Irlands Alternative zum Fußball
Ein wolkenverhangener Himmel und 14 Grad. Die Prognose für Samstag lässt Brendan MacGuire so richtig warm ums Herz werden. "Die Sommerhitze killt mich hier in Österreich", sagt er. Brendan MacGuire ist Ire. Seit elf Jahren lebt er in Wien, sein Deutsch mit der markanten englischen Färbung ist exzellent wie charmant, doch mit dem Klima hierzulande konnte er sich noch nie anfreunden.
"Am Samstag dürfte es ideal werden", sagt der 36-Jährige. Der Tag hat Priorität. Am Samstag wird MacGuire Hunderte seiner irischen Landsleute treffen, schwarzes Bier und goldenen Whiskey trinken und Fußball spielen. Irischen Fußball. Gaelic Football.
Österreichische Premiere
Zum ersten Mal ist Österreich Ausrichter des Paneuropäischen Gaelic-Football-Turniers, der größten Veranstaltung der Sportart außerhalb Irlands. 320 Athleten werden in 25 Teams im Schwechater Rudolf-Tonn-Stadion ihre Sieger küren. Mit dabei ist je ein Damen- und Herren-Team der Vienna Gaels.
Die Iren sind ein Volk der Auswanderer. Und Gaelic Football ist ihr Sport. "Für uns ist der Verein in Wien der soziale Mittelpunkt der irischen Community", sagt MacGuire. Im Jahr 2004 wurden die Vienna Gaels gegründet, ursprünglich nur von ein paar wenigen Iren, "mittlerweile sind wir schon in der Mehrheit", sagt MacGuire.
"Wir versuchen schon, die irische Kultur nach Österreich zu bringen", sagt Hanna Zedlacher. Die 28-jährige Steirerin hat auch ohne direkten Irland-Bezug die Liebe zu Gaelic Football entdeckt. "Ich hab mich beim Sport immer eher blöd angestellt. Beim Gaelic Football habe ich das erste Mal gedacht, dass ich gar nicht so schlecht bin", sagt sie.
In Irland komme jedes Kind damit in Berührung, sagt MacGuire: "Es ist günstig und die Regeln sind einfach, der perfekte Einsteigersport." 180.000 Iren üben in über 300 Vereinen ihren Volkssport aus – eine Kombination aus Fußball, Handball, Basketball und Rugby. Gaelic Football ist schnell und rau, Unterbrechungen während der zwei Mal dreißig Minuten Spielzeit gibt es kaum, erlaubt ist fast alles. "Es ist schon hart, aber fair", sagt Mac Guire.
Irische Tradition
Das "All-Ireland-Finale" um die Meisterschaft ist ein nationales Anliegen, 82.300 Zuschauer strömen jeden dritten Sonntag im September in den Dubliner Croke Park, das fünftgrößte Stadion Europas. Der Rest der 4,5 Millionen Iren versammelt sich vor den Fernsehgeräten.
"Gaelic wird immer die Nummer eins sein", sagt Brendan MacGuire, "dann kommt Rugby und danach Soccer." Soccer kommt aus England, und das genügte viele Jahrzehnte schon als Argument, um es in Irland nicht zu spielen.
Die Spannungen mit der britischen Krone haben sich in jede gesellschaftliche Schicht geschoben, auch in den Sport. Bis in die 70er-Jahre sperrte der nationale Verband, die Gaelic Athletic Association (GAA), Mitglieder, wenn sie nebenbei Soccer, Rugby oder Cricket spielten. Bis zum Jahr 2005 durften im Croke Park nur irische Sportarten gespielt werden, neben Gaelic Football noch Hurling, ein dem Hockey ähnliches Mannschaftsspiel. "Wir auf den britischen Inseln sind in den letzten Jahren alle ein bisschen erwachsener geworden", sagt MacGuire.
Vor Kurzem stattete gar Queen Elizabeth II. dem Allerheiligsten im irischen Sport einen Besuch ab. "God Save the Queen" ertönte aus den Lautsprechern, vor dem Stadion blieb es friedlich. "Ein gutes und wichtiges Zeichen", sagt MacGuire.
22 Jahre übt der Wahl-Österreicher bereits den Sport aus. Erst eine gröbere Verletzung zog er sich bisher beim Fußball zu, sagt er. "Beim englischen", fügt er an – und lächelt.
Gaelic Football: Mit Hand und Fuß
Ursprung Gaelic Football ist die Urform des Fußballs und eine der ältesten Mannschaftssportarten der Welt. Erstmals erwähnt wurde es im 16. Jahrhundert. Die Gaelic Athletic Association (GAA) wurde 1884 gegründet.
Spiel & Regeln Gaelic Football wird mit einem Lederball gespielt, der etwas schwerer ist als ein herkömmlicher Fußball. Das Spielfeld ist mit einer Länge von 130 bis 145 Metern und einer Breite von 70 bis 80 Metern größer als ein Fußballfeld in Österreich. Ein Team besteht aus einem Tormann und 14 Feldspielern, in Kontinental-Europa wird aufgrund des kleineren Spielfeldes mit nur elf Feldspielern gespielt. Über dem Tor ist noch eine Querstange montiert, ähnlich wie beim Rugby. Punkte können erzielt werden, wenn man entweder ins Tor trifft (drei Punkte) oder durch die Stangen (ein Punkt). Der Ball kann dabei mit jedem Körperteil gespielt werden. Allerdings ist es nicht erlaubt, den Ball vom Boden mit der Hand aufzunehmen (Ausnahme: Tormann). Ohne den Ball auf den Boden zu prellen oder sich ihn mit dem Fuß wieder in die Hand zu spielen (ähnlich dem "Gaberln"), sind nur vier Schritte erlaubt. Die Spielzeit beträgt zwei Mal dreißig Minuten.
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