Brüder kämpfen um ein Olympia-Ticket: "Einer wird aufgeben müssen"

Bei manchen Familien ist das Sieger-Gen doppelt vorhanden. Immer wieder kämpfen im Sport Geschwister gegeneinander um den Sieg. Fast zur Gewohnheit wurde das Schwestern-Duell auf dem Tennisplatz zwischen Serena und Venus Williams. 31-mal trafen die beiden US-Amerikanerinnen aufeinander. 12-mal ging der Sieg an die um zwei Jahre ältere Venus, 19-mal gewann Serena, so etwa auch die letzte Begegnung im Jahr 2020.
Auf der ATP-Tour trafen die beiden Deutschen Alexander und Mischa Zverev einmal aufeinander. Der zehn Jahre jüngere Alexander gewann in zwei Sätzen. In der Formel 1 fuhren Michael und Ralf Schumacher jahrelang gegeneinander, in 157 Rennen traten sie gemeinsam an. Die Zwillinge Phil und Steve Mahre fuhren im Ski-Weltcup gegeneinander, im Olympia-Slalom 1984 gewannen sie Gold (Phil) und Silber (Steve).
Im Kampfsport, wo es richtig zur Sache geht, sind Geschwisterduelle allerdings selten. Einen dreistelligen Millionen-Betrag bekamen die Ukrainer Vitali und Wladimir Klitschko einst geboten, wenn sie gegeneinander um die WM-Krone im Schwergewicht boxen würden. Doch beide hatten einst ihrer Mutter geschworen, im Ring nie gegeneinander anzutreten – und dieses Versprechen auch gehalten.
Familienrat
Anders entschieden hat der Familienrat im Hause Borchashvili. Shamil (27) und Wachid (24) werden in derselben Gewichtsklasse um Judo-Medaillen und um das Ticket für Olympia kämpfen. Denn in Paris 2024 wird es pro Nation und Klasse nur einen Startplatz geben.
Ein Jahr lang haben es die beiden in Tschetschenien geborenen Österreicher in unterschiedlichen Klassen versucht. Doch Wachid fühlte sich in der Kategorie bis 90 Kilogramm nicht wohl. Auf dem Weg zu Olympia soll sich nun der Bessere der beiden in der Klasse bis 81 Kilogramm durchsetzen. Bereits am Mittwoch kämpfen sie bei der Weltmeisterschaft in Doha in einer Gewichtsklasse. Die Auslosung wollte es, dass sie frühestens in einem Kampf um eine Medaille aufeinander treffen können.
„Wachid ist wegen mir eine Gewichtsklasse raufgegangen“, sagt Shamil Borchashvili. „Dann haben wir in der Familie gesagt: Komm’ wieder zurück in deine Gewichtsklasse und hol’ dir alles ab.“ In der gleichen Kategorie zu kämpfen, sei nun eine große Motivation: „Wir pushen uns gegenseitig und lernen viel voneinander.“
2021 gewann Shamil die Olympische Bronzemedaille in Tokio, 2022 wurde er bei der WM in Taschkent ebenfalls Dritter. Doch satt vom Erfolg ist er noch nicht, den Startplatz für Paris wird er seinem Bruder nicht kampflos überlassen: „Olympiagold habe ich ja noch nicht.“
Der jüngere Wachid schaffte erst heuer den Durchbruch mit dem Sieg beim Grand-Slam-Turnier in Tiflis. Beide haben höchste Ansprüche an sich selbst, wie Cheftrainerin Yvonne Snir-Böhnisch zu berichten weiß: „Für das Team ist es gut, wenn man zwei Trainingsverrückte hat, die immer 100 Prozent geben.“
Vor einem Bruderduell im Kampf um den WM-Titel würde Shamil nicht zurückschrecken. „Man schlägt sich ja nicht. Judo ist mehr ein Schachspiel. Schauen wir, wer besser eingestellt ist. Ich freue mich darauf.“ Natürlich kenne man Stärken und Schwächen des Gegners in- und auswendig. Wachid sei der vielseitigere Kämpfer, Shamil selbst liege im Bereich Kraft und Kondition voran. „Ich möchte ihn herausfordern“, sagt Shamil. „Einer wird aufgeben müssen. Auch wenn es Stunden dauert.“
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