London als Finale von Rogges Olympia-Abenteuer

Ein älterer Mann mit Brille lächelt in die Kamera.
Der Empfang bei Queen Elisabeth war sogar für IOC-Präsident Jacques Rogge etwas Besonderes.

Der Chef-Olympier lieferte ein Set der London-Medaillen ab und nahm erfreut die guten Wünsche der Monarchin entgegen. Die Stippvisite im Königshaus war eine angenehme Verschnaufpause für den Belgier, der auch bei den sechsten und letzten Olympischen Spielen seiner Amtszeit ein dicht gedrängtes Programm hat.

Von Vorruhestand will Rogge nichts wissen - auch wenn die Atmosphäre vor dem Spektakel in der englischen Hauptstadt deutlich entspannter ist als vor vier Jahren bei den politisch brisanten und nervenaufreibenden Peking-Spielen. "Es stimmt schon. Das Klima ist anders hier, weniger Konfrontationen und weniger Spannungen, aber ich bin ein sehr pragmatischer und vorsichtiger Mensch und bin erst zufrieden, wenn einschließlich der Schlussfeier alles gut gelaufen ist", sagte Rogge der Nachrichtenagentur dpa.

Er freut sich bei der dritten Olympia-Auflage in London auf "großartige Spiele" und eine historische Premiere. Nach den erfolgreichen Verhandlungen mit Saudi-Arabien werden erstmals in der Olympia-Geschichte alle Mannschaften mit Frauen antreten. Die olympische Gleichberechtigung dürfte neben der Einführung der Olympischen Jugendspiele zu seinem wichtigsten Vermächtnis werden.

Ans Kürzertreten denkt Rogge auch mit 70 nicht. Knapp vierzehn Monate steht er noch an der Spitze des Internationalen Olympischen Komitees ( IOC), ehe im September 2013 in Buenos Aires sein Nachfolger gewählt wird - Zeit genug, einige Großprojekte abzuschließen. Rogge will die Modernisierung des olympischen Programms vorantreiben. Acht Sportarten (Baseball, Softball, Wakeboarding, Squash, Wushu, Rollerblading, Klettern und Karate) drängen 2013 auf die Aufnahme ins olympische Programm.

Auch den neuen Kodex der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) will der ehemalige Chirurg noch entscheidend mitgestalten. 2001 angetreten als resoluter Anti-Doping-Kämpfer, musste er ausgerechnet mit seiner Null-Toleranz-Politik eine empfindliche Niederlage einstecken. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) erklärte im Oktober 2011 die sogenannte Osaka-Regel für ungültig, die das IOC 2007 beschlossen hatte. Laut der Osaka-Regel wurden Athleten nach einer mehr als sechsmonatigen Dopingsperre von den darauffolgenden Olympischen Spielen - Sommer oder Winter - automatisch ausgeschlossen.

Diesen Rückschlag möchte Rogge unbedingt korrigieren. Besonders schwere Dopingvergehen wie EPO-Missbrauch oder Manipulation mit Steroiden sollen in Zukunft mit einer Sperre von vier statt bisher zwei Jahren bestraft werden. Durch die härteren Sanktionen wären Dopingsünder automatisch von den kommenden Olympischen Spielen ausgeschlossen - und Rogge hätte sein ursprüngliches Ziel doch noch erreicht. Die teils drastischen Verzögerungen bei wichtigen IOC-Entscheidungen stören ihn ohnehin schon lange. Deshalb schlägt er vor, künftig zwei Vollversammlungen pro Jahr abzuhalten und nicht nur eine: "Das würde Dinge beschleunigen."

Fünf Olympische Spiele (Salt Lake City 2002, Athen 2004, Turin 2006, Peking 2008, Vancouver 2010) hat Rogge bisher als IOC-Präsident mitgeprägt. London ist das feierliche Finale seines olympischen Abenteuers. Für Nostalgie sei kein Platz, "es gibt sehr viel zu tun". Die Schlussrunden seiner zwölfjährigen Amtszeit haben begonnen.

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