Hirscher: "Dieses Gold hat irrsinnigen Stellenwert"

Ein Mann mit Mütze hält eine goldene Schneeflocken-Medaille in der Hand.
Mit dem Weltmeister-Titel in der Kombination hat sich Marcel Hirscher selbst überrascht.

Marcel Hirscher hatte seine Medaillenchancen in der WM-Kombination als "nicht vorhanden" bezeichnet. Aus voller Überzeugung, wie er versicherte. "Ich bin in dieses Rennen als komplett chancenloser Typ hineingegangen. Das ist mein purer Ernst. Deshalb hat diese Goldmedaille einen irrsinnigen Stellenwert", meinte der 25-Jährige nach seinem Triumph am Sonntag in Vail/Beaver Creek.

Zu Beginn der Abfahrtswoche auf der "Birds-of-Prey"-Piste hatte Hirscher noch mit "der Angst und dem Setup" zu kämpfen gehabt. Hirscher und sein Team drehten dann aber offensichtlich an den exakt richtigen Schrauben an Hirschers Skiern und Schuhen. "Die Vorzeichen waren nicht die besten. Mit perfektem Teamwork haben wir es aber geschafft, dass ich da in der Abfahrt möglichst schnell runterkomme", meinte Hirscher.

Dass ein Technik-Spezialist wie er nun Kombi-Weltmeister ist, wollte ihm zunächst nicht in den Kopf gehen. "Kombi-Weltmeister, das hört sich noch komplett befremdlich an. Aber irgendwann werde ich mich schon damit identifizieren können", sagte der dreifache Gesamt-Weltcup-Sieger.

Angesichts seiner Abfahrtsleistung, die mit Platz 30 und somit Startnummer 1 im Slalom belohnt wurde, war Hirscher richtig stolz. "Ich bin begeistert, wie ich es geschafft habe, mich zu überwinden. Wenn es einem gelingt, in der Abfahrt ans persönliche Limit zu gehen, dann ist das wirklich krass. Ein Abfahrer bin ich deshalb aber noch lang nicht."

Hirscher hat aber nun punkto Abfahrt Blut geleckt. "Mit Abfahrtsskiern den Berg hinunterzufahren, das ist einfach großartig." Die Abfahrt bzw. den Super-G intensiver in sein Programm aufzunehmen, sei aber eine schwierige Grundsatzentscheidung. "Das kann der Plan sein. Die Frage ist, ob darunter meine Kerndisziplinen Riesentorlauf und Slalom leiden würden. Das ist eine persönliche Entscheidung, die ich treffen muss."

Zurückhaltung

Nach seinem Kombi-Coup wurde Hirscher bereits gefragt, ob er nun auf vier Goldmedaillen in den USA losgehe. "Darüber hab ich noch keine Sekunde nachgedacht. Für mich war es schon eine gewagte und untypische Aussage, dass ich eine Medaille egal in welcher Farbe möchte. Das hätte man noch vor zwei Jahren bei der WM in Schladming nie von mir gehört.

Hirschers Physiotherapeut Alexander Fröis sprach am Sonntag sogar von "einem der besten Tage aller Zeiten". Das Understatement seines Schützlings relativierte der Vorarlberger ein wenig: "Dass es Gold geworden ist, ist vielleicht überraschend. Aber wenn Marcel am Start steht, dann hat das einen Grund. Wenn er da oben steht, dann ist er zu 120 Prozent bereit."

In den kommenden Tagen ist von Hirscher im Teambewerb, im Riesentorlauf und im Slalom noch einiges zu erwarten. "Diese Goldmedaille macht ihn vom Kopf her ruhiger. Und seine eigentlichen Disziplinen kommen ja erst", meinte Fröis.

Wenn das Sportliche in den Hintergrund gerät

Gut Ding braucht Weile. Das Projekt WM-Kombination startete für Marcel Hirscher bereits Anfang Dezember 2014. Zwischenzeitlich hatte der Salzburger den Glauben daran verloren und sogar einen Startverzicht in Erwägung gezogen. Am Ende durfte Hirscher dann am Sonntag in Vail/Beaver Creek über Gold jubeln. Sehr zur Freunde auch seines persönlichen Trainers Michael "Mike" Pircher.

