost (51) und Ayrton Senna (41).
Kämpferisch
Fernando Alonso musste sich nach Vettels frühem Boxenstopp mit ein paar Führungsrunden trösten – und mit der Zuneigung der Fans. Alonso wurde von den fanatischen Tifosi wie der Sieger gefeiert. „Das hier ist das beste Podium der gesamten Saison“, sagte er. „Leider habe ich es nicht geschafft, die Lücke zu Vettel zuzufahren.“ Größer wurde auch der Rückstand in der Weltmeisterschaft, doch aufgegeben hat der Spanier noch lange nicht: „Wir müssen weiterhin viel Risiko nehmen, denn wir sind in der WM nur Zweite.“ Und auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner warnte: „Es ist noch ein so langer Weg, es sind noch so viele Punkte zu vergeben. Wir dürfen nicht nachlassen.“
Doch die anderen Verfolger von Vettel verloren auf der schnellsten Rennstrecke der Formel 1 (Siegerschnitt 234,268 km/h) viel an Boden: Kimi Räikkönen blieb mit seinem Lotus als Elfter ohne Punkte, Mercedes-Mann Lewis Hamilton holte als Neunter gerade einmal zwei Zähler . „Ich habe einen Patschen gehabt und musste früh wechseln. Das Rennen ist zum Desaster geworden.“ Den WM-Titel hat er schon abgeschrieben: „Jetzt kann ich nur noch schauen, so viele Rennen wie möglich zu gewinnen.“
Lobeshymne
Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko freute die „eindrucksvolle Art und Weise“ des Sieges und auch die Leistung von Toro-Rosso-Mann Daniel Ricciardo, der auf Rang sechs fuhr: „Sensationelle Leistung. Er ist ein schnelles, konstantes Rennen gefahren. Wir wissen schon, was wir machen und warum wir ihn für Red Bull gewählt haben.“
Einen Achtungserfolg in einer schwierigen Phase gab es für das Schweizer Sauber-Team: Der Deutsche Nico Hülkenberg erreichte mit Rang fünf das mit Abstand beste Saisonresultat.
Endstand: | ||||
1. | Sebastian Vettel | GER | Red Bull | 18:33,4 |
2. | Fernando Alonso | ESP | Ferrari | 5,4 |
3. | Mark Webber | AUS | Red Bull | 6,3 |
4. | Felipe Massa | BRA | Ferrari | 9,3 |
5. | Nico Hülkenberg | GER | Sauber | 10,3 |
6. | Nico Rosberg | GER | Mercedes | 10,9 |
7. | Daniel Ricciardo | AUS | Toro Rosso | 32,3 |
8. | Romain Grosjean | FRA | Lotus | 33,1 |
9. | Lewis Hamilton | GBR | Mercedes | 33,5 |
10. | Jenson Button | GBR | McLaren | 38,3 |
11. | Kimi Räikkönen | FIN | Lotus | 38,6 |
12. | Sergio Perez | MEX | McLaren | 39,7 |
13. | Esteban Gutierrez | MEX | Sauber | 40,8 |
14. | Pastor Maldonado | VEN | Williams | 49 |
15. | Valtteri Bottas | FIN | Williams | 56,8 |
16. | Adrian Sutil | GER | Force India | eine Runde |
17. | Charles Pic | FRA | Caterham | eine Runde |
18. | Giedo van der Garde | NED | Caterham | eine Runde |
19. | Jules Bianchi | FRA | Marussia | eine Runde |
20. | Max Chilton | GBR | Marussia | eine Runde |

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