Geierspichler, das Aushängeschild
Es war der 4. April 1994, als
Thomas Geierspichler auf dem Heimweg aus einer Diskothek als Beifahrer eines Freundes schwer verunglückte. Nach zwei Monaten im Rehabilitationszentrum erfuhr er, dass er von der Hüfte an abwärts gelähmt sein würde.
Heute ist er ein Vorzeigeathlet. Bei den
Paralympics 2000 (Sydney), 2004 (Athen) und 2008 (Peking) sammelte er in Summe acht Medaillen. Warum eine weitere schwer zu holen ist, erklärt er in folgendem Interview.
KURIER: Herr Geierspichler, sind Sie bereit für London?
Thomas Geierspichler: Ja, das Kribbeln und eine leichte Nervosität haben sich in den letzten Wochen schon bemerkbar gemacht. Und das, obwohl es schon meine vierten Spiele sind. Die Vorfreude ist sehr groß.
Welche Ziele haben Sie?
Ich habe vor eineinhalb Jahren erfahren, dass es meine Spezialdisziplin, den Marathon, für meine Behinderungsklasse nicht mehr gibt. Gerade der Marathon.
Olympia wurde doch erfunden, weil irgendwann einer von Marathon nach Athen gelaufen ist.
Warum glauben Sie, wurde der Marathon für Ihre Klasse gestrichen?
Es gab zwei Marathon-Klassen. Jene mit dem schwereren Behinderungsgrad, der ich angehöre, wurde gestrichen, weil einige offenbar glauben, es wäre schöner anzusehen, wenn der Grad der Behinderung nur ein geringer ist. Da geht es einigen wohl darum, den Behindertensport besser zu verkaufen. Das ist aber eine klare Verfehlung, weil damit Menschen wie mir eine Perspektive genommen wird.
Wie haben Sie auf diese Entscheidung reagiert?
Das war für mich ein Riesenschock. Ich trainiere seit 1998 Marathon. Mein Körper ist auf diese Disziplin ausgerichtet. Ich habe überlegt, ob ich aufhören soll, das war aber dann doch keine Option für mich.
Warum nicht?
Weil sich im Leben immer wieder Hindernisse auftun, denen man sich stellen muss. Mir macht es Spaß. Und ich bin kampfbereit. Man muss immer Herrscher über die Umstände sein, nicht umgekehrt.
Sie starten nun über 100, 200, 400 und 800 Meter. Wie stehen Ihre Chancen?
Das ist wie eine andere Sportart für mich. Als ob man Haile Gebrselassie plötzlich dazu zwingen würde, ein Sprinter zu werden. Es gibt viele Spezialisten, die sich schon jahrelang auf die Sprintdisziplinen vorbereiten. Ich kann daher weder die Konkurrenz, noch meine Chancen seriös einschätzen.
Haben Sie ein Mindestziel?
Ich will mich keinem Druck aussetzen und keine Erwartungen schüren. Ein Finaleinzug wäre aber ein Erfolg. Aber eines kann ich versprechen: Ich werde kämpfen bis zum Umfallen.
Wie sind Sie mit der Umstellung im Training zurechtgekommen?
Es wäre leichter gewesen, wenn ich zuerst ein Sprinter gewesen wäre und dann mit dem Marathon begonnen hätte. So musste ich mit 36 Jahren an Muskelmasse zulegen. Ich trainiere nach wie vor vier bis sechs Stunden am Tag. Vom Umfang hat sich nichts verändert. Aber ...
... Aber?
Klar ist, dass mein Körper mit 36 Jahren nicht mehr so schnell regeneriert. Und witzig ist auch, dass ich aufgrund der gesteigerten Muskelmasse jetzt andere Kleidungsstücke brauche. Ich muss meistens eine Nummer größer bestellen.
Was wünschen Sie sich für die Spiele in
London?
Ich hoffe auf Sonnenschein. Ich bin Spezialist auf trockenem Boden.
Was werden Sie nach London machen? Haben Sie schon Pläne für die Zukunft?
Sportlich plane ich nur bis London. Danach werde ich mir sicher ein paar Wochen Auszeit nehmen. Ich will aber weiterhin als Sportbotschafter auftreten und Menschen mittels Vorträgen ermutigen, anhand meines Beispiels ihre eigenen Visionen zu verwirklichen.
Um erneut übers Aufhören nachzudenken?
Nein, ein paar Marathons fahre ich im nächsten Jahr sicher noch. Und wer weiß, was in vier Jahren ist. Wenn ich die Limits schaffe, warum sollte ich 2016 nicht in Rio starten?
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