"Es war ein langes Projekt, das auch mit ziemlich viel Kopfschmerzen verbunden war. Am Ende des Tages hatten wir auch das nötige Glück und stehen mit Gold um den Hals da", meinte ein überglücklicher Pircher nach dem WM-Traumstart seines Schützlings. "Im Endeffekt haben wir alles richtig gemacht und sind glücklich, dass wir diesen Weg gegangen sind", sagte der Steirer.

Bereits im Oktober hatte Hirscher die WM-Kombi ins Auge gefasst. Deshalb nahm der Salzburger dann auch Anfang Dezember an einem Abfahrtstraining (7,61 Sekunden Rückstand) und am Weltcup-Super-G (ausgeschieden) im WM-Ort Beaver Creek teil.

Ein Mann hält eine goldene FIS-Medaille vor sein Auge und lächelt.
ABD0015_20150209 - VAIL - USA: Marcel Hirscher (AUT) präsentiert am Sonntag, 08. Februar 2015, vor dem Haus Ski Austria in Vail seine Goldmedaille in der Superkombination der Herren. Die alpinen Ski-Weltmeisterschaften finden vom 02.-15. Februar in Vail/Beaver Creek (USA) statt. - FOTO: APA/HANS KLAUS TECHT
Zu einer endgültigen Startzusage hatte man sich bis zuletzt nicht hinreißen lassen. " Marcel und ich lassen uns bei gewissen Sachen einen Spielraum. Weil man einfach wirklich nicht weiß, was passiert. Frühzeitig etwas zusagen und dann nicht einlösen, davon halten wir nichts", sagte Pircher.

Und wirklich hatte es dann wenige Tage vor WM-Start noch eher schlecht punkto Kombi-Start ausgesehen. "Nach den Jänner-Rennen und der Schladming-Enttäuschung (Platz 14, Anm.) war Marcel noch dazu krank. Das war sicher keine leichte Zeit", so Pircher.

Hirscher hob dann am 1. Februar Richtung Übersee ab. Und in Colorado stürzte sich der 25-Jährige ins Speed-Abenteuer. Zunächst allerdings mit mäßigem Erfolg, denn Hirscher hatte in den beiden Abfahrtstrainings jeweils knapp fünf Sekunden Rückstand.

Nach langem Hin und Her folgte schließlich die Startzusage. "Wir haben Tag für Tag geschaut, ob realistische Medaillenchancen bestehen. Das letzte Training war eigentlich wenig erfolgreich. Dennoch haben wir nach langen Videoanalysen ein Rezept gefunden und dann gesagt: 'Passt, wir probieren es'", erzählte Pircher.

Dass Hirscher dann dank der Disqualifikation des schwer gestürzten Ondrej Bank ausgerechnet auf den 30. Abfahrtsplatz rutschte, sei natürlich großes Glück gewesen. "Aber wir haben ehrlich gesagt genau damit spekuliert, dass er sich in der Abfahrt in den Bereich zwischen 25 und 30 platzieren könnte. Allerdings nur mit einer starken Leistung, und die hat er gezeigt. Seine Abfahrt war Wahnsinn, die war top, zu zwei Drittel sogar genial", war Pircher voll des Lobes.

Wäre Hirscher nicht mit Nummer 1, sondern mit Nummer 31 in den Slalom gegangen, wäre auch nach Ansicht von Pircher keine Medaille möglich gewesen. Den Sturz von Bank bezeichnete Pircher als "brutale Situation". "Da ist mir die 'Ganslhaut' aufgestiegen. Das Wichtigste ist, dass ihm nichts passiert ist."

Hirscher und sein Team können nun befreit in die zweite WM-Woche gehen, in der mit dem Teambewerb (Dienstag), dem Riesentorlauf (Freitag) und dem Slalom (Sonntag) drei weitere Medaillenchancen warten. "Diese erste Goldene gleich im ersten Bewerb ist natürlich für uns alle befreiend. Der Druck lässt brutal nach. Das heißt aber nicht, dass wir zurückstecken. Wir werden konzentriert weiterarbeiten, es warten noch harte Aufgaben."

Das Ziel, mit zumindest einer Medaille nach Österreich heimzukehren, hat man aber schon erreicht. "Jetzt haben wir schon Gold. Alles was kommt, ist nur noch Draufgabe", sagte Pircher über die angenehme Ausgangslage für WM-Woche zwei.

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