Auf der Suche nach dem WM-Fieber

Vor zehn Minuten hättet ihr hier sein sollen", sagt der Busfahrer. Der grauhaarige Herr mit der Schirmkappe sieht dabei recht amüsiert aus. "Dort ist Lindsey Vonn vorbeigegangen", sagt er und zeigt bei der offenen Bustür hinaus in Richtung der Stufen, die vom Busterminal zum Stadtzentrum in Vail hinunterführen. "Ich habe ihr meine Telefonnummer gegeben. Vielleicht ruft sie ja an." Jetzt muss er wirklich lachen und fährt lieber los.

Für diejenigen, die sich trotz Merchandising-Offensiven in Supermärkten und Fußgängerzonen noch nicht ganz sicher sind, was sie sich unter dieser Ski-WM vorstellen sollen, stellt die Wochenendausgabe der Vail Daily klar: "Die alpinen Ski-Weltmeisterschaften konzentrieren sich ausschließlich auf das Skifahren – kein Eistanz, Eishockey oder Biathlon." Damit sollten alle Unklarheiten beseitigt sein.
Willkommensgruß

Ob es noch recht ruhig sei? – "Nein, gar nicht", versichert Jean entschlossen, während sie die Akkreditierungen heraussucht. Sie ist eine von 500 Freiwilligen, die bei der WM im Einsatz sind. "Ich bin aus der Gegend hier und wollte einfach mithelfen", sagt die Mittfünfzigerin. Es klingt selbstverständlich.
Noch ist nicht alles bereit für die bevorstehenden Medaillenentscheidungen. Der Zielraum der WM-Strecke in Beaver Creek wird gerade fertig zusammengezimmert. An der gut 30 Meter hohen Stahlrohrkonstruktion wird gehämmert, an den Stiegen geschraubt, Kabel und Kartons werden durch die Gegend geschleppt. Und dennoch wirkt das Schnee-Treiben nicht hektisch – für ein obligatorisches "Hi, how are you?", bleibt immer Zeit. Selbst für einen, der gerade in zehn Metern Höhe im Stahlgerüst hängt. Freundlich ist er eben, der Amerikaner.
Auch im Zentrum von Vail macht sich die WM schon Tage vor dem ersten musikalischen Programmpunkt akustisch bemerkbar. An der sogenannten Championship Plaza, dort, wo am Montag die Eröffnung und ab Dienstag jeden Abend ein Gratiskonzert stattfinden werden, wächst gerade die Bühne zusammen. Sechs Arbeiter grübeln über ein rotes Werbebanner. Konkret: Zwei messen, und vier schauen zu – diese internationale Arbeitsteilung hat sich offenbar auch in den USA bewährt.
Freiluft-Chalet

Abseits der Baustellen scheint die WM-Stimmung noch nicht angekommen. Egal, ob mit Skiern, Snowboard oder Einkaufssackerln beladen – die Menschen, die durch die gepflasterten Straßen laufen, wirken irgendwie unbeeindruckt. Als ginge sie die Raserei auf Schnee und die Aufregung um Bestzeiten gar nichts an. Als wären sie stattdessen hier, um selbst zu sporteln – und das sind sie wahrscheinlich auch.
"Das ist noch die Ruhe vor dem Sturm", sagt die Dame im Colorado Ski Museum in Vail, das die Geschichte vom Holzski bis zu Olympia in Sotschi 2014 dokumentiert. "Die meisten Zuschauer werden erst am Sonntag anreisen. Da wird dann schon genug los sein."
Und mit Anbruch der Dunkelheit wird es dann doch noch ein bisschen amerikanisch-schrill: dann, wenn die Tannenbäume im Vail Valley in den Farben der US-Flagge erstrahlen.

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