Attentats-Zeuge Murray: "Konnte Tat nicht begreifen“

Andy Murray beim Aufschlag während eines Tennisspiels.
Andy Murray erlebte als Achtjähriger das Attentat in Dunblane.

Tränen. Jahrelang wollte Andy Murray nicht über den schlimmsten Moment in seinem Leben sprechen. „Next question“, hieß es immer. Nein, es ging nicht um eine Niederlage. Oder den bislang vergeblichen Versuch, als erster Brite seit 1936 das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon zu gewinnen.

Als Achtjähriger erlebte der Schotte das Attentat in der Grundschule seiner schottischen Heimatstadt Dunblane aus nächster Nähe. Murray und sein älterer Bruder Jamie waren am 13. März 1996 nur wenige Meter vom Tatort entfernt, als ein Verrückter namens Thomas Hamilton 16 Erstklässler und deren Lehrerin erschoss und sich anschließend selbst richtete. Murray und sein Bruder verschanzten sich im Direktorenzimmer unter dem Tisch und entgingen so dem Tod.

Erschütternd

Als Murray über das Attentat berichtete, kämpfte er mit seinen Gefühlen und brach schließlich in Tränen aus. „Sie können sich nicht vorstellen, wie hart so etwas ist“, sagte Murray mit tränenreicher Stimme in einem Interview mit der BBC, das er vor seinem gestrigen Drittrunden-Spiel gegen den Spanier Tommy Robredo gab. „Ich konnte bei Pressekonferenzen nie darüber reden, weil es für mich und meine Familie sehr schmerzhaft war.“ Lange habe er gebraucht, um zu realisieren, was damals geschehen ist. „Ich konnte lange nicht die Tragweite dieser Wahnsinnstat begreifen, brauchte auch Jahre, um es zu verarbeiten.“ Ganz drüber hinweg sei er aber noch immer nicht.

Ansonsten wird vor allem bei Pressekonferenzen über das Übliche gesprochen. Besser gesagt, nach dem Üblichen gefragt.

Ernüchternd

Ob er heuer bereits nach dem dem Olympischen Tennisturnier im Vorjahr auch das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon gewinnen kann? Denn wenn es überhaupt jemand schaffen kann, nach 77 Jahren mit einem Finalsieg endlich das Phantom Fred Perry zu vertreiben, dann Murray.

Im gesamten Königreich ist kein Zweiter mit seinen Fähigkeiten in Sicht. Auch deshalb ist er nervös. „Aber Nervosität fördert meine Konzentration“, sagt er. Und weiß: „Ich spiele hier immer mein bestes Tennis.“

Nach drei Semifinaleinzügen in Folge erreichte der heute 26-Jährige im Vorjahr das Finale, musste sich aber Roger Federer geschlagen geben. Und brach danach in Tränen aus. Perrys Fluch hatte ihn erneut erwischt. Er fürchtete, alle Hoffnungen enttäuscht zu haben, seine eigenen, die seiner Familie, seiner Freunde, seines Trainers Ivan Lendl, aber vor allem die der Briten. „Ich versuche es immer wieder, aber es ist schwer“, sagte er.

Er weiß, dass er die Bürde einer Tennis-Nation alleine tragen muss.

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