Jukic nicht mehr im Olympia-Förderkader

Der österreichische Förder-Kader für die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro hat am Dienstag seine erste große Evaluierung erfahren. Am Tag nach einer stundenlangen Sitzung der Strategie-Kommission wurde die adaptierte Athleten-Liste am Mittwoch in Wien präsentiert. Im Medaillenkader gibt es je acht Auf- und Absteiger.
Schwimmer Dinko Jukic wurde nicht nur aus der höchsten Förderstufe gestrichen, der Olympia-Vierte über 200 m Delfin wurde vorläufig gänzlich aus der Unterstützung genommen. "Wie für jeden gilt auch für ihn: Wenn er die Leistungen erbringt und ihn der Verband für den Kader vorschlägt, dann gibt's einen Weg zurück", erklärte "Rio 2016"-Koordinator Peter Schröcksnadel und stellte auch klar, dass Jukic bisher 40.000 Euro persönliche Förderung erhalten habe.
Von bisherigen Medaillenkader-Athleten wurde auch der gebürtige deutsche Triathlet Thomas Springer aus der Förderung genommen. In den Kader Hope (Hoffnung) herabgestuft wurden die Peking-Olympia-Dritte Violetta Oblinger-Peters (Kanu, Wildwasser-Slalom), Hürdensprinterin Beate Schrott, die Schützinnen Stephanie Obermoser und Lisa Ungerank sowie Triathlet Luis Knabl. Beach-Volleyballerin Doris Schwaiger, die ihre Karriere beendet hat, wurde aus der Förderung genommen.
Barbara Hansel als ihre Nachfolgerin an der Seite von Stefanie Schwaiger wurde insofern Vertrauen geschenkt, als sie eine der acht Neu-Aufnahmen im Medaillenkader ist. Allerdings muss das Duo laut Informationen bei einer Pressekonferenz in Wien im Jahr 2015 gewisse Ergebnisse bringen, um in der Förderung zu bleiben. Gleiches gilt u.a. für den neu aufgenommenen, eingebürgerten Gewichtheber Sargis Martirosjan und Judoka Bernadette Graf.
Zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit
Vom Hope- in den Medaillenkader aufgestiegen sind die Segler David Bargehr/Lukas Mähr, vom Team-Kader kommen die Beach-Volleyballer Clemens Doppler/Alexander Horst, und vom Team Rot-Weiß-Rot so wie Hansel auch Schütze Andreas Scherhaufer. Victoria Max-Theurer ist auch neu in der obersten Kategorie, die Dressur-Reiterin verzichtet aber auf eine Unterstützung. Schröcksnadel: "Es wäre aber dumm, wenn sie eine Medaille macht, aber nicht im Kader ist."
Neuerungen in den Teams betreffen im Tischtennis die Aufnahme von Chen Weixing bzw. Li Qiangbing sowie beim LG-Vierer der Ruderer die Hinzunahme von Matthias Taborsky anstatt Markus Lemp und Dominik Sigl. Das Handball-Nationalteam der Männer bleibt gefördert. Das der Frauen wurde schon im Sommer eliminiert, da keine Chance mehr auf ein Rio-Ticket besteht. Das Hockey-Nationalteam der Herren ist nach wie vor im Hope-Kader.
In den Hope-Kader wurden nicht nur fünf Aktive vom Medaillenkader heruntergestuft, sondern auch zehn vom Team Rot-Weiß-Rot hinaufgenommen. Darunter sind die Schwimm-EM-Dritte Lisa Zaiser und Kira Grünberg, EM-Finalistin im Stabhochsprung. Auch Judoka Ludwig Paischer fand Aufnahme. Neu dabei ist Golfer Bernd Wiesberger. Tennis-Ass Dominic Thiem müsse erst einmal die für ein Olympia-Ticket erforderlichen zwei Davis-Cup-Einsätze absolvieren.
Aus dem Hope-Kader in das Team Rot-Weiß-Rot "gefallen" sind die Leichtathleten Andreas Vojta, Lukas Weißhaidinger und Gerhard Mayer sowie die Mountainbiker Elisabeth Osl und Alexander Gehbauer. Siebenkämpferin Ivona Dadic und Edines Kurtovic (Taekwondo) fielen heraus. Letztlich wurde der Para-Kader der Behindertensportler auf 15 Athleten aufgestockt. Neu sind Wolfgang Eibeck und Thomas Frühwirth (jeweils Rad) sowie Schwimmerin Sabine Weber-Treiber.
