Kokain, Alkohol und Morphium

Schon die Pioniere des Radsports haben eifrig leistungsteigernde Mittel genommen
Eine Fertigspritze Synepo 20 liegt neben der Verpackung.
Im Radsport wird gedopt, seit es den Radsport gibt. So wurde kurz nach ParisRouen im Jahr 1869 in der Presse diskutiert, welche Mittel die Leistung am effektivsten steigern, schreibt der niederländische Autor Benjo Maso in seinem Buch "Der Schweiß der Götter – Die Geschichte des Radsports".

Ende des 19. Jahrhunderts warben Firmen für ihre Produkte wie "L’Elexir de vitesse", die vermutlich auf der Basis von Kokain, Alkohol oder Morphium hergestellt waren. Rennfahrer prahlten damit, über die besten Schnellmacher zu verfügen. Der englische Manager Choppy Warburton bereitete seinen Zaubertrank während der Bahnrennen in aller Öffentlichkeit zu, um ihn unter dem Jubel des Publikums seinen Fahrern zu überreichen.

Selbstversorger

Zwei Radrennfahrer fahren ein Rennen auf einer Schotterstraße.
I12-20000505-FLORENCE, ITALY: The most famous photo showing the passing-over of a water bottle between Italian cyclists Gino Bartali (L) and Fausto Coppi, who were rivals, during a stage of the Tour de France of 1949, which was won by Coppi. The originally black and white photo was hand coloured and is part of the personal collection of Bartali. It created a controversy in Italy between supporters of Bartali and Coppi since 1949, because nobody ever said who was giving the water bottle and who was receiving it. Bartali died on Friday, 05 May 2000 in Ponte a Ema, near Florence, two months before his 86th birthday. Bartali won the 'Giro d'Italia' three times between 1934 and 1946 as well as in 1938 and 1948 the 'Tour de France'. Additionally he won the Classic 'Milano-San Remo' four times. EPA PHOTO/ANSA/HAND OUT
Im Jahr 1930 musste Henri Desgrange, der Organisator der Tour de France, noch klarstellen, dass die Organisation zwar für die medizinische Versorgung der Teilnehmer aufkommt, nicht jedoch für "stimulierende Mittel (...) und Doping."

Auch später machten die größten Stars der Szene kaum Geheimnisse um Doping. So sagte der zweifache Tour-Sieger Fausto Coppi (1949, 1952), dass er nur dann zu "la bomba" (Amphetaminen) greife, wenn es nötig sei – doch nötig sei es fast immer. Der in den 1960er-Jahren fast unschlagbare Jacques Anquetil gab zu, dass er selbst Doping gebrauche und dass nur Trottel und Lügner behaupten könnten, sie hielten es anders.

Der Gebrauch von stimulierenden Mitteln wurde jahrelang toleriert. Doch dann wurden die Dopingfälle so überdeutlich, dass sie nicht mehr übergangen werden konnten. 1965 sahen Millionen Fernsehzuschauer, wie während des Anstiegs zum Tourmalet die zwei französischen Favoriten glückselig lächelnd über die Straße irrten – und wenig später aufgeben mussten. 1967 starb Tom Simpson (Gb) beim berüchtigten Aufstieg am Mont Ventoux infolge eines Cocktails aus Amphetaminen und Alkohol. Doch jahrzehntelang hatte niemand Interesse daran, Dopingsünder zu entlarven, um nicht dem Sport zu schaden. Dopingfälle wurden vertuscht.

Wundermittel

Ein Mann mit Brille und grauem Anzug geht eine Treppe hinunter.
Der Name von Michele Ferrari steht inzwischen für Doping im Sport.
1990 wurde EPO auf die Dopingliste gesetzt. 1994 veröffentlichte La Repubblica ein Interview mit Michele Ferrari, dem Teamarzt vieler erfolgreicher italienischer Radfahrer. Ferrari erklärte, dass Produkte, die nicht nachgewiesen werden können, kein Doping seien. Außerdem fügte er hinzu, dass EPO nur dann gefährlich sei, wenn es falsch angewandt werde.

Das Interview sorgte für einen Skandal. Wie war es möglich, dass ein gebildeter Mensch wie Ferrari eine solche Dummheit beging? In Wahrheit allerdings machte der Italiener mit seinen Aussagen eiskalt kalkulierte Werbung in eigener Sache. Er wurde in der Folge als "Dottore EPO" bekannt und mit Anfragen von Radprofis überhäuft. Einer davon feierte danach das sensationellste Comeback der Sportgeschichte. Lance Armstrong.

Kommentare