Gewichtheben: Steiner hofft auf Medaille

Gewichtheben: Steiner hofft auf Medaille
In Peking wurde der Österreicher, der für Deutschland startet, zum Star. In London muss er verletzungsbedingt kleiner Brötchen backen.

Obersulz steht Kopf. "Ich hab ihm gesagt: Matthias, du wirst uns bis nach London schreien hören", sagt Waltraud Haberl. Frau Haberl ist die Schriftführerin des "1. Fanclub Matthias Steiner". Der bald 30-jährige Gewichtheber kommt aus Obersulz, einer kleinen Gemeinde im Weinviertel in Niederösterreich und holte 2008 Olympia-Gold – für Deutschland.

Abschied

Gewichtheben: Steiner hofft auf Medaille

Weil er bei der EM 2005 im Reißen drei Mal am Anfangsgewicht von 195 kg scheiterte, sagte ein Vizepräsident des österreichischen Verbandes: "Nach dem neuerlichen Beweis für seine Unsportlichkeit ist es mir egal, ob Steiner künftig für Schweden, Deutschland, Kasachstan oder Teppichland startet." Steiner heiratete Freundin Susann und beantragte die Staatsbürgerschaft – nicht von Teppichland, sondern von Deutschland. Frau Haberl sagt: "In Österreich hätten sie ihm nie das alles so ermöglichen können wie in Deutschland. Uns ist nur wichtig, dass er sich wohl fühlt."

Auf dem Obersulzer Sportplatz ist heute ab 19 Uhr kollektives Daumendrücken angesagt. Public viewing heißt so etwas. Haberl sagt: "Nein, so groß ist das nicht. Fans und Freunde sitzen vor einem großen Fernseher." Steiner ist überzeugter Obersulzer. "Er war zuletzt im Mai in der Ortschaft. Wir sind im Juni nach Heidelberg gefahren zur Olympiaqualifikation", erzählt Haberl. Doch in London fehlen die Obersulzer. "Wir wären gerne hingefahren. Aber das ist so teuer, und wir haben keine Karten bekommen", sagt Frau Haberl.

Andenken

Seine Gold-Heber vor vier Jahren sorgten für enorm emotionale Momente. Das Bild von Steiner, wie er bei der Siegerehrung das Foto seiner nach einem Autounfall verstorbenen Frau in der Hand hielt, berührte nicht nur Freunde und Fans in Obersulz. "Da sind so viele Emotionen aus ihm herausgekommen. So viel Trauer, so viel Wut", erinnert sich Frau Haberl.

In London hängen die sportlichen Trauben aber hoch. Haberl: "Es wäre schon großartig, wenn er eine Medaille holen würde." Steiner hat sich im September die Quadrizepssehne am linken Knie eingerissen und musste operiert werden. Erst im Jänner konnte er wieder trainieren – mit der leeren Stange. Im Mai litt er an einem Magen-Darm-Infekt, danach rebellierte die Rückenmuskulatur – wieder zwei Wochen Pause.

Somit ist er von seiner Bestleistung weit entfernt. Seinen Autogrammen fügt er gern die Zahl 461 hinzu – das war seine Zweikampfleistung in Peking. Seine Saisonbestleistung liegt bei 424 kg, der Iraner Behdad Salimikordasiabi hat heuer bereits 451 kg gestemmt. Steiner: "Aber ich wollte nicht zu Hause bleiben, ich würde mich ärgern, wenn das Niveau im Wettkampf überraschenderweise niedrig ist."

Matthias Steiner war in Obersulz schon immer ein Held. Vor vier Jahren vereinnahmte ihn ganz Deutschland – Empfang bei Kanzlerin Merkel, Auftritt bei Gottschalk, Ehrungen, Talkshows, Vorträge. "Es fühlte sich toll an, weil es eine Anerkennung war", sagte er vor den Spielen in einem Interview im Spiegel. "Ich wollte lange nicht wahrhaben, ein Boulevardsportler geworden zu sein." Es nervte ihn aber bald, immer auf die Sache mit seiner verstorbenen Frau reduziert zu werden. Also hat er ein Buch geschrieben. "Um allen sagen zu können: Lest, da steht alles drin. Das war ein Befreiungsschlag, danach gab es Ruhe."

Mittlerweile wird Steiner von seiner zweiten Frau Inge Posmyk begleitet, mit der er in Heidelberg lebt. Mit der TV-Moderatorin, die nun Steiner heißt, hat er einen zweijährigen Sohn, Felix. Bilder der Familie wird es auf dem Siegespodest in London keine geben, versicherte Inge der Welt am Sonntag. "Das würde ihm auch keiner abnehmen. Das mit Susi war etwas Einmaliges."

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