Sportminister Gerald Klug betonte, dass von seinem Ministerium jährlich fünf Millionen Euro in die Spitzenförderung fließen. Die hoffnungsvollsten Sportarten für die nächsten Sommerspiele hat er schon ausgemacht. "Segeln, Rudern, Kanu, Tischtennis, Judo und Beach-Volleyball - das sind die Kernsportarten, auf die wir setzen." ÖOC-Präsident Karl Stoss hob hervor, dass die aktuellen Kader ausschließlich durch die Leistungen der Aktiven definiert sind.
Das Konzept: Die österreichische Sportpolitik reagierte auf die medaillenlosen Olympischen Sommerspiele von London 2012 und gründete in Hinblick auf 2016 das Rio-Projekt.
Der aktuelle Kader der österreichischen Spitzenförderung für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro umfasst derzeit folgende Aktive:
Einzelsportler
BEACH-VOLLEYBALL (4, bisher 2): Stefanie Schwaiger/Barbara Hansel (Hansel neu vom Team Rot-Weiß-Rot/TRWR) Clemens Doppler/Alexander Horst (neu vom Team-Kader)
GEWICHTHEBEN: Sargis Martirosjan (Neu-Aufnahme); JUDO (3): Bernadette Graf, Kathrin Unterwurzacher, Sabrina Filzmoser; KANU (4, bisher 5): Viktoria Schwarz, Ana Lehaci, Yvonne Schuring, Corinna Kuhnle
MODERNER FÜNFKAMPF: Thomas Daniel
PFERDESPORT: Victoria Max-Theurer (Neu-Aufnahme); RINGEN (1): Amer Hrustanovic; RUDERN (1): Magdalena Lobnig
SCHIESSEN: Andreas Scherhaufer (Neu-Aufnahme)
SEGELN: Nico Delle Karth/Nikolaus Resch, Matthias Schmid/Florian Reichstädter, Thomas Zajac/Tanja Frank, David Bargehr/Lukas Mähr (Neu-Aufnahme), Lara Vadlau/Jolanta Ogar (bereits im Juni nach Ogar-Einbürgerung neu aufgenommen)
TRIATHLON: Lisa Perterer, Sara Vilic; Nicht mehr dabei: LEICHTATHLETIK (bisher 1), SCHWIMMEN (bisher 1)
Paralympics
KANU (1, bisher 1): Markus Swoboda
LEICHTATHLETIK (4, bisher 4): Thomas Geierspichler; Natalia Eder, Bil Marinkovic, Günther Matzinger
RAD/HANDBIKE (4, bisher 2): Walter Ablinger, Wolfgang Schattauer, Wolfgang Eibeck, Thomas Frühwirth (beide vom TRWR)
REITEN (1, bisher 1): Pepo Puch; SCHWIMMEN (2, bisher 1): Andreas Onea, Sabine Weber-Treiber (neu vom TRWR); SEGELN (1, bisher 1): Sven Reiger
TISCHTENNIS (2, bisher 2): Doris Mader, Stanislaw Fraczyk
Teams
HANDBALL: Nationalteam Männer
RUDERN: LG-Zweier (Bernhard und Paul Sieber), LG-Vierer (Florian Berg/Joschka Hellmeier/Alexander Chernikov/Matthias Taborsky (Taborsky vom TRWR);
TICHTENNIS: Herren (Robert Gardos, Daniel Habesohn, Stefan Fegerl, Chen Weixing - Chen neu dabei); Damen: Liu Jia, Sofia Polcanova, Amelie Solja, Li Qiangbing - Li neu vom TRWR).
