Melzer: "Da kamen Erinnerungen hoch"
Treffpunkt Players Lounge. Court Suzanne Lenglen. Auf diesem Platz feierte Jürgen Melzer 2010 mit dem Viertelfinalsieg über Novak Djokovic seinen größten Einzel-Erfolg. Blendend aufgelegt plaudert der 32-jährige Niederösterreicher vor seiner Montag-Partie gegen den Niederländer Sijsling über Siege, Niederlagen, Politik, Medien und die Jugend.
KURIER: Denken Sie noch oft an das Djokovic-Match?
Jürgen Melzer: Definitiv. Als ich mich mit Roger Federer auf dem Court Lenglen einspielte, da kamen die Erinnerungen hoch. Das war geil.
War es Ihr größter Erfolg?
Mein größter Erfolg war, als ich im April 2011 gleichzeitig Nummer acht im Einzel und Nummer sechs im Doppel war. Das haben nicht viele geschafft.
Und Ihre größte Enttäuschung?
Das war der Daviscup gegen Deutschland 2009, als ich die klare Führung gegen Kohlschreiber verspielt habe. Je wichtiger so ein Match ist, desto schmerzvoller ist so eine Niederlage.
Kann man daraus dennoch etwas mitnehmen?
Ja, dass man Niederlagen nicht mehr so nahe gehen lassen soll, sonst gehst du daran zugrunde. Aber das ist oft leichter gesagt als getan.
Verlieren Sie auch im Privatleben ungern?
Wenn ich gegen meinen Bruder Gerald (auch Tennisspieler, Anm.) auf der Playstation im Fußball verliere, wurmt mich das auch heute noch.
Ist der Druck groß? Immerhin sind Sie in
Österreich beinahe Solist im Einzel?
Klar. Man erwartet dann noch mehr von einem, aber auf der anderen Seite ehrt es mich immer wieder, für Österreich zu spielen. In der inoffiziellen Jahreswertung stehen Sie auf Platz 24 (offizielles Ranking: 37, Anm.). Und dennoch gab es viele Erstrundenniederlagen.
Warum diese Hochschaubahn?
Das ist ganz normal, und dadurch lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen. Die Dichte ist einfach viel größer als in den Jahren, in denen ich begonnen habe. In den Top 150 kann fast jeder jeden schlagen. Mir ist es recht, wenn ich bei ein paar Turnieren richtig Punkte mache, da stören Erstrundenniederlagen weniger. Aber klar, gerne verliere ich nicht.
Ihr Ex-Kollege
Stefan Koubek sagte einmal, dass er nach Niederlagen keine Zeitungen liest. Wie gehen Sie damit um?
Es wäre eine glatte Lüge, wenn ich behaupten würde, ich lese dann die Zeitungen nicht. Außerdem wird das ja einem zugetragen, was geschrieben wird. Es ist okay, ich bin froh, dass es bei uns Meinungsfreiheit gibt. Was verboten gehört, sind die anonymen Poster in den Foren. Das ist teilweise schlimm.
Ihr Vater war Bürgermeister von Deutsch-Wagram. Sind Sie ein politischer Mensch?
Eher weniger, freilich kommt man an den Tagesthemen nicht vorbei. Aber bei uns wird, wenn ich zuhause bin, am Mittagstisch nicht über Politik gesprochen. Dazu sind wir alle viel zu sehr sportbegeistert.
Haben Sie die Diskussion wegen der Aufhebung des Sportler-Erlasses mitbekommen?
Natürlich. Aber es ist wohl logisch, dass ich gegen die Aufhebung bin. Erstens muss ich einiges im Ausland versteuern, zweitens habe ich kaum 20 Jahre Zeit, um mit Spitzensport Geld zu verdienen.
Wenn Sie die Zeitung aufschlagen, was ärgert Sie?
Mir fällt auf, dass immer weniger recherchiert wird. Wenn ich drei, vier Zeitungen lese, merke ich, dass überall die gleichen Formulierungen stehen. Früher wurde mehr recherchiert, wurden mehr Kontakte gepflegt.
Sie sind 32 Jahre alt. Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Kaum als Tennisprofi. Ich werde diesem Sport aber erhalten bleiben, möchte eine Akademie gründen oder in einer bestehenden arbeiten.
Mit Jugendlichen also. Sie haben die Matura, würden Sie den Jungen heute auch empfehlen, die Schule fertig zu machen?
Das ist von Fall zu Fall verschieden. Aber es ist für die Jugendlichen prinzipiell gut, den Horizont zu erweitern. Ich kann heute fließend Englisch und Französisch. Heute geht es bei den Jugendlichen oft nur darum, welche Serien sie sich zuerst aufs
iPad runterladen. Das stimmt mich nachdenklich.
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