WM 2022: Katar-Stimmung
Joseph Blatter war schon oft als Krisenmanager gefragt. Sein Projekt WM in Südafrika brachte der FIFA-Präsident 2010 mit viel Einsatz noch gut über die Bühne. Für Brasilien 2014 muss er sich nach den Unruhen beim Confed-Cup auch wieder wappnen. Nichts dürfte aber so kompliziert sein wie die Lösung des Katar-Konflikts.
Das umstrittene Turnier am Golf in neun Jahren beschäftigt das FIFA-Exekutivkomitee am Donnerstag und Freitag. Laut Tagesordnung geht es nur um die Lösung der Terminfrage (Sommer- oder Winter-WM), die Probleme sind aber vielschichtiger und führen bis zu der Frage, wie lange der Schweizer Blatter überhaupt noch im Amt sein wird bzw. sein darf. Seit Monaten herrscht in dieser Causa eine Katar-Stimmung.
Der Verdacht
Als Blatter am 2. Dezember 2010 bei der WM-Vergabe den Zettel mit der Aufschrift Katar aus dem Umschlag zog, war nicht nur der FIFA-Chef überrascht. 14 von 22 stimmberechtigten FIFA-Exekutivmitgliedern hatten für den Golfstaat votiert, obwohl dieser vorab die schlechtesten Bewertungen bekommen hatte. Rasch wurde über Bestechung und Betrug spekuliert, steht Katar im Weltfußball doch für scheinbar grenzenlose Geldquellen. Der Beweis einer Bestechung ist bis heute aber nicht erbracht. FIFA-Chefermittler Michael Garcia, der seit Monaten den Fall untersucht, will demnächst einen Zwischenbericht vorlegen.
Der Termin

Franz Beckenbauer war der Erste, der öffentlich warnte. UEFA-Präsident Michel Platini zog wenig später nach. Joseph Blatter brauchte fast drei Jahre, um auf die Winter-Option einzuschwenken. Dabei waren die Probleme schon lange bekannt. „Sehr heiße, sonnige und trockene Sommer“, „Vorkehrungen sind zu treffen“, so stand es im Katar-Bericht der WM-Evaluierer vor der Abstimmung im Dezember 2010.
Die Sommervariante ist wegen der hohen Temperaturen praktisch vom Tisch, alle Wintertermine, ob nun im Jänner oder erst November/Dezember 2022, sind extrem umstritten.
Die europäischen Fußball-Ligen haben sich mittlerweile formiert. Sie werden die für den Winterplan notwendige Umstellung ihrer Spielpläne nicht einfach so akzeptieren. „Der Spielkalender müsste wohl grundlegend revolutioniert werden“, fürchtet Platini.
Die Menschenrechte
Dieser Bericht schockierte in der letzten Woche die Fußball-Welt: 44 nepalesische Gastarbeiter sollen auf Baustellen in Katar gestorben sein. Nicht durch Unfälle, sondern wegen unzumutbarer Bedingungen in glühender Hitze, berichtete die englische Zeitung The Guardian. Kann ein Land, in dem ein Menschenleben wenig Wert zu haben scheint, der WM-Gastgeber sein?
Der Machtkampf
Krisen sind am besten zu lösen, wenn alle Protagonisten an einem Strang ziehen. Davon ist die FIFA weit entfernt: Bei allen Themen schwelt schon jetzt der wahrscheinliche Machtkampf zwischen Blatter und Platini um den FIFA-Präsidententhron. Amtsinhaber Blatter hat über die notwendigen Reformprozesse seine Ankündigung verdrängt, 2015 nicht mehr antreten zu wollen. Offenbar will er unbedingt seinen einstigen Kompagnon Platini im Amt verhindern.
Der Status quo führt schon jetzt zu teilweise skurrilen Situationen. So suggerierte Blatter kürzlich, dass es bei der Katar-Wahl politischen Einfluss gegeben habe und beschädigte damit die WM weiter – aber vor allem auch Platini. Vom UEFA-Chef ist bekannt, dass er kurz vor der Abstimmung vom damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in den Élysée-Palast geladen war. Mit am Tisch saß auch Scheich Hamad Al Thani – der Emir von Katar.
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