Nicht mehr dabei: BEACH-VOLLEYBALL (Doppler/Horst neu im Medaillenkader), HANDBALL (Nationalteam Frauen, schon im Sommer aus Förderung genommen)
Kader "Hoffnung"
GOLF: Bernd Wiesberger (Neu-Aufnahme)
HOCKEY: Nationalteam Herren
JUDO: Tina Zeltner, Hilde Drexler, Ludwig Paischer (neu vom TRWR); KANU (3, bisher 2): Viktoria Wolffhardt, Lisa Leitner, Violetta Oblinger-Peters (herabgestuft vom Medaillenkader)
LEICHTATHLETIK: Beate Schrott (herabgestuft vom Medaillenkader), Dominik Distelberger, Kira Grünberg (beide neu vom TRWR); RINGEN (2, bisher 1): Florian Marchl, Daniel Gastl (neu vom TRWR);
SCHIESSEN: Alexander Schmirl, Thomas Mathis, Stephanie Obermoser, Lisa Ungerank (beide herabgestuft vom Medaillenkader), Bernhard Pickl, Gernot Rumpler, Olivia Hofmann (alle vom TRWR);
SCHWIMMEN: Lisa Zaiser (Neu-Aufnahme); SEGELN (2, bisher 4): Benjamin Bildstein, David Hussl
TRIATHLON: Luis Knabl (herabgestuft vom Medaillenkader), Lukas Hollaus (neu vom TRWR);
WASSERSPRINGEN: Constantin Blaha. Nicht mehr dabei: RAD (bisher 2): Elisabeth Osl, Alexander Gehbauer (beide in TRWR herabgestuft); TAEKWONDO (bisher 1): Edines Kurtovic (zur Zeit keine Förderung)
Herabstufungen
BEACH-VOLLEYBALL: Doris Schwaiger (Karriere beendet)
LEICHTATHLETIK: Andreas Vojta, Lukas Weißhaidinger, Gerhard Mayer (alle von Hope ins TRWR), Ivona Dadic (bisher Hope, aktuell keine Förderung)
RUDERN: Markus Lemp, Dominik Sigl (beide LG-Vierer, neu im TRWR)
SCHWIMMEN: Dinko Jukic (aktuell keine Förderung)
TRIATHLON: Thomas Springer (aktuell keine Förderung)
Peter Schröcksnadel saß gestern im Konferenzzimmer des Café Landtmann im ersten Stock, flankiert von Sportminister Gerald Klug und Österreichs Olympia-Boss Karl Stoss, als er, der Chefkoordinator des Förderprojekts für die
Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio, sagte: „Endlich ziehen alle an einem Strang.“
So begann der gestrige Tag für Österreichs Spitzensport: mit einer Lüge.
Zumindest, wenn es nach den Damen und Herren geht, die einen Stock tiefer beisammen saßen. Und klagten. Es waren dies die Generalsekretäre und/oder Präsidenten des österreichischen Radsport-, Golf-, Orientierungslauf-, American-Football- sowie des Handball-Verbandes. Einer aus der Runde sagte: „Mit Demokratie hat das wenig zu tun.“ Gemein haben sie – neben der Klage über die Lage – die Wahrung ihrer Anonymität.
Zu viel steht auf dem Spiel, in erster Linie zukünftige Förderungen für den jeweiligen Verband. Dabei geht es nicht um das Rio-Projekt, das Medaillenhoffnungen eine zusätzliche Förderung bereitstellt (siehe unten), und gestern der Evaluierung unterzogen wurde. Freilich, über Kleinigkeiten lässt sich auch hier diskutieren, generell sind Zweck und Einsatz der ausgeschütteten zwanzig Millionen Euro bis zu den Sommerspielen 2016 aber nachvollziehbar. Darunter fällt auch die Herabstufung von Schwimmer Dinko Jukic, der nach Rang vier in London den Leistungsnachweis bislang schuldig blieb.
Neues Fördergesetz
Weit weniger nachvollziehbar ist ein zweites Fördersystem, das in der Vorwoche die Runde machte. Es hört auf den wenig klingenden Namen Bundes-Sportförderungsfonds (BSFF) und ist Teil des 2013 in Kraft getretenen Bundes-Sportförderungsgesetzes. Damit sollte die Qualität der Förderungen gesteigert und gleichzeitig der bürokratische Aufwand minimiert werden. Der Fonds hätte so jene übergeordnete Stelle werden können, der dem österreichischen Spitzensport die dringend nötige Linie vorgibt.
Der BSFF verwaltet mit vier Millionen Euro gerade einmal ein Zehntel jenes Betrages, den der Staat für Sport im Jahr zur Verfügung stellt. Die neu geschaffene Stelle reiht sich damit nahtlos ein in ein Dickicht aus Instanzen und Anlaufstellen: Olympisches Comité, Bundes-Sportorganisation, Ministerium, drei Dachverbände (ASKÖ, Union, ASVÖ) sowie die Fördereinrichtungen Sporthilfe, Team Rot-Weiß-Rot und neuerdings eben auch noch der BSFF und das Rio-Projekt.
Da der Fonds mit vier Millionen Euro logischerweise nicht alle 60 Fachverbände vernünftig mit Geld ausstatten kann, musste gewertet werden. Erstellt wurde eine „Erfolgsrangliste“, die an manchen Stellen auch Minister Klug „überraschte“, wie er gestern zugab. Drei (!) Mitarbeiter mussten Leistungen und Potenzial von 60 (!) Sportarten einschätzen: von Ski über Klettern und Wasserski bis zu Frisbee.
Manchmal ist der Sport eben nur eines: unfair.
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